Oberhausen. . Der oberste Macher des Oberhausener Nahverkehrs fordert, über Preise und Mängel nachzudenken. Bus und Bahn können mit dem Auto nicht mithalten.

Die Preise steigen, die Fahrgastzahlen sinken. Werner Overkamp, Geschäftsführer der städtischen Nahverkehrsunternehmens Stoag (Stadtwerke Oberhausen AG), sprach im Interview mit Verena Camen und Peter Szymaniak über Probleme und Perspektiven des öffentlichen Nahverkehrs in Oberhausen und im Ruhrgebiet.

Herr Overkamp, die Bundesregierung hat dem Ruhrgebiet ein tolles Angebot gemacht: Sie wollte kostenlosen Nahverkehr in einer Ruhrgebietsstadt ausprobieren. Warum haben Sie diese Riesenchance für alle Fahrgäste nicht ergriffen?

Overkamp: Dieses Angebot sehe ich nicht als Chance, weil ich grundsätzlich nicht davon überzeugt bin, dass öffentlicher Nahverkehr kostenlos sein soll. Auch für Busse und Bahnen sollte von den Nutzern wegen der aufwendigen Dienstleistung ein bestimmter Preis gezahlt werden. Und was machen Sie, wenn die Fördergelder auslaufen, das Projekt aber erfolgreich war? Dann können Sie nicht plötzlich wieder Geld von den Fahrgästen verlangen.

Stattdessen wird es immer teurer, mit Bus und Bahn zu fahren. Für die sechs Minuten von Oberhausen Hauptbahnhof nach Duisburg zahlt man 5,90 Euro. Wer soll sich das noch leisten?

Ja, das ist wirklich nicht wenig. Aber dafür könnte man auch bis Düsseldorf fahren. Letztendlich ist das eine politische Entscheidung: Angesichts der Finanznot der Kommunen hat man vor zehn Jahren entschieden, einen nutzerfinanzierten Nahverkehr zu machen. Alle Fahrgäste sollen an der Kostenerhöhung finanziell beteiligt sein – so kommen die 5,90 Euro zustande. Nun muss die Politik sagen, ob sie bereit ist, einen höheren Zuschuss aus Steuergeldern zu zahlen, damit die Tarife nicht weiter erhöht werden müssen. Richtig ist: Die Preise sind in der Diskussion und nicht die Leistung des Nahverkehrs. Das ist nicht gut. Deshalb müssen wir uns alle über die Preispolitik Gedanken machen.

Erlebt die Qualitäts- und Serviceprobleme des öffentlichen Nahverkehrs am eigenen Leib: Werner Overkamp im Interview.
Erlebt die Qualitäts- und Serviceprobleme des öffentlichen Nahverkehrs am eigenen Leib: Werner Overkamp im Interview. © Gerd Wallhorn

Obwohl die Preise steigen, wurden in den vergangenen zehn Jahren Linien in Oberhausen ausgedünnt. Das Nachtbusnetz startet schon früh. Sie verlieren stetig an Fahrgästen. Sind die Einsparungen nicht zu weit gegangen?

Nein, denn als wir mit den Kürzungen angefangen haben, hatten wir bei den damaligen Fahrgastzahlen ein Überangebot. Seitdem haben wir nur vier oder fünf Haltestellen aufgegeben und keine ganzen Linien stillgelegt, aber die Taktzeiten verringert. So ist unter anderem der Stundentakt im Außenbereich nicht optimal. Das Nachtnetz beginnt um 23 Uhr, weil es zu dieser Zeit in Oberhausen auch kein reges städtisches Leben gibt wie in München oder Hamburg. Selbst wenn wir dort investieren würden, hätten wir keinen höheren Zuspruch.

Teure Busse und Bahnen – und dann sind auch noch Fahrer und Kontrolleure unfreundlich. Das berichten uns zunehmend unsere Leser. Wie reagieren Sie darauf?

Grundsätzlich machen unsere Kollegen und auch die Mitarbeiter der Fremdfirma, die die Fahrausweisprüfungen macht, einen guten Dienst. Aber auch ein Busfahrer oder ein Kontrolleur hat mal einen nicht so guten Tag. Bei Vorfällen sprechen wir mit den Fahrern und Kontrolleuren, bieten Schulungen an. Wir analysieren die Beschwerden, wir nehmen uns das zu Herzen.

Wenn Sie zum Bus laufen, dem Busfahrer noch zuwinken und er dann doch ohne Sie losfährt, würden Sie sich dann nicht auch ärgern?

Ja klar ärgert man sich da. Doch das machen unsere Busfahrer nicht mit Absicht. An Ampeln haben sie oftmals ein Fahrsignal, dann müssen sie los, um nicht in eine weitere Warteschleife zu geraten.

Warum hat die Stoag vier Millionen Fahrgäste in sechs Jahren verloren? 

Sie haben in sechs Jahren fast vier Millionen Fahrgäste verloren. Warum steigen nicht mehr Menschen auf Bus und Bahn um?

Die Stoag ist mit diesem Problem nicht alleine; das ist aber ein schwacher Trost. Insgesamt entspricht die Entwicklung des Nahverkehrs im VRR nicht der in anderen deutschen oder internationalen Großstädten – das Ruhrgebiet hinkt hinterher. Es gibt zwar immer mehr Pendler, doch wir können in einer multipolaren Region wie dem Ruhrgebiet bisher keinen Nahverkehr anbieten, der zeitlich mit dem Auto konkurrieren kann. Wenn ein Kunde für eine Strecke mit dem Auto eine halbe Stunde braucht, dann sollte es mit dem Nahverkehr nicht mehr als eine Stunde dauern – und das zuverlässig.

Viele Autos, immer mehr Stau, unpünktliche Busse, kaum Radfahrer - befürchten Sie nicht, dass sich das ganze Ruhrgebiet lahmlegt?

Nein, das glaube ich nicht. Der Nahverkehr im Ruhrgebiet wird sich weiterentwickeln. Aber dafür müssen diese Themen jetzt diskutiert werden. Wir müssen uns hinterfragen, was wir besser machen können, ob wir das Leistungsangebot qualitativ ausbauen sollten. Die Hauptschwäche des Nahverkehrs im Ruhrgebiet ist, dass das städteübergreifende Angebot nicht zentral geplant wird. Das kommunale Unternehmen blickt nur auf seine Stadt, der Verkehrsverbund VRR plant nur den Schienenverkehr. So gibt es kaum Busverbindungen über mehrere Städte hinweg.

Würde es für einen Nahverkehr aus einem Guss dann nicht schon entscheidend helfen, wenn es im Ruhrgebiet nur ein einziges Verkehrsunternehmen gäbe? Wir leisten uns ein gutes Dutzend Nahverkehrsbetriebe und bezahlen viele Geschäftsführer.

Nein, die Lösung ist nicht ein großes Verkehrsunternehmen, denn dieses hätte mit einer Fülle von Aufgabenträgern zu tun, die für die Angebote und für die Bereitstellung der Finanzmittel zuständig sind. Es stellt sich vielmehr die Frage, ob diese nicht wie beim Schienenverkehr auch beim städteübergreifenden Nahverkehr in einer Institution enger zusammenarbeiten können.

Essen und Mülheim haben sich als Ruhrbahn zusammengeschlossen. Das neue Unternehmen heißt ja nicht ohne Grund so. Warum ist Oberhausen nicht beteiligt?

Weil wir da für uns keinen Nutzen sehen. Wir kooperieren dort, wo es sinnvoll ist: Rechnungswesen, Einkauf, Liegenschaften, Juristerei, Personal – da setzen wir auf den Konzern Stadt und lassen diese Aufgaben von der Energieversorgung Oberhausen AG (EVO) erledigen. Unsere Straßenbahnen werden in Mülheim gewartet. Bei Fusionen hätten wir nur geringe Effizienzgewinne. Es kommt hinzu: Es sitzt nun mal ein Busfahrer in einem Bus. Wenn man einen Bus kauft, kauft man einen Bus. Wenn man zusammen arbeitet, kauft man nicht plötzlich einen „Drei-Viertel-Bus“. Und bessere Preise erhält man auch nicht, wenn man 30 statt 15 Busse kauft. Auch wenn wir uns der Ruhrbahn anschließen würden, würde zum Beispiel die Buswerkstatt hier weiter bestehen.

Sie haben ja selbst einen schmucken Firmenwagen, pendeln jeden Tag aus ihrer Heimatstadt Bocholt hierhin. Aber wann sind Sie denn das letzte Mal Bus gefahren und wie war das so?

Ich glaube das war letzte Woche. Ich fahre ab und zu von Bocholt mit Bus und Bahn nach Oberhausen. Aber ich gebe auch zu: Mit dem Auto brauche ich eine gute halbe Stunde, mit Bus und Bahn fast eineinhalb Stunden. Das ist nicht optimal, ich muss zwei Mal umsteigen und dann auch noch 15 Minuten in Sterkrade auf den Bus warten. Zumindest daran könnte ich ja selbst was machen... (schmunzelt)