OBERHAUSEN. . Was bisher die großen Großstädte erleben, kommt allmählich auf das Ruhrgebiet zu – ein im Vergleich zur Nachfrage erheblicher Mangel an Wohnraum.
Die Wohnungsnot ist mittlerweile selbst in Oberhausen so dramatisch, dass gerade Menschen in schwierigen Lebenslagen nach Beobachtung der Caritas keine Chance haben, ein Dach über den Kopf zu erhalten. Sie müssen praktisch ihre Küche im Freien aufbauen – und deshalb machte die Caritas am Samstag mit einer provisorischen Küchenzeile vor der St. Clemens-Kirche Besucher des Marktes in Sterkrade auf die heikle Lage vieler armer Bürger aufmerksam.
Plätze blockiert
Marc Wroblewski, der Leiter des Carl-Sonnenschein-Hauses für Obdachlose in Alstaden, beschreibt die Folgen für Menschen, die ihre Lebenskrise eigentlich überwunden haben und nun eine neue Wohnung suchen. Sie finden keine und blockieren deshalb Plätze in der Einrichtung für andere Menschen, denen aktuell dringend geholfen werden müsste. „Wer heute bloß Handyschulden hat, hat es sehr schwer bei der Wohnungssuche.“
Der Mieterschutzbund hatte bereits im März auf den großen Kreis der Bürger hingewiesen, die Wohnungsprobleme haben: Zuwanderer, kinderreiche Familien, Arbeitslose. Ein Grund nach Auffassung von Mieterschutzbund und Caritas: Der mit Steuergeldern geförderte soziale Wohnungsbau mit günstigen Mieten habe sich seit der Jahrtausendwende auch in Oberhausen halbiert.
Besonders schwer ist es für Menschen wie Dagmar Brinkmann. Seit anderthalb Jahren teilt sie sich im Carl-Sonnenschein-Haus ein Doppelzimmer mit einer anderen Frau. „Ich habe über 30 Jahre in der Kranken- und Altenpflege gearbeitet“, erzählte sie am Samstag. Dann habe sie drei Jahre lang in Duisburg ihre eigenen Eltern gepflegt.
Nachdem sie beide kurz hintereinander gestorben waren, erlitt die Rentnerin einen Zusammenbruch. „Ich konnte einfach nichts mehr machen.“ Dass sie eine einzige Monatsmiete nicht überwiesen habe, sei ihr zum Verhängnis geworden. Dabei hatte sie gar keine Geldprobleme. „Wenn man auf die Post, die man bekommt, nicht reagiert, summieren sich Mahngebühren und -zuschläge, Gerichts- und Anwaltskosten schnell auf das Zehnfache“, berichtete sie.
Sie wurde zwangsgeräumt, konnte aber im Carl-Sonnenschein-Haus unterkommen. „Ich bin dort wieder aufgebaut worden“, sagte sie. Aber schon seit dem vergangenen Jahr sucht sie nach einer neuen Bleibe. „Ich habe kein Alkoholproblem, nehme keine Drogen, bediene zuverlässig meine Schulden.“ Bisher ist ihre Suche erfolglos verlaufen. „Es gibt ja kein großes Angebot mehr. Da wird man schnell in eine Schublade gepackt und darin vergessen.“
Umso mehr freute sie sich am Infostand vor der Kirche, dass sogar eine Vermieterin gekommen sei, um das Gespräch dort zu suchen. „Schade, dass ich im Moment keine Wohnung frei habe“, habe sie gesagt.
Erfolglos ist die Wohnungssuche bislang auch für Gerhard Steinberg (40) aus dem Münsterland verlaufen. Er lebt seit zweieinhalb Jahren im Carl-Sonnenschen-Haus. „Ich habe meine psychischen Probleme jahrelang mit Arbeit verdrängt“, berichtete er. Dann legte er mit seiner Selbstständigkeit eine Pleite hin. „Ich habe mich hier gut gefangen, arbeite schon seit über einem Jahr wieder“, sagte er. Nur mit der Wohnungssuche klappe es nicht. „Mein Problem ist, dass meine Privatinsolvenz noch nicht durch ist.“
Seit Jahresbeginn haben Bewohner und Mitarbeiter des Carl-Sonnenschein-Hauses die Aktion vorbereitet. Am Samstag waren sie mit 15 Personen vor Ort, hatten die kleine Single-Küche vor der Kirche aufgebaut und davor einen Fußbodenbelag verlegt, darauf einen Tisch mit Stühlen gestellt. An Stellwänden hingen ernst gemeinte Wohnungsgesuche der Bewohner aus, die auf das Problem aufmerksam machen sollten.
>>> CARITAS FORDERT MEHR SOZIALEN WOHNUNGSBAU
„Wir brauchen wieder mehr sozialen Wohnungsbau“, forderte Caritas-Sozialarbeiter Marc Wroblewski. Und diese Wohnungen müssten ästhetisch und sozial adäquat sein. Denn es müsse verhindert werden, dass diese Wohnungen zu Ghettoisierung und damit Ausgrenzung führten.
„Wir müssen vorhandenen Wohnraum außerdem besser schützen“, zum Beispiel vor Billig-Vermietungen im Internet. Das habe mittlerweile bedeutende Ausmaße angenommen. Wenn die Stadt Oberhausen wollte, könnte sie seiner Ansicht nach mit einer Wohnraumschutzsatzung darauf reagieren.
Die Caritas selbst unterstütze Umzüge in bestimmte Viertel nicht, weil dort die Gefahr der Ghettoisierung von Menschen in schwierigen Lagen bestehe.