Oberhausen. . Das Bearbeiten von Metall ist harte, gefährliche Arbeit. Die Firma Fitscher Guss hält ihre Angestellten dennoch oft ein Leben lang.

Warum entscheiden sich Oberhausener, ja auch Menschen aus anderen Städten des Ruhrgebiets, für diesen Oberhausener Betrieb zu arbeiten? Das Geräusch von Sägeblättern auf Metall bohrt sich ins Trommelfell, dringt durch die Produktionshalle der Firma Fitscherguss.

In einem Ofen flimmert, glüht flüssige Legierung. 1200 Grad Celsius Hitze hat die Schmelze. Ein Arbeiter, mit Schutzkleidung, Gitterschutz fürs Gesicht und Helm, lässt das Schmelzgut aus einem Ofen in eine „Pfanne“ laufen. Das ist ein Gefäß, das über einen Kran zu einem offenen Metallkasten, der sogenannten Schleudergussanlage, geschoben wird. Die Maschine lässt die glühende Masse zu hohlen Rohren erkalten. In der gleichen Halle fertigen Männer an den Sägemaschinen aus dem auskühlenden Metall Ringe. Auf dem Boden schimmern Späne.

Weltweiter Einsatz in Rolltreppen und Aufzügen

Die gefertigten Ringe werden weltweit in Rolltreppen, Aufzüge, OP-Tische verbaut. Das Werk von 82 Arbeitern, die hier tagtäglich in drei Schichten arbeiten. Hier ist es laut, schmutzig und die Arbeit gefährlich. Dennoch: Fitscherguss hat insgesamt mehr als 100 Mitarbeiter, davon neun Auszubildende alleine in der Produktion.

„Wir haben hier Väter und Söhne als Mitarbeiter in dritter Generation, auch Sohn, Vater und den Großvater, der in Rente ist. Viele bleiben ihr Leben lang“, sagt Stefan Michel, der vor 35 Jahren als Industriekaufmann im Unternehmen seinen Berufsweg begann. Mittlerweile hat er es zum Geschäftsführer gebracht.

Fitscherguss hat Patent

Ende der 1970er Jahren waren Arbeiter noch wenig durch ihre Kleidung geschützt. wie hier beim Schmelzen von Metall in offenen Öfen.
Ende der 1970er Jahren waren Arbeiter noch wenig durch ihre Kleidung geschützt. wie hier beim Schmelzen von Metall in offenen Öfen. © Fitscherguss

Christian Latajka kommt gerade aus der Frühschicht. Der 43-Jährige ist im Strangguss-Team. Bei diesem Verfahren schiebt sich das gegossene Rohr senkrecht mehrere Stockwerke nach unten. Hierauf hat Fitscherguss ein Patent. Was Latajka an das Unternehmen bindet? „Die Firma war sehr loyal in den zwölf Jahren, die ich hier bin. War mal was, habe ich ‘nen Tag frei bekommen.“ Außerdem: „Es gibt immer pünktlich Lohn, geregelte Arbeitszeiten.“ Dass Heimarbeit und Teilzeit für seine Arbeit nicht in Frage kommen, nimmt Latajka hin, der auch Betriebsratsvorsitzender ist: „Solange es keine Strangguss-App gibt, ist das so.“

250 000 Metallringe verlassen jeden Monat den Betrieb. „Wir sind Zulieferer eines speziellen Teils für ein spezielles Getriebe“, sagt Stefan Michel. Das Reden überlässt Firmeninhaber Dieter Fitscher mittlerweile Michel. Der 77-jährige Fitscher hat schon viel in seinem Leben bewiesen: Er richtete das Unternehmen, das er von seinem Vater übernahm, völlig neu aus.

Der Mann fürs tagtägliche Geschäft

Vor sieben Jahren machte Fitscher den 52-jährigen Michel zum Co-Geschäftsführer. Seitdem ist dieser der Mann fürs tagtägliche Geschäft. Flexibles Arbeiten, also Heimarbeit oder Teilzeit, gibt es hier selten. Die beiden Geschäftsführer entschieden im vergangenen Jahr sogar, aus dem tarifgebundenen Arbeitgeberverband auszutreten. „Wir wollen nicht gezwungen sein, flexible Arbeitszeiten gewähren zu müssen“, sagt Michel. „Fitscherguss zahlt aber deutlich über Tarif, weil gute Arbeit auch gut bezahlt werden soll.“

Einmal hat Michel zugestimmt, dass ein Arbeiter in Teilzeit geht. „Er arbeitete allein. Im Schleuderguss arbeiten aber immer Vierergruppen. Deshalb funktioniert hier flexibles Arbeiten nicht.“

In solchen Induktionsöfen schmelzen Arbeiter Blöcke von Metalllegierungen und füllen diese in „Pfannen“
In solchen Induktionsöfen schmelzen Arbeiter Blöcke von Metalllegierungen und füllen diese in „Pfannen“ © Katharina Paris

Die ruhige Zentrale

Das Büro von Dieter Fitscher ist ein Relikt aus alten Zeiten: mit Nussbaum vertäfelte Wände, der Schreibtisch auch aus demselben Holz. Ein Computermonitor oder Laptop darauf? Fehlanzeige. In der Ecke drei Schwarz-Weiß-Fotos: Fitschers Vater, Großvater und Urgroßvater. Vor dieser Ahnengalerie eine Statue eines Arbeiters, der gerade Metall gießt.

Dieter Fitscher lebt mit Frau und seinem einzigen Kind, Diana Fitscher, in einer Wohnung über seinem Büro – in Tradition industrieller Familien. Auch die Krupps lebten teilweise im 19. Jahrhundert auf dem eigenen Firmengelände. Großvater Eduard Fitscher senior hatte Fitscherguss im Jahr 1900 in Oberhausen gegründet.

Weltmarktführer in seiner Branche

Der heute 77-jährige Dieter Fitscher lenkt seit 1966 die Geschicke des Betriebs, manövrierte Fitscherguss von den damaligen Hauptkunden – den sterbenden Zechen und der Industrie drumherum — zu neuen Märkten. Er machte den Betrieb zu einem Weltmarktführer in seiner Branche. Seine 25-jährige Tochter Diana soll auch in das Unternehmen einsteigen. Noch unklar ist, wann und mit welchem Aufgabenbereich.

Warum seine Mitarbeiter nie das Weite suchen? „Die Firma existiert lange, die Arbeitsplätze sind sicher, wir sind nicht nur ein familiengeführter, sondern auch ein familiärer Betrieb – anders als die großen Betriebe wie GHH oder Babcock, auf die alle setzten und die sich als unsicher erwiesen. Uns gibt es weiterhin.“

Das Interesse wuchs im Vorstellungsgespräch

Im Verkaufsbüro – in unmittelbarer Nähe von Fischers Büro, von hier werden die Metallringe in die ganze Welt vermittelt – drängen sich die Arbeitstische aneinander, darauf jeweils ein Computermonitor. Jill Ehrhard ist Auszubildende im Kaufmännischen. „Als ich mich hier bewarb, wollte ich nur ins Büro. Mein Interesse für den Betrieb wuchs im Vorstellungsgespräch“, sagt die 21-Jährige.

Für Ehrhard stimmt alles: „Nette Kollegen, ich weiß, wofür ich arbeite, das Gehalt ist auch gut und die Arbeitszeiten kurz.“ Auch im Büro ist Teilzeit derzeit kein Thema. „Den persönlichen Kontakt kann man nicht so leicht ersetzen“, sagt Michel.

Und werden in Zukunft Maschinen die Arbeiter ersetzen? „Nein, aber die Art der Arbeit wird eine andere: Weniger körperlich und mehr Maschinen bedienen. In 20 Jahren sollten hier mindestens 100 Menschen arbeiten, ich hoffe sogar 120“, sagt Co-Geschäftsführer Michel.