Oberhausen. . Im St.-Clemens-Altenzentrum leben 130 Menschen mit 130 Geschmäckern. Es ist nicht einfach, jeden zufrieden zu stellen. Die Redaktion aß mit.

Herta Wilhelmsen hat die Kohlrabi liegen lassen. „Die schmecken süß“, sagt sie. Einige harte, die sie nicht kauen konnte, seien auch dabei gewesen. Die Bewohnerin des St.-Clemens-Altenzentrums ist mit dem Essen in ihrem Heim unzufrieden. „Das ist manchmal schon eine komische Zusammenstellung“, findet auch ihre Tischnachbarin. Und Helene König, 102 Jahre alt und ehemalige Vorsitzende des Bewohnerbeirats, sagt: „Steckrüben, damit haben wir früher unsere Schweine gefüttert.“ Ihr Beirats-Kollege Hartwig Schiller ist anderer Meinung: „Ich habe im Grunde nur Gutes gehört – von der Suppe bis zum Nachtisch.“

„Essen ist ein ganz wichtiges Thema bei den Bewohnern“, erklärt Pflegedienstleiter Jochen Gawrich. Je nachdem wie fit die Bewohner sind und an welchen Aktivitäten sie teilnehmen, sei das einer der Höhepunkte des Tages. „Wir müssen für 130 Menschen ein leckeres Essen zubereiten.“ Das sei natürlich nicht einfach und dabei könne man auch nicht jeden Geschmack treffen.

Iris Albers serviert das Essen im Altenzentrum St. Clemens.
Iris Albers serviert das Essen im Altenzentrum St. Clemens. © Gerd Wallhorn

Aber wo kommt das Essen im Altenzentrum überhaupt her, wie wird es zubereitet und wer bestimmt, was auf den Teller kommt? Die Redaktion hat nachgefragt, sich in der Küche umgesehen und den Geschmackstest gemacht.

Die Speisen für das St.-Clemens-Altenzentrum – und für alle anderen Einrichtungen der Katholischen Kliniken Oberhausen – werden von der Bochumer Firma Wisag geliefert. Sie werden dort im „Cook and Chill“-Verfahren hergestellt.

Betriebskoordinator Karl-Udo Hohn erklärt, wie das funktioniert: „Die Lebensmittel werden bei uns zu 90 Prozent mit schonenden Methoden gegart. Dann werden sie direkt auf vier Grad abgekühlt und verpackt. Dabei wird der Sauerstoff entzogen, dadurch werden sie 21 Tage haltbar.“ Im Altenzentrum werden die Speisen ab 7 Uhr angeliefert und in sogenannte Regenerationswagen gestellt. „Bei der Warenannahme werden die Temperaturen kontrolliert“, erklärt Eva Gramkau, Gesamtbereichsleiterin Service der Altenheime bei den KKO. Sie ist auch für die Auswahl der Speisen zuständig. „Wir können aus ungefähr 400 Komponenten wählen“, erklärt sie. Daraus stellt Eva Gramkau Woche für Woche die Menüs zusammen.

Jeder hat seinen Stammplatz

Drei Gerichte stehen jeden Tag zur Auswahl, eines ist immer vegetarisch. Als Vorspeise gibt es Suppe, zum Nachtisch Pudding, Joghurt oder Fruchtkompott. Insgesamt werden in den KKO-Einrichtungen täglich rund 750 warme Mahlzeiten verteilt. Die Komponenten, die die Wisag im Angebot hat, ändern sich saisonal: Spargel im Frühjahr, Rotkohl und Klöße im Winter. „Nur frittierte Waren sind nicht möglich, die werden pappig“, erklärt Karl-Udo Hohl.

Ab 11.45 Uhr kommen die ersten Bewohner in den Speisesaal, parken ihre Rollatoren und setzen sich an den Tisch. „Jeder hat seinen Stammplatz“, erklärt Jochen Gawrich. „Und wehe, da setzt sich jemand anderes hin.“ 36 Bewohner essen im großen Speisesaal, andere in kleineren Sälen in den Wohnbereichen, einige auf ihrem Zimmer. Der Regenerationswagen steht bereit, seit 10.30 Uhr wurden die Speisen darin langsam wieder erwärmt und zu Ende gegart. Bevor serviert wird, kontrollieren Iris Albers und Martina Geilmann erneut die Temperatur. Niemand soll hier ein kaltes Mittagessen auf den Teller bekommen.

Martina Geilmann teilt die Suppe aus.
Martina Geilmann teilt die Suppe aus. © Gerd Wallhorn

Als Vorspeise gibt es Kohlrabisuppe. Als Hauptgericht stehen Schweinerollbraten mit Rahmsoße, Blumenkohl und Kartoffelpüree, Hähnchengeschnetzeltes mit Champignons, Kartoffelpüree und Mischgemüse und bunte Spiralnudeln mit Zucchini-Käsesoße zur Auswahl. Wer dann noch Hunger hat, kann zum Nachtisch Vanillepudding nehmen. Während die Bewohner essen, ist es erstaunlich still im Speisesaal.

Eva Gramkau erklärt: „Ich bin bei Sitzungen des Beirats dabei und nehme Vorschläge der Bewohner entgegen.“ Eintöpfe seien sehr beliebt, auch Milchreis mögen die Bewohner gerne. „Aber das Essen im Altenheim verändert sich. Wir essen ja auch andere Sachen als unsere Eltern und Großeltern. Wir haben in letzter Zeit neue Sachen ausprobiert. Curry-Fruchtsoße oder Cevapcici mit Djuvecreis zum Beispiel. Das kommt inzwischen auch sehr gut an.“

Kommentar der Autorin: Geschmacktest bestanden

Das wichtigste gleich zu Beginn: Das Essen im St.-Clemens-Altenzentrum hat meinen Geschmackstest bestanden. Kohlrabi schmecken wie Kohlrabi, Kartoffelpüree schmeckt nach Kartoffeln und Schweinerollbraten nach Schweinefleisch. Allein die Kombination Zucchini-Käsesoße, die es an diesem Tag gab, finde auch ich etwas merkwürdig. Den Geschmack von 130 Bewohnern zu treffen, ist unmöglich. Und dass es nicht so schmeckt, wie man es früher selbst gekocht hat, auch das ist nachvollziehbar. Und wird schmerzlich vermisst. Entscheidend ist, dass Nährstoffe enthalten sind und auf Konservierungsstoffe verzichtet wird. Das ist durch das „Cook and Chill“-Verfahren sichergestellt. Aber: Wenn es vielen Bewohnern nicht schmeckt, dann muss eine Lösung gefunden werden. Denn Essen ist ein Stück Lebensqualität und die sollte auch im Alter gegeben sein.

Übrigens: Von dem Vanillepudding nehme ich gerne noch einen Nachschlag.