Oberhausen. . Komisch, alle wollen reisen – nur Cordula Stratmann und Bjarne Mädel sind lieber daheim. Denn Erholung beginnt im Kopf und nicht an der Grenze.
Stubenhocker mag für den einen oder anderen ein Schimpfwort sein. Im Duden heißt es dazu, dies sei „jemand, der kaum aus dem Zimmer, aus der Wohnung geht und sich lieber zu Hause beschäftigt.“ Doch was ist mit denen, die sich fürs Gegenteil entscheiden und rund um den Globus reisen? Für Cordula Stratmann und Bjarne Mädel ist Reisen nicht gleich Bildung – und es gibt auch keinen Grund, die eigene Wohnung gleich „ätzend“ zu finden.
Wortgewandt und mit viel Witz und Ironie legten die beiden Schauspieler am Samstagabend im Theater Oberhausen bei der Lesung anlässlich der „Lit.Ruhr“ daher Einspruch ein. Ein Einspruch, dem ein Plädoyer komischer und literarischer Art folgte, dass die beiden mit ihrem Motto „Heute hier – morgen auch“ allen Reisemuffeln gewidmet haben; um gleichzeitig alle Vielflieger und Fernweh-Süchtige zu bekehren.
Ein digitaler Urlaubsbeweis
„Blau, so ein Blau. Wahnsinn, dieses Blau.“ Das erste Urlaubsfoto von Cordula Stratmann: einfach „beeindruckend“. Jeder kennt das – gerade aus dem Flieger gestiegen erscheint der Himmel so ganz anders als daheim. Knips. Fertig ist der erste nichtsagende digitale Urlaubsbeweis. „So blau, so unglaublich blau eben“, wiederholte Cordula Stratmann im roten Sessel auf dunkler Bühne wie ein Mantra. Der ausverkaufte Saal fühlte sich vermutlich schlagartig an den letzten Besuch des Nachbarn erinnert und lachte deswegen bereits zu Beginn die ersten Tränen.
Und zum Auftakt nach Maß legte sie stoisch nach – präsentierte vor allem Schnappschüsse, die eigentlich niemand sehen will. Als Lese-Partner Bjarne Mädel die Bühne betrat, folgten rund anderthalb Stunden lustige Anekdoten bekannter Autoren, von und übers Reisen oder übers Zuhause-Bleiben. Hörspiele hat Mädel genügend in der Vita und ernst können beide, deshalb gab es neben Klamauk und Wortspielen, gemischt mit eigenen Erfahrungen, ebenfalls einen Appell.
Alle reden von der Gastfreundschaft im Ausland
„Warum reden immer alle über die Gastfreundschaft im Ausland?“, fragte sich nämlich Cordula Stratmann und rätselte ob der unfreundlichen Landsleute, die stets mit derselben Floskel aus dem Urlaub wiederkehren. Reisen sei ja per se keine schlechte Sache, aber ob Pauschaltouristen oder Rucksackträger – das sei für sie einerlei; für die Erholung sei jeder Mensch schließlich selbst verantwortlich.
Und dies fange bereits damit an, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen. „Alle wollen sich entspannen und niemand sollte denken, dass er deswegen besser oder anders ist als die anderen“, erläuterte Cordula Stratmann nachdrücklich ihren Standpunkt. „Lächle mal lieber hier Zuhause als vom freundlichen Ausland zu schwärmen.“ Das Publikum quittierte auch diese Message mit viel Applaus. 14 Euro hatte jeder Besucher mindestens gezahlt und viele gingen mit dem Satz: „Ich mag den Bjarne Mädel einfach“, zufrieden nach Hause. Wie viele davon ungern reisen bleibt unergründet.
Reisemuffel indes, so zeigte es die Lesung, gab es bereits unter den großen Literaten zuhauf: Allein die Beispiele Defoe, Swift, Verne – sie alle schufen zwar Abenteuer-Klassiker wie „Robinson Crusoe“, „Gullivers Reisen“ oder „In Achtzig Tagen um die Welt“— waren zeitlebens aber lieber in den heimischen vier Wänden als auf Reisen anzutreffen. Zufall?
In der Hotellobby wie ein „Arschloch“ verhalten
Es heißt ja stets: Reisen verändert den Menschen. Doch dies müsse nicht immer zum Guten sein, wie Bjarne Mädel mithilfe einer Textpassage aus Sven Regeners Buch „Magical Mystery“ zu untermauern versuchte. Der rechthaberische „Reise-Rüpel“ streitet im Buch als Protagonist heftig mit einer Rezeptionistin und geht dabei wohl einen Schritt zu weit. Die Frau: kurz vorm Weinen. Der Urlauber: unendlich überheblich. Wer selbst schon mal so an der Hotellobby stand und sich wie ein „Arschloch“ aufgeführt hat, solle seine Hand heben, sagte Cordula Stratmann mit einem deutlichen Augenzwinkern.
Trotzdem hoben sich nur zaghaft ein paar Hände. Fast greifbar der Wunsch der Menge nach bitteschön etwas mehr Gelassenheit. Dabei könnte für Bjarne Mädel vor allem seine Großmutter helfen. „Meine Oma wartet immer bis alle anderen komplett angezogen und zum Aufbruch bereit an der Tür stehen und sagt dann ,Lasst mich doch Zuhause’ – und ich mach das mittlerweile genauso.“