Oberhausen. . Das Kurbel-Projekt unterstützt eingewanderte Frauen mit Deutschunterricht, beruflicher Praxis – und einer großen Portion Selbstvertrauen.
Wenn Naima Isimbi ihre Geschichte erzählt, dann füllen sich nicht nur ihre eigenen Augen mit Tränen. Ein jeder, der sie hört, ist sofort berührt. Was diese zierliche, schüchterne Frau schon alles erleiden musste, geht einfach ans Herz. Vor 13 Jahren aus Ruanda geflohen, lebt sie seitdem mit der ständigen Angst vor Abschiebung in Deutschland. Ihr Status als „Geduldete“ macht es ihr unmöglich, zu arbeiten.
Da war die Teilnahme am Projekt „Mütter und Talent“ im Zentrum für Integration und Bildung der Kurbel ein Segen für sie. Hier erhielt sie nicht nur einen ersten Einstieg ins Berufsleben, sondern noch sehr viel mehr: „Ich bin stark geworden“, sagt sie. Und: „Ich habe gesehen: Ich bin nicht allein.“
Sehnsucht nach den Kindern
„Es geht bei uns nicht nur um eine Integration in den Arbeitsmarkt“, sagt Projektleiterin Serap Tanış über die niedrigschwelligen Angebote für Sprachförderung und berufliche Qualifikationen. „Es geht auch um soziale Integration, darum, ein Netzwerk aufzubauen.“ Denn das fehle den eingewanderten Frauen, die mit „MuT“ angesprochen werden sollen.
Doch auch das Emotionale finde hier Raum, wie Tanış betont: „Wir wollen das Selbstvertrauen dieser tollen Frauen stärken. Wir wollen ihnen Mut geben. Deshalb auch die Abkürzung des Projektnamens. Mut macht stark.“
Naimas Fall ist besonders verzwickt: Ohne Aufenthaltserlaubnis darf sie nicht arbeiten. Doch dank „MuT“ musste sie nicht weiter untätig zu Hause herumsitzen, wo sie die Trauer darüber, dass sie drei ihrer vier Kinder in der zigtausende Kilometer entfernten Heimat zurücklassen musste, beinahe erdrückt hat. In einer 640-stündigen Qualifikation ließ sie sich zur Pflegehelferin ausbilden. Bestandteil war auch ein 160-stündiges Praktikum im August-Wieshoff-Seniorenzentrum.
Nur drei Jahre lang zur Schule gegangen
„Jetzt werden wir uns mit der Ausländerbehörde zusammenschließen, um zu sehen, wie wir Naima vielleicht doch eine Arbeitserlaubnis beschaffen können“, beschreibt Serap Tanış die nächsten Schritte. Doch die 44-Jährige ist schon jetzt glücklich und dankbar: „Ich hätte nie im Leben gedacht, dass ich einmal so eine Chance bekomme.“
Die Aufenthaltserlaubnis ist Halima Mohammeds Problem nicht. Die 22-Jährige aus Eritrea lebt seit drei Jahren hier und darf laut ihrem Ausweis zumindest noch bis 2020 bleiben. Doch weil sie schon als kleines Kind mit den Eltern in den Sudan geflohen ist, hat sie nur drei Jahre die Schule besucht. Sie musste erst alphabetisiert werden – und das gleich in einer fremden Sprache. Auch dies ist ein Angebot von „MuT“.
Im Pilateskurs hat Halima das Gelernte dann nicht nur eingeübt, hier hat sie auch viele Freunde kennengelernt. Frauen, denen es ähnlich geht wie ihr. Jetzt kann sie sich verständigen, hat aber noch einen weiten Weg vor sich. Ein Schulabschluss, eine Ausbildung, alles Ziele, die sie mithilfe des Projektes – mit viel Fleiß – erreichen könnte. Für ihr Kind wäre gesorgt: Einer der wichtigsten Bausteine von „MuT“ ist die Kinderbetreuung ab dem Babyalter.
Bürokratische Hürden überwunden
Eine völlig andere Art der Förderung erhält Azra Smajic aus Bosnien-Herzegowina im Zentrum für Integration und Bildung an der Styrumer Straße. Sie folgte im Januar mit zwei Kindern ihrem Mann, der bereits seit einem Jahr in Deutschland lebte. Schon im Juli hatte sie das Sprach-Zertifikat „B1“ in der Tasche.
Die studierte Pädagogin brauchte dennoch Unterstützung. So musste zum Beispiel ihr Diplom anerkannt werden, eine bürokratische Hürde, die sie alleine nicht geschafft hätte. In einem 40-stündigen Praktikum im Bereich Kinderbetreuung bekam die 44-Jährige einen Einblick in die deutsche Arbeitswelt.
Angekommen in einem fremden Land
Sie sei nicht vor Krieg geflohen, sagt Azra, aber vor den Folgen dessen, um ihre Kinder nicht in dieser schwierigen politischen Situation aufwachsen sehen zu müssen. In ihrer Heimat hatte sie einen guten Job als Pädagogin, war für 900 Kinder zuständig. Trotz Sprachkenntnissen und Studienabschluss sagt sie: „Auch für mich ist es sehr schwer. Ich muss von ganz unten anfangen.“
Das „MuT“-Projekt, sagt Serap Tanıs, bringe viele Menschen mit unterschiedlichen Geschichten zusammen, und es habe für jede hilfesuchende Frau „ein maßgeschneidertes Kleid“. Teilnehmerinnen wie Azra seien dabei ein wichtiger Motor in den gemischten Gruppen: „Sie ist ein Vorbild und motiviert die anderen, ihr nachzueifern.“
Denn eines hätten sie alle gemeinsam: „Sie sind angekommen in einem ihnen fremden Land. Ohne Sprache, ohne Wurzeln, ohne Netzwerke.“ Das „MuT“-Projekt will diese Frauen stark machen für die Zukunft. Und es scheint ihnen auch ein Stück Heimat zu bieten. Azra: „Hier haben wir alle unseren Platz.“
>>> INFO: Aus „MuT“ wird „MuQ“
„Mütter und Talent“ (MuT) wird seit Mai 2015 im Rahmen des Programms „Stark im Beruf – Mütter mit Migrationshintergrund steigen ein“ vom Bundesfamilienministerium gefördert. Bundesweit nehmen daran 90 Projekte teil.
Kooperationspartner sind das Jobcenter, die Agentur für Arbeit, der Integrationsrat und das Kommunale Integrationszentrum.
Bisher haben 157 Frauen aus 34 Herkunftsländern teilgenommen. 22 Mütter konnten in Erwerbstätigkeit / Minijob / Honorartätigkeit vermittelt werden, drei in Ausbildung oder Weiterbildung. Zwei Mütter haben einen Schulabschluss nachgeholt, 37 eine Qualifizierung abgeschlossen.
Seit September diesen Jahres gibt es unter dem Namen „G-MuT“ zusätzliche Angebote für geflüchtete Mütter. Von 2019 bis 2022 wird das Projekt unter dem Namen „MuQ – Mütter und Qualifikation“ fortgeführt.