Oberhausen. . Soldaten führen den Hüttendirektor ab und schießen in die Luft, ein Medicus zeigt sein Feldlazarett: Beim Hüttenfest ist eine Zeitreise möglich.

Prächtiges Wetter lockte am Sonntag Hunderte von Menschen zu den Überbleibseln der St.-Antony-Hütte nach Osterfeld, dorthin, wo vor genau 260 Jahren die indus­trielle Erzeugung von Eisen im Ruhrgebiet begann. Jedes Jahr lebt dort draußen, am Fuß des Tackenbergs, für einen Tag noch einmal „die gute alte Zeit“ auf.

Da fachten zwei Männer im Garten von Hüttendirektor Gottlob Jacobi einen am Morgen schnell hochgemauerten Rennofen (heißt wirklich so) mit Holzkohle mühsam an. Mit so ei­nem Ofen wurde damals Eisenerz geschmolzen. Der Formenbauer und Eisengießer schräg gegenüber hatte mehr Erfolg. Aber er arbeitete schon mit einem Elektroofen. Dicht drängten sich die Menschen um seinen Stand, als er damit begann, das glühende Rohmaterial mit der Kelle in die bereitgestellten Gußformen zu füllen. Die Besucher durften aber nicht nur zuschauen. Ein Junge am Stand nebenan hatte eine Schürze um und schlug gemeinsam mit einem Schmied mit dem Hammer auf eine glühende Eisenstange ein, um sie zu formen.

Kartoffelsuppe aus der Feldküche

Diese Soldaten in ihren originalgetreuen Uniformen feuerten am Nachmittag sogar aus ihren Vorderlader-Gewehren.
Diese Soldaten in ihren originalgetreuen Uniformen feuerten am Nachmittag sogar aus ihren Vorderlader-Gewehren. © Lars Fröhlich

Um die Mittagszeit war der Andrang besonders groß. Am Stand vom Gdanska, wo aus einer alten Feldküche Kartoffelsuppe ausgegeben wurde, standen die Menschen Schlange. Immerhin beachteten auch einige Besucher die Hochbeete, auf denen Pflanzen wie Huflattich und Löwenzahn gedeihen. Und sie besahen sich die Wäscheleine, an der in der Sonne trocknete, was man früher so drunter trug. Die Waschbretter, die davor aufgereiht waren, ließen erahnen, wie beschwerlich das Wäschewaschen damals gewesen sein muss.

Nähmaschinen wurden früher mittels Pedal angetrieben. Ein kleines Mädchen wurde dabei angeleitet, den Linien auf einem Blatt zu folgen und sie mit der Nähnadel zu lochen. Nebenan wurde aber auch richtig genäht.

Schließlich trugen zahlreiche Teilnehmer am Hüttenfest zeitgenössische Bekleidung. Nicht nur Hüttendirektor Jacobi, der mitten in der Menge von zwei Soldaten angegangen und abgeführt wurde. Steuerhinterziehung wurde dem stolzen Mann in Frack und Zylinder vorgeworfen. Wenig später war er aber wieder frei. Ein Mann auf dem Hochrad bahnte sich mit der Fahrradklingel den Weg durch die Menge.

Christina Becker (li,) und Irene Walger gehörten zum Camp der Soldaten und hatten für die Offiziere eingedeckt.
Christina Becker (li,) und Irene Walger gehörten zum Camp der Soldaten und hatten für die Offiziere eingedeckt. © Lars Fröhlich

Die Soldaten kampierten auf der benachbarten Wiese, gaben von dort sogar laute Warnschüsse ab. Unter ihnen war auch ein uniformierter Medicus, ein Feldarzt also. Das Instrumentarium, das er vor sich ausgebreitet hatte, hätte auch aus einer mechanischen Werkstatt stammen können. Zwei Frauen rätselten, welche Torturen die Kranken früher bei einer Behandlung damit wohl ausstehen mussten.

Aber die Gründerzeit hatte auch ihre schönen Seiten. Ein Paar ließ sich fotografieren: Er in Frack und Zylinder, sie in einem grünen, bis auf den Boden reichenden Kleid, das reich verziert war. „Kann man so etwas auch kaufen?“, wollte eine Frau von der feinen Dame wissen. „Ja, aber das ist teuer“, antwortete die. Deshalb nähe sie sich die Sachen lieber selbst.

Eine Besucherin hatte sich mit ihrer Bratwurst auf eine Bank am Rande des Parks zurückgezogen, um in Ruhe zu essen. „Schön zu sehen, wie es früher mal war“, sagte sie. Ihren Namen wollte sie nicht nennen. „Da muss ich erst meinen Mann fragen“, sagte sie. Das war eben früher so.