OBERHAUSEN. . Im Ebertbad feiern Fans die ausverkaufte Generalprobe der Gerburg-Jahnke-Produktion. Der Liederabend bewegt sich zielsicher Richtung Über-Medley.
Schöner kann ein Liederabend kaum einsteigen ins Rotz-und-Wasser-Metier der „Herzscheiße“ – nämlich maßnehmend bei den ganz Großen: Heulend und trotzig aufstampfend tritt Katie Freudenschuss auf die Bühne des Ebertbades, schafft es schniefend bis ans Keyboard und entbietet dem vollen Haus ein superb verheultes „Cry Baby“. Die beiden Frauen im berüchtigten „27 Club“, Janis Joplin und Amy Winehouse, dürften selig von ihren Wolken lächeln.
Ein bejubelter und verzückt bejuchzter Abend
So beginnt ein bejubelter und verzückt bejuchzter Abend mit dem größten Repertoire des populären Liedgutes. Denn wie die Produzentin von „Herzscheiße“ erkannte: „10 Prozent aller Songs handeln von der Liebe, 90 Prozent vom Liebeskummer.“ Gerburg Jahnke goes Franz Wittenbrink? Nicht ganz, denn die Liederabende des mittlerweile 70-Jährigen von „Sekretärinnen“ bis „Les Adieux“ haben denn doch mehr zu erzählen, sind schlicht inszenierter.
„Herzscheiße“ setzt dagegen ganz auf die grandiose Stimmgewalt seiner vier Protagonisten und auf die in allen Genres souveräne Band um Gitarrist Peter Engelhardt. „Heute ziehst Du aus!“ ist so eine Trotznummer, die unbedingt auf die Stimmbänder von Constanze Jung gehört. Ihr Flehen „Bitte, bitte, spring doch vom Balkon“ klingt (für Männer jedenfalls) echt furchterregend.
Als Natural Born Macho
Nito Torres wuchtet für seinen ersten Auftritt als patentierte Rampensau gleich einen Westernsattel auf die Bühne und setzt mit Kiss’s „I was made for Loving you“ die Discolichter und Mitklatscher in Bewegung. Regieanweisungen scheint er als Natural Born Macho in keinster Weise nötig zu haben: Torres wirft sich als Bettvorleger auf die Bretter, wackelt mit dem Arsch und quält die Luftgitarre.
Hannes Weyland stakst dagegen als der liebe Loser mit Wandergitarre auf die grimmigen Drei zu: „Ist da jemand, der mein Herz versteht?“ barmt der Schiebermützenträger mit Adel Tawil und darf an seinem Tischchen etwas trocken über die Vorzüge von Prosecco dozieren – „eigentlich ja ein Frauengetränk“. Herrje.
Nito Torres flötet dagegen etliche Male mit Nena „Hast Du etwas Zeit für mich?“ in sein Handy. Das prompte „Aufgelegt“ lässt dem Polygamen etwas die Luft raus – und in wechselnden Duetten entwickelt der „Herzscheiße“-Reigen Ansätze einer Tanzschul-Choreographie. Ein paar Stunden mehr wären nicht verkehrt gewesen.
Stimmlich allerdings ist dieses Quartett kaum zu toppen – auch nicht im Chor, wie ihr „Fremder in der Nacht“ nach Frank Sinatra in schönstem Wohlklang offenbart. Hier gebührt wieder einmal den begnadeten Händen und Ohren am Mischpult ein Extralob: Im Ebertbad klingt’s immer exzellent.
Das Programm selbst lässt sich in seinem steten Umschwung von Rock zu Schlager und von Oldies zu Charts nur als „eklektisch“ etikettieren. Dazu Nito Torres’ tiefe Erkenntnis: „Drei Viertel der Liebe ist Neugier.“ Mit Haddaways Disco-Feger „What is Love?“ und James Browns „It’s a Man’s World“ mutiert der zweite Programmteil zu einem heftig beklatschten Über-Medley, in dem Hardrock und Schlager-Schmus keine zwei Zeilen voneinander entfernt sind.
Funny van Dannen lag also voll daneben mit seinem „Geh weg mit deiner Herzscheiße“: Bescheißer und Verscheißerte können gar nicht genug davon kriegen.
>>> Probenpublikum spendete für „Glanzlichter“
Für das Zonta-Projekt „Glanzlichter“ gegen Altersarmut bei Frauen erspielte die öffentliche Generalprobe am Mittwoch über 3000 Euro, erklärte Gerburg Jahnke dem Publikum.
Die Oktober-Abende mit „Herzscheiße“ sind ausverkauft. Wer schöner leiden will, muss sich bis März 2019 gedulden. Online informiert ebertbad.de