Oberhausen. . Als Komparse fürs Theater ist der Peter Gremnitz (78) unermüdlich. Als junger Maschinenschlosser war er einst auf drei Kontinente ausgewandert.
Mit Hedda Gabler wagte er ein Tänzchen, für Ibsens „Volksfeind“ flanierte er im Bademantel durch die Reihen der verdutzten Theatergäste im Foyer, und für „Männer, die denken“ rutschte er im Eisbärenkostüm von der Schaukel: Peter Gremnitz ist mit seinen 78 Jahren nicht nur ein besonders erfahrener, sondern vor allem ein besonders begeisterter Komparse. Tapfer sagte er vor Beginn der 40-tägigen Sommerpause „seines“ Schauspielhauses: „Ich krieg die Zeit schon ‘rum“ – aber es klang ein bisschen wie das sprichwörtliche Pfeifen im Walde.
Unternehmungs-, um nicht zu sagen abenteuerlustig war er schon immer. Man könnte sich sogar die frühen Jahre des enthusiastischen Laiendarstellers für Bühne und Film selbst als Road-Movie vorstellen (allerdings ohne die elegische Note eines Wim Wenders): Denn als junger Mann war der gebürtige Münchner, der mit acht Jahren nach Oberhausen kam, stets auf dem Sprung. Gelernt hatte Peter Gremnitz Maschinenschlosser, um zunächst zwei Jahre als Grubenschlosser auf der Neuen Ludwigshütte zu arbeiten.
Mit dem Schiff von Bremerhaven nach Melbourne
„Über die große weite Welt habe ich immer viel gelesen“ – und 1965 wurde daraus der erste mehrjährige Trip, der gleich ans andere Ende der Welt führte: Fünf Wochen dauerte damals die Schiffsreise von Bremerhaven nach Melbourne, zur zweitgrößten Stadt Australiens. Für die ersten Lektionen in Englisch hatte das Konsulat Langspielplatten ausgegeben – für erste Praxistests gab’s die lange Seereise.
„In zwei Jahren hatte ich elf verschiedene Jobs“, erzählt Peter Gremnitz. Aber seine nachdrücklichste Australien-Reminiszenz war wohl der Handschlag von LBJ: Lyndon Baines Johnson, der unglückliche 36. Präsident der USA, war während der schlimmsten Jahre des Vietnamkriegs auf Staatsbesuch „Down under“ – und Peter Gremnitz, nie schüchtern, stand mitten im Journalistenpulk.
Mit angebrochenem Herzen – „in Brisbane hatte ich mich unsterblich verliebt“ – ging’s zurück nach Oberhausen. Mit einem Schweißerschein und neuem Elan wanderte der Rastlose nach Kanada aus. Und auch seine 15 Monate in Südafrika begann Gremnitz noch mit einem langen Schiffstörn – und zwar im Adriahafen Triest.
Ein Bewunderer des Musiktheaters
Auf das halbe Jahr in Südwestafrika (dem heutigen Namibia) blickt er kritisch zurück. Auch dort herrschte 1971/72 das burische Apartheidssystem. Als Facharbeiter durfte der Deutsche kaum ein Werkzeug anpacken: „Wir haben alles nur beaufsichtigt. Die Schwarzen wurden ausgebeutet bis zum Gehtnichtmehr.“ Sein Fazit: „Ein schönes Land, aber da mochte ich nicht leben.“ Als ihm auch noch ein Flirt mit einer „farbigen“ Bedienung im „Thüringer Hof“ von Windhuk mehrstündige Verhöre beim Sittendezernat eintrug, wuchs mit der Empörung die Erkenntnis: „Da ist jeder Weiße ein Hilfspolizist.“
Der dreifache Auswanderer hat sich dann doch noch auf Dauer in Oberhausen niedergelassen, geheiratet, ein Haus gekauft – und schließlich das Musiktheater schätzen gelernt: „Ich habe 70 oder 80 Operetten gesehen.“ Aus seiner Neugier zu erfahren, „was sich hinter den Kulissen tut“, wuchs erst nach einem langen Berufsleben der Spaß an der Komparserie.
Lob für die Kollegen am Theater
Peter Gremnitz mag fast alle Aspekte des Bühnenbetriebs – und lobt die Kollegialität am Theater Oberhausen in höchsten Tönen: „Andere Theater halse ich mir nicht auf.“ Aber am Will-Quadflieg-Platz lässt er sich sogar gerne für die Beleuchtungsproben verpflichten. Für die Lichtregie von einer Position zur nächsten zu wechseln – das sei zwar „kein Vergleich“ mit dem Live-Erlebnis vor Publikum. Aber es ist eine wichtige Entlastung für die Schauspieler des Ensembles.
Für deren Können im Umgang mit immer neuen Textmassen hat der 78-Jährige größte Bewunderung. „In meinen kleinen Filmrollen habe ich mich tausendmal verplappert.“
Ein kleiner Film-Part wurde schließlich auch zu seinem erstem Theater-Text. Wie das? Wie annähernd hundert weitere Oberhausener zählte auch Peter Gremnitz zu den Erzählern in Bert Zanders „theatraler Filminstallation“ von „Schuld und Sühne“. Und wie sie singt er Paul McCartneys „Let it be“ für den Mörder Raskolnikow.
Es ist eben mehr als das „schöne Taschengeld“ der Komparsen-Gage, das ihn zum Theater treibt.
>>> Von Komparsen, Statisten – und Pilzen
Zwischen Komparsen und Statisten wird heute weder im Theater noch beim Film mehr unterschieden: Beide Begriffe meinen Kleindarsteller, ob sie nun auch ein, zwei Sätze sprechen dürfen oder nur einen Platz einzunehmen haben. „Edelkomparsen“ meint dagegen Schauspiel-Profis oder Prominente, die – gerne als Pointe fürs aufmerksame Publikum – einen Mini-Auftritt übernehmen.
„Pilze“ sind im Film-Jargon dagegen jene Menschen, die zufällig durch eine Straßenszene flanieren, wenn ohne Absperrungen gefilmt wird. Regie-Teams versuchen allerdings, solche Situationen tunlichst zu vermeiden.