Oberhausen. . Das historische Archiv der Stadtsparkasse Oberhausen beherbergt viele Schätze. Der älteste ist von 1865 – und bezeugt, wie alles angefangen hat.

Es ist kühl. Die Flure sind lang und schmal – und der Blick bleibt sofort an den Wänden haften. Werbeplakate aus den 1970er und 80er Jahren hängen hier. „Sorglos reisen? Vorher zu uns kommen!“, heißt es auf einem. Ölgemälde zeigen alte Industrielandschaften, dazu zahllose Schwarz-Weiß-Fotos, Porträts von Männern und Frauen in Anzügen, strenge Pose, strenger Blick.

Hier oben im dritten Stock kennt Jürgen Eggert jeden Winkel. Direkt über der Sparkassen-Filiale in Osterfeld, Westfälische Straße 5, liegt seine kaum zu überblickende und doch akribisch sortierte Wirkungsstätte: das Historische Archiv der Stadtsparkasse Oberhausen.

800 Seiten dick, fünf Kilo schwer

Ein Archiv im dritten Stock? „Ja, das ist schon ein wenig ungewöhnlich“, schmunzelt der 62-Jährige, nachdem die hölzernen Treppenstufen erklommen sind. Hinter den Türen links und rechts des Gangs lauern „über 150 Jahre Sparkassen-Alltag“, erzählt er im Vorbeigehen. Tausende Protokolle, alte Sparbücher, Stempel, ausrangierte Apparaturen, Unterlagen zur Währungsumstellung, Nutzgeldsammlungen – er allein hat hier den Überblick. Bei knapp 3800 Archivalien keine einfache Aufgabe.

Eggert bittet in einen kleinen, fensterlosen Besprechungsraum, in der Mitte ein runder Tisch, ringsherum alte, grün gepolsterte Sessel. Von einem Sideboard hievt er ein Buch herüber – 800 Seiten dick und „locker fünf Kilo schwer“, schätzt er. Es ist das erste aller hier lagernden Archivalien, sozusagen ihr Ursprung: das Kassenbuch eines gewissen Christian Kleindorf.

Der erste Kunde zahlte 50 Taler ein

Mit spitzer Feder hielt Christian Kleindorf auch kleinste Einzahlungen fest
Mit spitzer Feder hielt Christian Kleindorf auch kleinste Einzahlungen fest © Gerd Wallhorn

Im Jahr 1865 begann dieser, Einzahlungen von seinen Mitbürgern entgegenzunehmen – mit dem Versprechen, sie sicher zu verwahren. „Zunächst nur jeden Freitag von 15 bis 17 Uhr, privat im eigenen Wohnzimmer“, erklärt Eggert. Das so schwere Buch, in dem Kleindorf vor 153 Jahren in der Wilhelmstraße in Sterkrade die „Konten“ seiner Kunden zu führen begann, war damit nichts Geringeres als der Grundstein für die heutige Stadtsparkasse Oberhausen.

Eggert klappt den abgegriffenen, braunen Einband um und blättert zum ersten Eintrag. „Hier“, sagt er und deutet auf die hauchdünnen, geschwungenen Notizen, „am 6. Oktober 1865 hat der erste Kunde, nennen wir ihn Herr Sowieso, 50 Taler eingezahlt.“ Herr Sowieso? „Nun ja, das Bankgeheimnis gilt eben ewig“, gibt der 62-Jährige lächelnd zu bedenken.

Im Februar 1866 zahlte Kunde eins weitere 25 Taler ein, im Juni noch einmal zehn. Das alles hielt Kleindorf fein säuberlich in seinem Kassenbuch fest. Nach Geschäftsschluss 1866 verfügte „Herr Sowieso“ über 87 Taler, zwölf Groschen und zwei Pfennig – Zinsen sei Dank. Der Grundgedanke der Sparkasse sei schließlich schon immer ein sozialer gewesen, sagt Eggert. „Im Gegensatz zu heute wurden kleinere Einlagen damals sogar besser verzinst als hohe.“

393 Kunden nach vier Jahren

Vier Jahre lang nutzte Kleindorf seinen historischen Schinken. Bis dahin hatten ihm 393 Oberhausener ihr Geld anvertraut, wie der letzte Eintrag verrät. „Das war schon ein irrer Aufwand“, bemerkt der Experte. War eine Seite voll, musste ein Querverweis her, woanders im Buch wurde das Konto fortgeführt. „Die sogenannten ‚fliegenden Konten‘ samt Stockregister kamen erst um 1900.“

Nach einigen Jahren ging es für den Rendanten Kleindorf vom heimischen Wohnzimmer ins Rathaus, 1912 wurde an der Schwartzstraße die erste eigenständige Filiale eröffnet – gefördert und mitbegründet von zum Teil bedeutenden Oberhausener Familien, wie Eggert weiß. Darunter: Grillo, Blumberg, Schwartz, Stöckmann.

So nahm also die Geschichte der Stadtsparkasse ihren Lauf, während das Kassenbuch im XXL-Format längst ausgedient hatte. Wie es weiterging, davon zeugen die 3800 übrigen Archivalien in der Westfälischen Straße. Zurück im langgezogenen Flur geht der Blick nochmal zur Wand: ein Schwarz-Weiß-Foto von 1966 zeigt merkwürdig gekleidete Mitarbeiter vor großen Computern. Eggert lacht: „Ja, früher dachte man offenbar noch, dass man bei der Arbeit mit Computern einen Kittel tragen müsse.“ So ändern sich die Zeiten.

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Das Historische Archiv der Stadtsparkasse Oberhausen ist „eines der größten und vollständigsten Archive, die es in dieser Form gibt“, so Eggert. Es soll künftig noch stärker beworben werden – und auch Forschungszwecken dienen. Zu erreichen ist das Archiv unter 0208 8347240 oder via E-Mail: juergen.eggert@sskob.de.