Mülheim. . Die gefährliche Salafisten-Szene hat ihre Taktik geändert: Sie will Jugendliche für Inlandsterrorismus gewinnen. Zwei Berater halten dagegen.

Polizisten, Personenschützer, Innenminister, Polizeipräsidenten, Oberbürgermeister – großer Rummel am Freitag um eine kleine, aber wichtige Beratungsstelle der Ruhrwerkstatt im Oberhausener Gewerbegebiet Kaisergarten: Hier arbeiten seit Mai zwei studierte Islamwissenschaftler, um verwirrte Jugendliche in Oberhausen und Mülheim durch liebevolle Begleitung auf dem Weg zum salafistischen Inlandsterroristen aufzuhalten.

Extremismus im Kern bekämpfen

„Wegweiser“ heißt das von Rot-Grün angestoßene und von Schwarz-Gelb eifrig weitergeführte drei Millionen Euro teure Landesprojekt, das Extremisten im Kern ihrer Entstehung bekämpft.

„Salafismus ist eine der größten Gefahren, denen wir ausgesetzt sind. Deshalb müssen wir die Chance ergreifen, junge Leute möglichst in ihrer frühen Prägephase zu erreichen“, beschreibt NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) das Ziel der im Endausbau 25 Beratungsstellen in ganz NRW. Schwerpunkte sind die NRW-Ballungsräume und hier die Großstädte im Ruhrgebiet. Sie gelten bei den Landesverfassungsschützern als Hort muslimischer Extremisten. Salafisten versuchen, Jugendliche mit Problemen auf ihre Seite zu ziehen und zu radikalisieren.

NRW-Innenminister Herbert Reul und NRW-Verfassungsschutz-Leiter Burkhard Freier auf der Pressekonferenz zur Vorstellung des Oberhausener Wegweiser-Projektes.
NRW-Innenminister Herbert Reul und NRW-Verfassungsschutz-Leiter Burkhard Freier auf der Pressekonferenz zur Vorstellung des Oberhausener Wegweiser-Projektes. © Zoltan Leskovar

Für Oberhausen und Mülheim hat „Wegweiser“ seit Mai schon Dutzende Anfragen besorgter Eltern, Lehrer oder Nachbarn erhalten, wenn diese bemerken, dass sich ihr Jugendlicher plötzlich merkwürdig verhält: Er gibt Frauen keine Hand mehr, betet plötzlich so intensiv, dass er alles andere vergisst, und surft auf Propaganda-Seiten von Islamisten. Die Wegweiser-Berater versuchen dann zu erforschen, wie ernst er abdriftet und welche Probleme er hat. Fünf Jugendliche werden nach Angaben von Ruhrwerkstatt-Projektleiterin Susanne Hubert-Allouche derzeit intensiv begleitet – das dauert Monate, manchmal Jahre. In NRW gab es bisher 16 000 Wegweiser-Kontakte, 80 Prozent der Beratungen wertete man als erfolgreich.

Burkhard Freier, oberster NRW-Verfassungsschützer, hält den frühen Ansatz gegen Terroristen für wichtiger denn je – denn die Salafisten hätten ihre Taktik geändert: Sie zielten nicht mehr auf Ausbildung von IS-Kämpfern für Syrien, sondern auf Inlandsterrorismus. „Die Szene wird jünger, radikaler und versteckter, missioniert kaum öffentlich.“ Und sie machten sich an Mütter ran, die die nächste Salafisten-Generation erziehen sollen.

Oberbürgermeister Ulrich Scholten sagte bei der Pressekonferenz in Oberhausen aus Mülheimer Sicht dazu: „Wir haben eine sehr unkomplizierte Zusammenarbeit mit Oberhausen. Erst im Zusammenspiel der verschiedenen Kompetenzen und Zuständigkeiten kann die Gefährdung von Kindern und Jugendlichen auch in Mülheim verhindert werden. Signale der Radikalisierung rechtzeitig erkennen und reagieren, ist eine wesentliche Herausforderung.“

>> Erreichbar ist die auch für Mülheim zuständige Beratungsstelle in Oberhausen an der Akazienstraße 107/Eingang Bogenstraße. Kontakt: 857 56 32, wegweiser@ruhrwerkstatt.de

Auch in Duisburg und Essen gibt es Wegweiser: 0203/499 755 87, www.wegweiser-in-duisburg.de und 0201/52 32 58 90, wegweiser@essen.de