Oberhausen. . Die Oberhausener Werbeagentur Move Elevator geht neue Wege bei der Mitarbeiterführung. Ein Gespräch mit Geschäftsführer Hans Piechatzek.
Hans Piechatzek, einer der Geschäftsführer der Move Elevator GmbH, hat vor zwei Jahren den Wechsel von klaren Vorgaben der Chefs und Vorgesetzten zu mehr Verantwortung und Entscheidungsfreiheit für die rund 250 Mitarbeiter miteingeläutet. Die Agentur bietet Kunden die gesamte Bandbreite an Werbeleistungen. Ein Gespräch mit dem 47-Jährigen über die neue Gangart von Move Elevator und Erfolgsfaktoren für den radikalen Wechsel.
Wie sieht bei Move Elevator Führung aus?
Hans Piechatzek: Das Führen von oben gibt’s bei uns immer seltener, in vielen Bereichen nicht mehr. Wir haben stattdessen crossfunktionale Teams. Darin sitzen Designer, ein oder zwei Projektmanager, drei Entwickler, ein Texter, ein Konzepter. Die sind wie eine Firma in der Firma. Die können viele Sachen entscheiden.
Ist das gesamte Unternehmen mittlerweile so strukturiert?
Es gibt Teile des Unternehmens, die noch traditionell organisiert sind. Ungefähr die Hälfte ist in crossfunktionalen Teams aufgestellt.
Wenn jedes Team an eigenen Projekten tüftelt, wie entsteht dann das Gefühl, der Firma anzugehören?
Jedes Team hat eigene Interessen und unsere Aufgabe als Geschäftsführer ist, dass die Teams ein übergeordnetes Interesse haben und sich gegenseitig unterstützen, weil niemand alleine erfolgreich ist. Wir machen uns aktuell Gedanken, wie wir die Teams immer wieder durchmischen.
Was war der Stein des Anstoßes für diesen radikalen Wechsel?
Das Unternehmen ist immer größer geworden, die Projekte auch. Ich war ja einer von denen, die sagten, wo es langgeht. Ich kann den gesamten Zusammenhang verstehen, aber in ihrem Bereich wissen die einzelnen Mitarbeiter mehr als ich. Die Frage war: Wie kann man das Ganze so organisieren, dass die Leute ihre Stärken, ihr Wissen ausspielen können? Ich habe angefangen dazu zu lesen, Kongresse und Workshops zu besuchen.
Sind Ihre Mitarbeiter glücklicher durch die Umstellung?
In crossfunktionalen Teams gab es bisher keine Kündigungen und das ist für mich ein riesiger Indikator dafür, dass Leute zufrieden sind mit ihrem Arbeitsplatz. Vorher haben wir immer wieder Mitarbeiter verloren. Manche Mitarbeiter, die weggegangen waren, kamen nach der Umstellung wieder zurück.
Was waren die Gründe vor dem Hierarchie-Wechsel für den Schwund?
In unserer Branche ist ein unheimlich großer Fachkräftemangel und die Leute werden ständig von Headhuntern angerufen. Wir haben Leute verloren, weil die woanders ein besseres Angebot, mehr Geld bekommen hatten. Zufriedene Mitarbeiter gehen aber nicht so leicht.
Macht alleine die Mitarbeit in einem solchen Team glücklich?
Wir müssen schauen, dass wir eine Arbeitsumgebung schaffen, in der Menschen mehrere Jahre bleiben wollen. Wir haben Gleitzeit, bieten Home Office, flexible Teilzeitmodelle. Danach wird heute auch gefragt. Wer solche Sachen heute nicht bietet, ist als Arbeitgeber unattraktiv.
Trifft ein Team eine Entscheidung und die gefällt der Geschäftsführung nicht, was ist die Konsequenz?
Neulich hatten wir einen solchen Fall: Die Geschäftsführung wollte, dass ein Team für einen Kunden arbeitet. Da haben die Teams gesagt: ,Wir haben kein gutes Gefühl. Wir wollen das Risiko nicht eingehen.’ Wir haben darauf gehört.
Weshalb?
Wir glauben, dass die Teams dann am besten arbeiten, wenn sie Entscheidungen treffen, die gut für sie sind. Das mit den crossfunktionalen Teams ist so, als wenn Kinder erwachsen werden und für sich Verantwortung übernehmen. Jemand hat gesagt: ,Pubertät heißt: Man wechselt von Erziehung zu Beziehung.’ So ist das hier auch.
Wäre es vor 20 Jahren noch möglich gewesen, dass Mitarbeiter ein Projekt ablehnen?
Das war noch vor zwei Jahren anders. Da haben die Chefs gesagt: ,Wir machen das jetzt.’ Die Leute wollten das nicht, hatten keine Motivation, haben aber mitgemacht, weil sie sich in dem Umfeld nicht trauten, ihre Meinung zu sagen.
Wie groß ist die Umstellung für Sie als Chef?
Die ist gigantisch. Wenn sie ein selbstorganisiertes und selbstverantwortliches Team haben, dann dürfen die selbst Entscheidungen treffen und der Vorgesetzte muss diese Entscheidungen bis zu einem gewissen Grad akzeptieren. Das ist Teil des Deals und Vertrauenssache.
Wie sehr muss der Chef den Mitarbeitern vertrauen?
Der Chef muss lernen zu vertrauen, dass die Mitarbeiter gute Entscheidungen treffen. Und die Mitarbeiter müssen lernen zu vertrauen, dass sie nicht über die Mütze bekommen, wenn sie eine schlechte Entscheidung treffen.
Wie haben Sie den Wechsel zu crossfunktionalen Teams eingeführt?
Wenn man ein Unternehmen auf links drehen will, dann kann man nicht sofort den Mitarbeitern sagen: ,Wir machen das ganz anders.’ Wir haben die Idee in einem Teilbereich des Unternehmens vorgestellt und gefragt, ob es Leute gibt, die Lust haben, das auszuprobieren.
Erwarten Sie mit der Zeit mehr solcher Teams?
Ja. Wir stellen jeder Unternehmenseinheit frei, sowohl in Oberhausen als auch in Dresden oder Berlin, ob sie da mitmachen will. Ein Standort in Dresden wollte das erstmal nicht. Ein halbes Jahr später kamen sie selbst auf uns zu. Hätten wir gesagt: ,Ihr müsst das aber machen’, hätten die das eventuell gar nicht gewollt.