Oberhausen. . Viele kleine Maßnahmen sollen zu einer besseren Luft in der Stadt führen. Aber vor allem muss jeder sein Fahrverhalten auf den Prüfstand stellen.
Auch wenn Stadt und Politik in Oberhausen momentan alles daran setzen, Fahrverbote für Diesel-Stinker zu vermeiden: Die Devise für die Zukunft kann nur lauten: „Weg vom Auto“ – zumindest zu einem großen Teil – und hin zu einem besser ausgebauten Nahverkehrssystem und zu mehr Radverkehr. So könnte ein Fazit der Diskussion des Stadtgesprächs zum Thema saubere Luft von WAZ, Volkshochschule und Arbeit und Leben lauten, an der sich rund 50 Gäste im Bert-Brecht-Haus beteiligten.
Ihre Fragen konnten die Bürger an die Experten auf dem Podium richten: Dazu gehörten Umwelt- und Gesundheitsdezernentin Sabine Lauxen, Dr. Georg Teichmann von der Unternehmensberatung PwC, Jan Borkenstein, stellvertretender IHK-Geschäftsführer, Jörg Bischoff, Kreishandwerker-Präsident und Ärztekammer-Vorstand Dr. Peter Kaup.
Von ihnen wollten mehrere Teilnehmer des Stadtgesprächs wissen, was es denn für Ideen gibt, um die Luft in Oberhausen sauberer zu machen. Und lieferten auch gleich selbst einen Vorschlag: Ob nicht die Bepflanzung mit Moosen helfen könnte. „Moos ist eine Flankierung, aber bekämpft nicht die Ursache“, sagte Georg Teichmann von PwC, die derzeit den Masterplan „Saubere Luft“ für Oberhausen erstellen. „Mit Moosen und Begrünung werden wir nicht die hohen Stickoxid-Messwerte runterbringen, wenn nach wie vor die gleiche Menge an Autos durch die Straßen gejagt wird.“
Probleme sind nicht neu
Die Anteile, die Auto- und Rad- sowie öffentlicher Nahverkehr einnehmen, müssten sich verändern. „An diesen Schrauben müssen wir drehen“, sagte Teichmann. „Eine Verhaltensänderung ist schwierig, aber die Verkehrswende muss in den Köpfen stattfinden, um zum Beispiel einen besseren ÖPNV einzufordern.“ Um Pendlerströme nachhaltig und in großer Menge auf Bus, Bahn und Zug umzuleiten, seien bessere Anschlüsse, eine verbesserte Taktfrequenz oder ein einfaches Ticket-Tarifsystem nötig. „Da ist viel mehr möglich.“ Probleme, die allerdings nicht erst seit gestern bekannt seien – so ein Zwischenruf aus dem Publikum.
E-Busse für die Stoag anzuschaffen oder Taxi-Unternehmer, Handwerker und Pflegedienste dabei zu unterstützen, auf alternative Antriebe umzustellen, seien weitere Maßnahmen, erklärte Sabine Lauxen. Die Kommunen könnten dafür Förderprogramme des Bundes einsetzen. Ärgerlich sei, dass für diese Umrüstung nur Steuermittel eingesetzt würden, „der Verursacher, die Autoindustrie, beteiligt sich nicht und entzieht sich der Verantwortung“, sagte die Oberhausener Grüne.
Im Publikum war die Ungeduld deutlich spürbar, was die Lösung des Problems angeht. „Das ist mir zuviel Klein-Klein, unter einem Masterplan stelle ich mir etwas anderes vor“, kritisierte ein Teilnehmer. „Visionen“, forderte ein anderer von den Experten. „Ich glaube nicht an den Zehn-Jahres-Plan“, sagte dagegen Peter Kaup, Oberhausener Hausarzt und im Vorstand der Ärztekammer. „Wir alle zusammen müssen die Lösung entwickeln“, sagte der Mediziner und bekannte: „Ich fahre extrem gerne Auto.“ Kaup wies darauf hin, dass er bei Hausbesuchen auf das Auto angewiesen sei, um rechtzeitig bei den Patienten zu sein. Ein Argument, das auch Kreishandwerker-Präsident Jörg Bischoff ins Feld führte. „Handwerker müssen ihre Kunden erreichen können.“ Mögliche Fahrverbote vernichteten Millionenwerte, wenn die Betriebe gezwungen seien, ihre Fahrzeugflotten umzurüsten und gefährdeten Existenzen. Fahrverbote sollten wenn überhaupt für den Durchgangsverkehr gelten. „Wie lang wäre dann die Liste der Ausnahmen“, merkte WAZ-Redakteurin und Moderation Rusen Tayfur an.
„Wir müssen uns alle an die eigene Nase packen“, sagte ein Zuhörer. Und zum Beispiel kein Klopapier im Internet bestellen. Das bringt viel Lieferverkehr auf die Straße. Mit Lärm und Abgasen.
„Sie gehen doch auch im Supermarkt einkaufen“
Wie denn die Pläne für das Gewerbegebiet Weierheide, die Errichtung des Zentrallagers für Edeka und der Bau einer neuen Straße zum Masterplan „Saubere Luft“ passen würden, wollte eine Bürgerin in der Diskussion wissen.
Durch den Bau der Straße könnte Lkw-Verkehr aus Wohngebieten rausgehalten werden, sagte Umweltdezernentin Sabine Lauxen. Natürlich handele es sich um eine Abwägung: 1000 Arbeitsplätze gegen Eingriffe in die Natur.
Jan Borkenstein von der Industrie- und Handelskammer, sprang der Dezernentin beiseite. „Sie gehen doch wahrscheinlich auch in Supermärkten einkaufen“, fragte er die Bürgerin. „Für die Verteilung der Waren braucht es Zentrallager. Für den Bau der Straße ist es doch eine sinnvolle Sache, die Fläche entlang der Autobahn zu nutzen“, sagte Borkenstein.
Autofahren sei ja nicht automatisch schädlich, hieß es aus dem Publikum. Es komme darauf an, wie man Auto fährt. Sprich: Wieviel PS der Wagen habe, wie schwer es sei (Stichwort SUVs). Der Zuhörer forderte die „höchstmögliche technische Umweltverträglichkeit“ und eine PS-Begrenzung.
Problemfall Mülheimer Straße
Die Anwohner der Mülheimer Straße bekommen besonders viel vom Verkehrslärm, von der schlechten Luft und der Raserei auf der Tangente zwischen den Autobahnen mit. Warum die Straße so breit sei und warum es an vielen Stellen keinen Radweg dort gebe, wollte ein Zuhörer wissen.
„Die Gestaltung der Straße entspricht nicht mehr den Maßstäben einer ökologischen Stadtentwicklung“, gab Sabine Lauxen zu. Allerdings seien Änderungen an dieser Straße auch besonders schwierig. Die Umweltdezernentin wies auf einen Vorschlag hin, den sie vor ein paar Jahren auf den Tisch gelegt habe, der mehr Parkplätze und weniger Fahrstreifen vorgesehen habe. „Da ging ein Sturm der Entrüstung los“, erinnerte Lauxen.