Oberhausen. . Geschäftsführer Hartmut Scholl bringt seit 20 Jahren digitales Lernen in Betriebe. Zu seinen Kunden gehören Hapag-Lloyd und die Targobank.
„Voller Leidenschaft und ein bisschen Freak - das bin ich“, sagt Hartmut Scholl über sich. Über sein Unternehmen Reflact AG sagt der heute 54-Jährige: „Das ist mein großes Projekt. Mein Baby.“
Die Firma, mittlerweile über 50 Mitarbeiter stark, bietet Unternehmen webbasiertes Lernen, das sogenannte E-Learning. Die Firma im Technologiezentrum berät, entwickelt, führt Projekte zum Thema Lernen durch.
Zu den Kunden gehören Hapag-Lloyd oder die deutsche Niederlassung der Targobank. Gerade hilft Reflact Mitarbeitern eines großen Unternehmens, soziale Medien wie Facebook oder WhatsApp für die Arbeit zu verwenden. „Während früher Mitarbeiter von Unternehmen meistens auf Schulung gingen, und oft frontal unterrichtet wurden, können sie heute lernen, wann und wo es ihnen passt“, sagt Scholl. Präsenzlernen sei eine Ergänzung zum digitalen Lernen. Scholl ist klar, dass es Menschen ein Bedürfnis ist, sich auszutauschen, zusammenzukommen.
Digitaler Azubi-Knigge
Reflact AG hat auch auf Wunsch mehrerer Kunden einen Azubi-Knigge erstellt. Der junge Arbeitnehmer klickt eine bunte Zeichentrickfigur an – entweder Tim oder Paula – und erkundet dann in einer der beiden Rollen die Welt der Benimmregeln im Büro. Hier lernen junge Arbeitnehmer, wie sie den Chef richtig ansprechen, sich angemessen kleiden, wem sie zuerst die Hand schütteln. Der Aufbau ähnelt einem Spiel. Es gibt Etappen, viele Personen zum Anklicken, Punkte werden gesammelt. Das soll motivieren und das Abspeichern des Gelernten erleichtern.
„Dieses neue Lernen ist viel interessanter und motivierender für den Lerner, es ist nachhaltiger und komfortabler und schließlich spart es auch noch viel Zeit und Kosten“, sagt der Firmenchef. Die Mitarbeiter würden auf menschliche Art und Weise in die zunehmend radikalen Veränderungsprozesse mitgenommen, ist sich Scholl sicher.
Pionier des deutschen E-Learnings
Deutsche Firmen stellen Mitarbeitern besonders oft Bedienungsanleitungen in elektronischer Form bereit, interaktives Lernen übers Internet ist auf Platz zwei der digitalen Lernangebote. Besonders häufig vermitteln Unternehmen einer größeren Mitarbeitergruppe Fachwissen, IT-Kenntnisse und Selbstmanagement. Das ergab die Weiterbildungserhebung des Instituts der deutschen Wirtschaft von 2017.
Die Reflact AG gibt es seit dem Jahr 2000. Der Name setzt sich zusammen aus: reflect, Englisch für nachdenken, und act für handeln. Den Alstadener treiben seit 20 Jahren Fragen zum Wandel in Unternehmen um: Wie können in Zeiten starken Umbruchs Firmen ihre Angestellten mitnehmen? Was tun, damit sich Angestellte nicht abgehängt fühlen? Und wie sollten Vorgesetzte führen? Wie können flache Hierarchien Realität werden?
Studium an der schweizerischen Uni St. Gallen
Als Scholl Ende der 1990er an der renommierten schweizerischen Uni St. Gallen seine Doktorarbeit schrieb, dachte er: „Neue Medien und Technologien, auch fürs Lernen, können da helfen.“ Die Vision des Betriebswissenschaftlers war Fundament für all das, was in den nächsten 20 Jahren in Form der Reflact AG entstand. Die Lust, als Unternehmer Lösungen zu schaffen, spürte Scholl, als er in dieser Zeit wieder in Oberhausen war.
Eigentlich wollte Scholl seine Doktorarbeit fertig schreiben. „Doch dann kamen Aufträge, ich stellte Mitarbeiter ein. Wir wuchsen.“ Und damit war er deutschlandweit einer der ersten Unternehmer, die Mitarbeiter online oder mittels Software schulten. In seiner Heimatstadt war der heutige Firmenchef auch nach der Rückkehr aus der Schweiz gut vernetzt. „Es war toll in Oberhausen zu starten! Thomas, Mitarbeiter Nr. 2, hatte die Internet-Seite an der Schule meiner kleinen Schwester gemacht. Er kam mit ins Boot.“
Oft arbeiteten Scholl und die ersten Mitarbeiter auch samstags oder sonntags, auch zwölf Stunden am Stück. „Startup (Anmerkung: ein neu gegründetes Unternehmen) hört sich schön an, aber das heißt dann auch manchmal, den Lohn in zwei Raten zu bekommen.“
Ein Meilenstein der Firmengeschichte
Seine Vision von den flachen Hierarchien und Angestellten, die Transformation wollen und diese mitprägen, feuerte Scholl an. Die Arbeitszeiten sind inzwischen auf die Werktage beschränkt.
Ein Sprung nach vorne, für Scholl ein Meilenstein der Firmengeschichte, war im Jahr 2004 der Beginn der Kooperation im Bereich E-Learning mit dem US-Internetriesen Adobe Systems. „Jetzt sind wir der zentrale Partner auf dem deutschsprachigen Markt.“ Welch eine Genugtuung für Scholl und sein Team nach der schweren Krise des Jahres 2000, als die Digitalwirtschaft nach einem starken Aufschwung zusammenbrach. „Viele hatten Investoren in ihre Firma geholt. Das wollten wir nicht“, erläutert der 54-Jährige. „Wir wollten aus eigener Kraft wachsen.“
Gleitzeit und Heimarbeit
Nach innen hin will Scholl, dass Reflact AG seinen Mitarbeitern Freiheit lässt. Ein bis zwei Tage Heimarbeit stehe im Arbeitsvertrag. Johannes Schiebener arbeitet als Berater für digitalisiertes Lernen bei Reflact AG. Der 32-Jährige macht einen Tag die Woche Heimarbeit und nutzt dabei auch Gleitzeit.
„Weil meine Frau selbstständig ist, werde ich erstmal von 40 auf 26 Stunden die Woche reduzieren.“ Schiebener und seine Frau haben einen dreijährigen Sohn. „Sie hat bisher den Kleinen oft von der Kita abgeholt. Jetzt übernehme ich.“
Hartmut Scholl hat weitere Visionen: „Wir sind noch am Anfang der technischen Möglichkeiten. Menschen, welche die Technologien kennen, sollten die Entwicklung prägen. Zu diesen Menschen will ich gehören.“
>>> Das Einmaleins des digitalen Lernens
E-Learning steht für das Lernen mithilfe elektronischer Medien. Schulen, Unternehmen sowie Menschen, die selbst Neues lernen wollen, nutzen es. Beim integrierten Lernen werden Vorteile von Präsenzveranstaltungen mit E-Learning kombiniert. Das fördert das Verständnis. Mittels Videokonferenzen können virtuelle Hörsäle geschaffen werden. Beim E-Learning orientieren sich die Inhalte am Niveau des Lernenden.
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