Oberhausen. . Mit 17 Premieren hält das Team um Intendant Florian Fiedler in der zweiten Spielzeit die Schlagzahl hoch: ein Ausblick auf neue Produktionen.

Die fiese Frage „Und was machen Sie tagsüber?“ steht als erster Satz im Programmbuch der Spielzeit 2018/19 – als ob Dramaturginnen und Schauspieler nicht vor 17 Uhr aufstünden. Mit vielen Nachtarbeiter-Fotos reiht sich das Ensemble ein in die Riege der unterschätzt Fleißigen, zeigt sich als Krankenschwester und Taxifahrer, als Bestatterin und DJane.

Dabei hätte sich das Team um Intendant Florian Fiedler schon in der ersten Spielzeit Fleißkärtchen verdient mit 17 Premieren – und legt nun in gleicher Stärke nach, dazu 13 Wiederaufnahmen, drei Gastspiele und zwei Projekte „in Planung“: macht insgesamt 35 Produktionen vom 7. September bis Juni 2019.

Klassiker im halben Dutzend

Mit der ersten der 17 Premieren am 7. September lassen die Bühnen-Malocher zunächst anderen den Vortritt: Zum ersten Mal agiert dann für „Fake on me“ ein Ensemble im Großen Haus, das nicht das Oberhausener Ensemble ist. Vielmehr schrieb Gesine Schmidt ihr „Mein digitales Leben analog“ untertiteltes Werk „nach intensiven Gesprächen mit Jugendlichen aus Oberhausen“, so Florian Fiedler. Und diesen Text inszeniert Yves Hinrichs mit weiteren Jugendlichen.

Im Repertoire: „Der futurologische Kongress“ zeigt Zukunfts-Satiriker Stanislaw Lem in psychedelischer Bestform: Lassen Sie sich bedröhnen.
Im Repertoire: „Der futurologische Kongress“ zeigt Zukunfts-Satiriker Stanislaw Lem in psychedelischer Bestform: Lassen Sie sich bedröhnen. © K.-B. Karwasz

Kaum weniger kraftvoll die zweite Uraufführung am 14. September: Denn die Premiere von Nicola Bremers „Fit & Struppi“ wird in der Baustelle des zukünftig weltgrößten Fitnessparks „The Mirai“ zu erleben sein. Auf 50 000 Quadratmetern Spielfläche tummelt sich also ein menschlich-tierisches Paar, um „Oberhausens Reich der Neuen Mitte“ zu erkunden. „Mirai“ ist das japanische Wort für Zukunft – also muss doch eine Utopie dahinter stecken?

Dem extravaganten Auftakt folgen im Großen Haus gleich ein halbes Dutzend (moderner) Klassiker, angefangen am 21. September mit „Die Leiden der Jungen (Werther)“ nach J. W. Goethe. Fiedler wählte Regisseurin Leonie Böhm dank ihres „sehr charmanten, klugen Humors“.

Superhelden aus dem Freizeitpark

Für „Bernarda Albas Haus“ von Federico Garcia Lorca kündigt Vize- Intendantin Patricia Nickel-Dönicke „ein ganz fettes Bühnenbild an“. Eine Mutter verurteilt ihre vier Töchter zu acht Trauerjahren im Haus: „Wir wollen uns vorstellen, wir hätten Türen und Fenster mit Ziegelsteinen zugemauert.“

Im Repertoire: „Nachts“ funkelt als eines von zwei Glanzlichtern fürs jüngste Publikum. Mit „Dein Name“ erleben schon Zweijährige „Theater von Anfang an“.
Im Repertoire: „Nachts“ funkelt als eines von zwei Glanzlichtern fürs jüngste Publikum. Mit „Dein Name“ erleben schon Zweijährige „Theater von Anfang an“. © Isabel Machado Rios

Ähnlich klaustrophobisch lässt sich der dritte Klassiker lesen, inszeniert von Fiedler selbst: In „Der Sandmann“ von E. T. A. Hoffmann agiert das Ensemble wieder mit Puppen aus jener Werkstatt, die schon „Die Schneekönigin“ so zauberhaft ausgestattet hatte. Mit dem Familien-Schauspiel „Heidi“ von Johanna Spyri lebt im Winter eine Hannoveraner Inszenierung Fiedlers auf.

Stef Lernous, Oberhausenern bekannt als „Lulu“-Regisseur, setzt Oscar Wildes „Salome“ in wuchtige Bilder. Die Musik komponiert Tom Liwa, Duisburgs Repräsentant der „Hamburger Schule“ der Popmusik. Zu erwarten sind also eher Americana- und Country-Soul-Klänge als orchestral parfümierter Orientalismus.

Den letzten der sechs Klassiker, „Tod eines Handlungsreisenden“, inszeniert die Hausregisseurin. Babett Grube nennt Arthur Millers Tragödie „hochaktuell“. Sein Titelheld Willy Loman ist ein Großsprecher, der an der Wirklichkeit scheitert.

Im Repertoire: „Das siebte Kreuz“ nach Anna Seghers zeigt nicht nur in seinem Bühnenbild erzählerische Wucht.
Im Repertoire: „Das siebte Kreuz“ nach Anna Seghers zeigt nicht nur in seinem Bühnenbild erzählerische Wucht. © Ant Palmer

Die letzte Premiere im Großen Haus wird am 24. Mai 2019 zu einem Aufgebot der Superhelden: Nora Abdel-Maksouds „Flediman und die Jungs von der Zeche“ nennt Intendant Florian Fiedler eine „böse Abrechnung mit dem Show-Betrieb“: Denn die Superhelden verlassen ihren Freizeitpark in Bottrop-Kirchhellen und erkunden das echte Ruhrgebiet.

Die Premieren im kleinen Saal des Theaters

Im Saal 2, dem einstigen Malersaal, gehören die ersten Premieren dem „Theater von Anfang an“: Und für die Altersgruppe 2+ geht’s mit „Drei Farben“ gleich richtig experimentell los. Für das faszinierende Spiel mit der Wahrnehmung braucht’s nur bunte Tropfen im Wasserglas, dazu Projektionen und Musik.

Auch „Hier kommt keiner durch“ für die etwas Älteren ab vier Jahren überschreitet Grenzen der Kinder-Geschichte: Denn da ist dieser Aufpasser, der eine Seite für den General reserviert und niemanden durchlassen will. Doch die anderen sind keine allzu braven Befehlsempfänger, sondern fröhlich-aufmüpfig.

Mit „Schaffen“ (wie Schwäbisch das klingt) nimmt sich auch das Trio Technocandy des großen Spielzeit-Themas an – und fordert im Untertitel: „Wer ohne Arbeit ist, werfe den ersten Stein.“

Die Arbeit unter Tage ist im Revier schon Geschichte, wenn im März die Premiere von Dominik Buschs „Das Recht des Stärkeren“ folgt.

Eine Berlinerin aus Oberhausen

Dem Schweizer Autor geht es um die Ausbeutung in Kohlebergwerken Kolumbiens – und diesen Konflikt um Aufklärung contra Paramilitärs erzählt er in Gestalt eines Thrillers.

Franziska Henschel, die mit „Nachts“ gleich drei Generationen ab 4+ bezauberte und bezaubert, zeigt mit „Die Anmut der Vergeblichkeit“ die Aktualität antiker Philosophie: Ihre besternten Held(inn)en heißen Hera*kles und Sisy*phos, den oder die man sich mit Albert Camus als glückliche Menschen vorstellen darf.

Mit „Tigermilch“ schließlich stellt das Theater eine in Oberhausen aufgewachsene Berlinerin vor: Die 40-jährige Stefanie de Velasco sammelte als junge Literatin eine Reihe von Auszeichnungen und Stipendien – mit der Villa Aurora in Los Angeles als klangvollster Adresse. „Tigermilch“ erzählt von den 14-jährigen Nini und Jameelah und ihrem „Projekt Entjungferung“, das sie auf den Berliner Straßenstrich treibt. Die in Hannover entstandene Bühnenfassung von Babett Grube war für den Theaterpreis „Faust“ nominiert.

>>>>INFO: Netflix ist teurer als die Theatercard junior

Theater-Abende sind in Oberhausen ein preiswertes Vergnügen: Die teuerste Premierenkarte kostet im Großen Haus 32 Euro – und 18 Euro im Saal 2. Sonst sind’s im Großen Haus vier Preisgruppen von 23 bis 11 Euro, im Saal 2 14 Euro. Zu den zahlreichen Ermäßigungen gibt’s als neuesten Coup die Theatercard young für 25 Euro: Zum Preis von zwei Monaten Netflix hat man für ein ganzes Jahr ausgesorgt – wenn an der Abendkasse noch Karten erhältlich sind. Die Theatercard ohne Altersgrenze gibt’s für 45 Euro. Über die vielen Abo-Varianten informiert man sich am besten im Besucherbüro, 0208-8578-184, online theater-oberhausen.de