OBERHAUSEN. . Comic-Künstler Ralf König gastierte für eine Lesung in Oberhausen. Der 57-Jährige stellte seinen neuen Band „Herbst in der Hose“ vor.
Es gibt Leute, die mit unbeirrbarer Gleichgültigkeit älter werden. Andere machen aus ihrem Geburtsjahr ein Staatsgeheimnis, als würden sie sich dem Alterungsprozess damit entziehen können. Und Ralf König? Der amüsiert sich. Über das Älterwerden. Über die Mechanismen. Und über sich selber.
Zum Glück lacht der renommierte Comiczeichner nicht im stillen Kämmerlein, sondern öffnete für einige handverlesene Neugierige am WM-Samstag in der Ludwiggalerie die Türen zur Wohnung seiner bekannten Charaktere Konrad und Paul. Und ein wenig alter Ego schwingt bei den beiden Protagonisten seines neuen Buches wohl wieder mit. Der 57-Jährige zeichnet in der Publikation nicht gerade um den heißen Brei herum. Der Titel lautet: „Herbst in der Hose!“
Protagonist der Schwulenbewegung
Versteckt hat er sich nie. Ralf König traf als früher Protagonist der politischen Schwulenbewegung immer wieder aktuelle Themen. In seinem Comic-Band „Super-Paradise“ setzte er sich mit der verheerenden Immunschwächekrankheit Aids auseinander. In „Sie dürfen sich jetzt küssen“ mit der Homoehe. Seine Zeichnungen zu „Der bewegte Mann“ wurden 1994 mit Til Schweiger in der Hauptrolle verfilmt – und mit 6,5 Millionen Zuschauern schnell zum Kinohit.
Doch das alles sind Geschichten von gestern. Nun sitzt er im Obergeschoss der Ludwiggalerie, an einem kleinen Tisch, der Laptop-Computer ist aufgeklappt und über den Beamer lässt er auf einer Leinwand seine Charaktere in starren Comics aufleben. Er liest nicht nur, er betont, er spielt. Brummig zieht König seine Stimme nach unten, wenn es aus Paul herausplatzt: „Hat die Evolution sie noch alle?“ Er setzt in seinen humorvollen Krisen-Geschichten nicht in dem Alter an, in dem die Gelassenheit das Älterwerden längst vereinfacht hat. König seziert genüsslich den Zeitpunkt, an dem labile Egos damit beginnen, den schleichend einsetzenden körperlichen Verfall auch höchstpersönlich zu begreifen.
Da sind sie: Konrad und Paul. Zwei Männer. Ein Pärchen. Und eben diese unsäglich vielen vorbestimmten (Stimmungs-)Bremsklötze des Alltags. Vor allem, wenn die Andropause vor der Tür steht und sich schon heute bemerkbar macht. Andro…, wie bitte? Andropause! Dann, wenn die Hormonproduktion des Mannes nachlässt und einen Cocktail unerwünschter Nebenwirkungen mit sich zieht. Auch Konrad und Paul müssen nach der Bedeutung erst googeln. In „Herbst in der Hose“ geht es aber um wesentlich mehr, was einem das Älterwerden richtig vermiesen kann: Gesundheit, Liebe, Technik, Mode und längst vergessene Heldentaten.
„Ein junger Typ mit Bart ist ein Hipster. Ein alter Sack mit Bart ist ein alter Sack mit Bart!“ Es gibt so viele Ungerechtigkeiten. Wenn Ralf König seinen Figuren ein „Mit 48 geht es langsam los...“ in den Mund legt, beginnt im schmunzelnden Teil des Publikums der Lesung das Kopfkino.
Im Handyladen zuckt die junge Angestellte bei Konrads mitgebrachtem Mobiltelefon mit den Schultern. Ihr Chef meint nur: „Jaaa, das ist ein Nokia, das ist 15 Jahre alt.“ Der Schnösel will ihm einen neuen Handy-Vertrag andrehen. Konrad möchte nur die eine defekte Taste an seinem Telefon-Dinosaurier reparieren lassen. Er betont: „Hören Sie, diese Augen haben schon Schwarz-Weiß-Fernsehbilder gesehen!“
Einfacher wird es mit dem Alter eben nicht. Ein Rollmops wird nach der durchzechten Nacht für Konrad und Paul plötzlich „überlebenswichtig“, aber nur, wenn eine Aspirin mit eingerollt wird. Wenn man die Zeichnungen dazu sieht, dann möchte man rufen: Alter Schwede, was für ein Kater! Und was hilft nun wirklich? Immer den Humor behalten.
Der Comicband „Herbst in der Hose“ befördert die Leser in die Turbulenzen einer homosexuellen Beziehung, deren tabulose Handlungsstränge auf Ralf-König-Laien ungewöhnlich wirken mögen. Dass sich auch Heterosexuelle darüber köstlich amüsieren können, geeint in den Gefühlsebenen, in die einen das Älterwerden schleudert, muss man nicht betonen. Denn das ist ja eigentlich ein: nun, alter Hut.
>>> SONDERAUSSTELLUNG IN OBERHAUSEN
Der renommierte Comiczeichner Ralf König wurde im westfälischen Soest geboren. Der 57-Jährige zählt aber längst die rheinische Metropole Köln zu seiner Heimat.
Viele Geschichten aus seinen Zeichnungen spielen in der Großstadt am Rhein. In Oberhausen ist der Zeichner kein Fremder. Schon gar nicht in der Ludwiggalerie, die seine Werke bereits in einer gesonderten Ausstellung zeigte. Dies war auch der Anlass, dass Ralf König bei vorherigen Lesungen das Oberhausener Kulturpublikum besuchte.