Oberhausen. 6000 Fans küren Marius Müller-Westernhagen in der Arena Oberhausen zum Pfefferminz-Prinz. Beim Konzert punktet er mit deutlichen Revier-Vokabeln.
Es geht ihm gut. Die schwarze Weste sitzt straff. Der breite Hut sowieso. Und die bordeauxfarbene Krawatte mogelt sich mit Kalkül über den Kragen des dunkelblauen Hemds. Diese Freiheit nimmt sich Marius Müller-Westernhagen am Mittwoch beim Konzert der „MTV Unplugged“-Reihe in der Oberhausener König-Pilsener-Arena. So sitzt er mit seiner akustischen Gitarren auf dem Hocker, zeigt der Elektronik die kalte Schulter und elektrisiert damit rund 6000 Fans. Draußen formiert sich ein finsterer Wolkenbruch, drinnen singen sie: „Komm, lass uns leben!“
Spitze Worte gegen Operetten-Diktatoren
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Den Stecker seiner Live-Karriere hätte der 69-Jährige zuvor beinah selbst gezogen. In einer innigen Minute erinnert sich der erfahrene Deutschrocker an den Moment, als ihm der Radiosender „Einslive“ vor 15 Jahren in eben dieser Arena den Preis für sein Lebenswerk überreichte und er ins Grübeln geriet.
„Ohne das Oberhausener Publikum von damals würde ich heute wohl nicht mehr live auftreten!“ Die schmeichelnden Erinnerungen können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass in den folgenden Jubelsturm deutlich mehr Zuhörer hätten einstimmen können. Die Halle ist nur gut zur Hälfte gefüllt, der Oberrang bleibt komplett frei.
Doch Marius Müller-Westernhagen verdichtet den Raum, wenn seine Stimme wieder knurrend die Wörter zusammenpresst und selbst politische Anführer in seine Mühlen geraten. Westernhagen predigt „Für ne bess‘re Welt“ und verpasst seinem Grübel-Song aus dem 1989er Album „Halleluja“ eine kritische Donald-Trump-Zeile.
Nein, in die unpolitische Gleichgültigkeit einiger zeitgenössischer Musik-Kollegen möchte er sich nicht einreihen. Westernhagen spricht ausführlich über die populistische Rhetorik von Operetten-Diktatoren, die auch in Deutschland um sich greife. Auf Applaus muss er nicht warten.
Reise zurück zum wilden Westernhagen
Überhaupt gelingt dem Konzert zügig der Anschluss. Westernhagen vergräbt seine Pflicht-Hymnen nicht in den Zugaben, sondern lässt sich bereits im vierten Song als Pfefferminz-Prinz feiern. Für die Reise zurück zum wilden Westernhagen steht auch sein „Taximann“ pünktlich bereit.
Doch trotz dieser rasanten Spritztour durch vier Jahrzehnte Rock-Geschichte, weiß der Mann mit dem Hut stets, wo er sich aufhält. „Ich bin wieder hier, in meinem Revier“, singt der Düsseldorfer und müht sich nicht, in der bestuhlten Halle die Ordnung zu wahren. „Wir sind hier im Pott, da stehen die Leute eben automatisch auf.“ Dies unterstreicht er mit fachkundigen Vokabeln: „Is‘ so!“
Als Grandseigneur möchte sich Marius Müller-Westernhagen trotz 40 Jahren musikalischer Erfahrung dann doch nicht verstanden wissen: Seine 14-köpfige Band, mit Saxofon, Gitarre, Violine und Drums bestückt, wandelt in knapp zweieinhalb Stunden durch ein Wechselbad von Marius‘ Gefühlen.
Mal gibt er sich als demütiger Gönner („Es sind die besten Musiker, die man sich nur vorstellen kann!“), mal als rustikales Alphatier („Warum bekommen die fettesten Bandmitglieder immer den meisten Applaus?“). Doch Ehefrau Lindiwe erdet ihn wieder, sie erscheint zum Duett, verschafft ihm „Luft um zu atmen“.
„Sexy“ im Fadenkreuz der Kameras
Der Atem fehlt den klatschenden Fans, wenn sich der diesmal meist sitzende Altrocker zwischendurch von seinem Hocker erhebt, die Mundharmonika heulen lässt und seine Hüfte zum knorrigen „Sexy“ im Fadenkreuz der Kameras kreist - als würde er fragen wollen: „Was habt ihr nur aus diesem Mann gemacht?“
Dass beim Unplugged-Konzert viele Songs neu arrangiert sind und nicht immer die Durchschlagskraft des Originals besitzen, daran muss man sich gewöhnen. An einem kurzweiligen Abend und einem langen Schlussapplaus ändert dies allerdings nichts.