Oberhausen. . Zwei Jahre vor der Ratswahl sorgen sich Oberhausener Grüne, dass Bürger ihre Erfolge in der Koalition mit SPD und FDP nicht genug wahrnehmen.
Andreas Blanke, seit Mai vergangenen Jahres Vorsitzender der fünfköpfigen Oberhausener Grünen-Ratsfraktion, ist ein vorausschauender Mann. Zwar dauert es noch knapp zwei Jahre, ehe die Oberhausener Wähler den Rat und den Oberbürgermeister neu wählen dürfen, aber eine Sorge treibt den früheren Wahlkreismitarbeiter der Grünen-Legende Bärbel Höhn schon jetzt um: Was ist, wenn die Leistungen seiner Partei in der verschlungenen Ampelkoalition mit SPD und FDP seit 2014 von den Bürgern gar nicht ausreichend wahrgenommen werden?
Ein Anhängsel der SPD?
„Was habt Ihr eigentlich so gemacht?“, hört Blanke kritische Grünen-Sympathisanten fragen. Und: „Seid Ihr nur ein Anhängsel der SPD?“ Der gelernte Werbekaufmann hat deshalb auf dem Saporishja-Platz in der Oberhausener Innenstadt vor der kleinen örtlichen Parteizentrale „Freiraum“ einen Tisch, drei Stühle, ein paar alkoholfreie Getränke sowie ein Grünen-Plakat aufgebaut und – damit kein Zweifel über wichtige Grünen-Themen aufkommt – ein Fahrrad auffällig platziert.
Mitgebracht hat er ein paar Seiten Papier mit Listen grüner Erfolge – Vorbereitung für ein Gespräch über die Themen, die sich die Grünen auf ihre Fahnen schreiben. Schließlich regieren die Oberhausener Grünen schon seit 2009 mit den schwächelnden Sozialdemokraten. Und daher werden sie von den Bürgern auch schon für all das verantwortlich gemacht, was nicht gut läuft in Oberhausen. Aber nicht unbedingt dafür, was gut läuft – erst Recht nicht in Zeiten eines recht rührigen, marketing-orientierten CDU-Oberbürgermeisters .
„Wir haben dicke Bretter in der Koalition gebohrt und nicht nur bei unseren Herzensthemen, wie elektrische Mobilität und Rad-Infrastruktur, einiges auf den Weg gebracht“, sagt Blanke.
Er listet viele Punkte auf: Die Reform der Stadttochter OGM, weil deren Dienstleistung zur Kritik genug Anlass gab; das Jugendparlament; der Kita-Navigator zur zügigen Vergabe von Kita-Plätzen; die mögliche Betreuung der Kinder in Randzeiten; der Beschluss zur Rettung von kleinen Grundschulen; der Kampf gegen die Praxis von Gymnasien und Realschulen, Kinder abzuschulen; der Erhalt der strengen Baumschutzsatzung oder auch das Aktionsbündnis für den Bau der Straßenbahn 105 vom Centro nach Essen-Frintrop.
Und natürlich wurden für Radler sichere Radboxen an Bahnhöfen gefordert und der Ausbau des Radwegnetzes vorangetrieben. So pochen die Grünen auf Radstreifen an der Helmholtzstraße, obwohl dadurch 80 Parkplätze für Autos wegfallen („Es gibt kein Recht auf einen Parkplatz vor der Haustür“).
Zuletzt veranlasst haben die Grünen im Rat, dass die Stadtverwaltung beim Bau von Gebäuden nicht nur den Neubau-Preis betrachten soll, sondern die Kosten des gesamten Lebenszyklus – das fördert nachhaltiges, energie-armes Bauen, das sich ja erst im Laufe der Jahre rentiert.
„Wir sind ja nur der kleinere Koalitionspartner, aber wir haben verdammt viel durchgesetzt. Wir ringen intern um Inhalte und Worte – aber das ist ja in einer Koalition das normale Spiel, einen Kompromiss zu finden, denn am Ende unterschreiben ja alle“, erläutert Blanke.
Im Unterschied zu anderen rot-grünen Koalitionen im Land und Bund lieben es die Oberhausener Parteipolitiker, solche manchmal auch beinharten Kompromisse hinter verschlossenen Türen ohne breite Öffentlichkeit zu finden.
Denn alle wissen: Offenen Streit über heikle Themen mögen Wähler in der Regel ja nicht so sehr. Andererseits aber macht es diese politische öffentliche Harmonie-Kultur beinahe unmöglich, das Profil der einzelnen Koalitionspartner herauszuschälen. Am Ende weiß kein Bürger, wer wie hart für was gerungen hat oder was nicht durchsetzbar gewesen ist – und in Oberhausen deshalb durch den Rost fällt.
Den Autoverkehr reduzieren
„Aber für das Profil jeder Partei ist ja der Wahlkampf da; da kann jeder scharf darlegen, was er für Oberhausen erreichen will“, meint Blanke – und der Wahlkampf startet ja schon 2019. Dann wollen die Grünen lauter und konfrontativer auftrumpfen. Angesichts von zu hohen gesundheitsgefährdenden Stickoxiden und Lärm auf der Mülheimer Straße scheut sich der Grünen-Fraktionschef schon jetzt nicht, Klartext zu reden – und nimmt dabei die Autofahrer ins Visier: „Wir müssen den öffentlichen Nahverkehr stärken und gleichzeitig den Autoverkehr reduzieren – sonst schaffen wir es nicht. Wenn wir nichts machen, wären die Folgen mit Fahrverboten viel härter.“
Man wolle auch Lösungen vorantreiben, den Lieferverkehr von Waren aus der Stadt herauszuhalten – etwa mit Verteilerknoten am Stadtrand, von dem aus E-Auto die innerstädtische Lieferung übernimmt. „Bei den Verkehrsthemen werden wir Gas geben.“
Kein Treueschwur für die SPD
Etwas argwöhnisch verfolgen die Grünen die Wandlung der einstigen Autofahrerpartei CDU hin zu einer Partei, die sich zunehmend mit grünen Themen beschäftigt: Sie fordert 1000 neue Bäume für die Stadt, mehr Radwege durch Oberhausen, Ladesäulen für E-Autos, Diensträder für Beamte.
Blanke verweist zwar zunächst einmal darauf, wer das Original ist: „Grünen-Sprech ist von vielen Parteien aufgenommen worden, doch wenn man in die Details geht, sieht man, dass wir länger dransitzen.“
Doch Blanke ist ein zu erfahrener Kommunalpolitiker, als dass er nicht die politische Chance der CDU-Durchgrünung sieht. Er lobt das 1000-Bäume-Programm als „eine nicht schlechte Idee“, kritisiert nur, dass sich die CDU über die Kosten von einer Million Euro für die Bäume nicht konkret geäußert hat. Ein Treueschwur zugunsten der SPD ist während des Gesprächs von Blanke jedenfalls nicht zu hören. Im Gegenteil: „Bei der Ratswahl 2020 werden die Karten neu gemischt. Wenn die Inhalte stimmen, dann kann man klar kommen.“ Schwarz-Grün in Oberhausen ist nicht mehr undenkbar.