Oberhausen. . Im Gertrud-Zillich-Haus in Oberhausen üben junge Mütter ein selbstständiges Leben – und das seit hundert Jahren schon.

Als Gertrud Zillich, Lehrer-Ehefrau und ehemalige Ostafrika-Missionarin, 1918 den Evangelischen Verein für Jugendschutz gründete, sah sie ihre Aufgabe darin, „gescheiterten Mädchen und Frauen wieder ins Leben hineinzuhelfen“. Diakonieschwestern nahmen die „Gefallenen“ zunächst in einer Wohnung an der Schulstraße, später im Haus Marktstraße 193 auf, bildeten sie in Koch-, Servier- und Glanzbügelkursen aus und vermittelten sie in wohlhabende Familien, wo sie „in Stellung“ gingen.

Das Gertrud-Zillich-Haus gibt es hundert Jahre danach noch immer. Der Trägerverein heißt seit 1971 allerdings Diakonie-Verband Oberhausen. Und die Angebote, die inzwischen an der Schlägelstraße gemacht werden, nennen sich „moderne Mutter-Kind-Arbeit im Rahmen der Jugendhilfe“.

Was koche ich? Wann putze ich? Wie pflege ich mein Kind? Dies seien häufig jene Fragen, die junge Mütter, die bei ihnen Hilfe suchen, überforderten, sagt Gerhard Loewenthal, der das Gertrud-Zillich-Haus seit 1983 leitet. „Oft ist kein Partner da, es gibt keinen familiären Background und gleichzeitig auch andere Probleme.“ Gemeint sind psychische Störungen oder Lernbehinderungen, die es den Mädchen und jungen Frauen unmöglich machten, alleine mit den Anforderungen des Alltags zurechtzukommen. Und das bei aller Liebe, wie Loewenthal betont, denn trotz alledem bestehe meistens eine innige Beziehung zu den Kindern.

Vermittelt von den Jugendämtern, werden die Frauen in Wohngruppen, später auch in sogenannten Trainingswohnungen, untergebracht und intensiv betreut. Die meisten sind im Alter von 16 bis 25 Jahren. Das Ziel lautet, dass Mutter und Kind die Einrichtung schon bald wieder verlassen. „Unser Idealbild ist es, Menschen zu befähigen, selbstbewusst und eigenständig zu leben“, erklärt Gerhard Loewenthal. Der christliche Akt der Nächstenliebe, der sich im Namen „Diakonie“ (Dienst am Menschen) wiederfindet, sei Grundlage ihrer Arbeit. Dennoch seien Anhänger jeder Religion bei ihnen willkommen. „Wir verkündigen hier nicht das Evangelium.“

Leiter des Gertrud-Zilles-Hauses: Diplom-Sozialarbeiter Gerhard Loewenthal.
Leiter des Gertrud-Zilles-Hauses: Diplom-Sozialarbeiter Gerhard Loewenthal. © Jörg Schimmel

Die Mütter zu fördern, so gut es geht, das bedeutet im Gertrud-Zillich-Haus, für verlässliche Tagesabläufe zu sorgen, in Beratung und Therapie zu vermitteln, einen Schulabschluss zu machen oder eine Arbeitsstelle zu finden. Die Kinder würden jedoch bei alledem niemals aus den Augen gelassen, sagt Gerhard Loewen-thal. Sie sollen ebenfalls bestmöglich gefördert werden. In einer eigenen Tagesgruppe, die im Wohnhaus untergebracht ist, können acht Kinder betreut werden. Ziel sei jedoch stets, „die Kinder noch vor dem Auszug der Familie in einer externen Einrichtung unterzubringen“.

80 Prozent der Frauen, so die Schätzung Loewenthals, schaffen es, zusammen mit ihrem Kind auszuziehen. Für alle anderen, die es alleine nicht schafften, will der Diakonie-Verband in Zukunft ein dauerhaftes betreutes Wohnen ermöglichen, eventuell auch zusammen mit den Vätern. „Wir wollen“, sagt Loewenthal, „so etwas wie Familie ermöglichen“.

Ambulante Hilfen und Dependence in Duisburg

Seit Mai 2008 bietet der Diakonie-Verband auch ein ambulantes Betreuungsangebot an. Die „flexiblen Hilfen“ unterstützen weibliche Jugendliche, junge Erwachsene, Alleinerziehende, werdende Mütter oder Eltern und Familien mit sozialpädagogischem Hilfebedarf. Dazu suchen die Mitarbeiter ihre Klienten in ihren Wohnungen auf.

Im April 2007 hat der Diakonie-Verband Oberhausen die Mutter-Kind-Einrichtung „Hilfe zum Leben“ in Duisburg-Untermeiderich übernommen. Dabei handelt es sich um eine stationäre Mutter-Kind-Einrichtung mit 18 Plätzen, die in einem ehemaligen, großzügig ausgebauten Pfarrhaus und in zwei externen Trainingswohnungen verortet ist.