Oberhausen. Der Bluessänger und Gitarrenspezialist Joe Bonamassa begeisterte am Dienstag in der ausverkauften Köpi-Arena mit einer musikalischen Zeitreise.

Joe Bonamassa ist einer der ganz wenigen Künstler, die es in den letzten 15 Jahren noch geschafft haben, zu den ganz Großen der Musikszene aufzusteigen. Und das mit einer Musik, die gerade nicht zu den angesagtesten Stilen der Gegenwart gezählt wird – dem Blues. Aber diese Musikform hat eine lange Tradition, und so macht es auch kein Wunder, dass am Dienstag die bestuhlte „Köpi-Arena“ ausverkauft war.

Vornehmlich die 50plus-Generation horchte einer musikalischen Zeitreise, in der der 41-jährige Gitarrenspezialist und Sänger mit seiner siebenköpfigen Begleitband alle möglichen Sounds und Stile des Bluesgenres präsentiert. Dabei beginnt seine Reise in der Gegenwart - bei seiner aktuellen Platte „Redemption“ von 2018 -, wo die gleich mit den ersten vier von 15 Liedern des Abends abgedeckt wird. Und hier zeigt sich schon, dass Joe Bonamassa ein Live-Präsentator ist, denn im Gegensatz zu seiner Platte, die etwas uninspiriert, angestrengt und zusammengestoppelt wirkt, gewinnen Songs wie „Self-Inflicted Wounds“ an Qualität, indem er sie mit intelligenten Soli veredelt.

Coversongs der "alten Meister"

Das alles hängt sehr wahrscheinlich damit zusammen, dass Joe Bonamassa selbst bekennt, ein „Studiohasser“ zu sein, der dieser Enge nach ein, zwei Durchläufen entflieht, sich aber für jedes Stück für eine Liveshow vorher schon Schnörkel und sonstige Improvisationsmöglichkeiten überlegt. Erst über die Zeit und Livespiel kriegen so Songs wie „King Bee Shakedown" oder „Just ’Cos You Can Don’t Mean You Should” die Tiefe und mit einem ellenlangen Solo die besondere Qualität.

Die zweite Ebene von Joe Bonamassa besteht darin, dass auf dem musikalischen Trip sechs Coversongs der „alten Meister“ mit dabei sind, vor denen er sich verneigt und an denen er sich anscheinend selbst misst. Spieltechnisch kann er diese Lieder von John Mayall oder B.B. King perfekt wiedergeben, hat beispielsweise mit Anton Fig von David Letterman’s Studioband oder dem ehemaligen Steve Ray Vaughan – Keyboarder Reese Wynans wirkliche Top-Musiker in seiner derzeitigen Liveband. Zwei Trompeter und zwei ausgezeichnete Background-Sängerinnen vervollständigen ein Gesamtbild, das zumeist wie ein bluesiges Bigbandorchester wirkt, perfekt eingespielt. Joe Bonamassa hat dabei das grundsätzliche Problem, dass er zwar Songs von Albert King und 120 Künstlern (!) seit 2000 bis heute gecovert hat, aber trotzdem kein Peter Green, Jeff Beck, Jimmy Page, Rory Gallagher oder Mick Taylor ist.

Auditorium wird erst am Ende richtig lebendig

So ist er heute - in einem ganz anderen Zeitkontext - eher der „beste Handelsreisende in Sachen Blues“, der nach Belieben einen „Artikel“ aus seinem Gitarrenkoffer zaubern kann. Was bei diesem Outfit fehlt, ist der Dreck, der Druck, der Schweiß, die Entbehrung und die tief empfundene Leidenschaft. Erst zum Ende der Show wird es im Auditorium richtig lebendig, als nämlich bei den ersten wilden Akkorden von „How Many More Times“ von „Led Zeppelin“ die Fans von den Stühlen springen, zur Bühne rennen und bei „The Hunter“ von Albert King ausgiebig mitklatschen. Joe Bonamassa hat jetzt den „Hautkontakt“ zu seinem Publikum, spürt die Energie, die er eigentlich braucht und bietet bei seiner ausgiebigen Bühnen- und Gitarrenexkursion die intimen Momente, den Schweiß im Angesicht, die bei einer „normalen“ Präsentation aufgrund von Größenordnung und Distanz verloren gehen.