OBERHAUSEN. . Alex Melcher stiehlt als grandioser Finsterling die Fledermaus-Show. Geschmeidig gelingt das Spiel mit deutschen Texten und Steinmans Pomp-Rock.
Das Sakko können die Herren im Kleiderschrank lassen; Lederjacken sind der Dresscode im Stage Metronom Theater. Und je mehr Harley-Sticker auf der Kutte prangen, umso besser für das rasant-überdrehte „Bat out of Hell“-Feeling. Das Publikum der fünften und letzten Preview am Vorabend der Gala-Premiere feierte den neuen Stern am Musical-Firmament mit standing ovations.
18 ist hier eine magische Zahl
Der shabby chic des Bühnenbildes lässt zur Rechten einen Trump Tower aufragen – pardon: hier heißt er „Falco Tower“ – und zeigt mittig eine Tunnelröhre, die dem Emscherumbau alle Ehre machen würde. In diesem dystopischen New York namens „Obsidian“ röhrt eine seltsame Gang „Voll auf Tour’n“ (All Revved up). 18 ist hier eine magische Zahl, denn die „Lost“-Bande sind ewige 18-Jährige – und 18 wird gerade die rebellische Tochter des Herrscherpaares oben im Tower: Mama schenkt Raven eine standesgemäß abgerockte Lederjacke. Seltsame Rebellion.
Noch bemerkenswerter, wie die Eltern Falco und Sloane (Alex Melcher und Willemijn Verkaik) dem jungen „Romeo und Julia“-Paar Strat und Raven (Robin Reitsma und Sarah Kornfeld) mehr als einmal die Schau stehlen. Dieser Falco (jetzt bloß nicht an Wiener Schmäh denken) gefällt als Schurke von höchsten schauspielerischen und stimmlichen Graden. Sein lässig-diabolisches Charisma fehlt den braven Jung-Rebellen, mögen sie sich auch trotzig in eine Plattencover-Pose nach der anderen werfen.
Schlichte „Boy meets Girl“-Story
Die Musik dazu ist anfangs so übersteuert wie Jim Steinmans groteske Wortspiele. Doch, um im Biker-Bild zu bleiben: Wie eine uralte Vincent Black Lightning, die erst spotzt und stottert, ehe sie mit sattem Sound Fahrt aufnimmt, so kamen auch Ensemble und Orchester mit jedem der opulenten „Bat“-Songs besser in Schwung. Und mit den deutschen Songtexten beging Frank Ramond keinen Frevel am Steinman’schen Wort-Wahn. Geschmeidig wechselte man im Song zwischen Original und Übersetzung.
Ein erstes Glanzlicht parodistischer Rock’n’Roll-Nostalgie entzündete das Duett von Falco und Sloane mit „Paradise by the Dashboard Lights“. Beim Sex im Cadillac fehlte auch nicht der anzügliche Sportreporter, der das „schöne Stellungsspiel“ begeiferte. Im schrillen Überschwang schrottete das Coupé im Orchestergraben.
Spiegelbildlich – aber als donnernde Tragödie – gab’s den Biker-Beinahetod des jungen Helden, wie ihn nur „Bat out of Hell“ derart hymnisch zelebrieren kann: Zu leider viel zu sauber gespielten Gitarren sieht der gestürzte Strat sein Herz entschweben – „es schlägt noch“. Die Filmbilder dazu sind eine schöne Hommage an den frühen Rock-Film „Zabriskie Point“.
Noch mehr der verspielten Steinman-Sprüche
Eine makabre Polit-Pointe, die nicht in die schlichte „Boy meets Girl“-Story passen will, zeigt das erste Bild nach der Pause: In orangefarbenen Guantanamo-Overalls werden die gefangenen Rebellen zum Song vom „Schweineland“ (In the Land of Pigs) verprügelt und gefoltert. Doch das Blut der liebenden Raven – hier flackert etwas „Twilight“-Vampirismus auf – lässt den Erlöser Strat auferstehen.
So bescheuert sich der Plot auch in der gedrängten Nacherzählung lesen mag: Dem Witz und Spiel der Show tut’s keinen Abbruch. Man hätte sich vom renommierten Bühnenautor Roland Schimmelpfennig als Übersetzer sogar noch mehr der verspielten Steinman-Sprüche im Skript gewünscht. Alle hatten ihren Spaß am vollfetten Finale mit „Ich würd’ aus Liebe alles tun“ (I’d do anything for Love): Die Fans in Abendgarderobe und die in Nietenkluft genossen ein zweieinhalbstündiges Powerplay.