oberhausen. . Olga Grjasnowa liest als Gast des Literaturhauses beim „Buchgestöber“ aus ihrem neuen Roman „Gott ist nicht schüchtern“.

Nichts ist fesselnder als ein gutes Buch. Deshalb veranstaltete die Geschichtswerkstatt an Christi Himmelfahrt wieder das „Buchgestöber“ auf dem Gelände des Zentrums Altenberg. Dort konnten Bücherwürmer sich nicht nur beim Flohmarkt mit neuem Lesestoff eindecken.

Das Literaturhaus gewann die 33-jährige Autorin Olga Grjasnowa für eine Lesung aus ihrem aktuellen Buch „Gott ist nicht schüchtern“. Die Literaturliebhaber erwartete ein zweistündiger Blick in eine völlig fremde und auf grausame Art faszinierende Welt. Eine Welt, die gar nicht so weit weg und doch so schwer zu fassen ist.

Es ist das Jahr 2011 in Syrien und der arabische Frühling hat fast alle Länder im Nahen Osten erreicht. Amal ist angehende Schauspielerin und lebt in Damaskus. Als sie bei einer Demonstration gegen das Regime von Baschar al-Assad gesehen wird, beginnt für sie die teuflische Abwärtsspirale.

Die Geschichte eines Volkes am Abgrund

Hammoudi ist Schönheitschirurg und lebt in Frankreich. Weil er seinen Pass verlängern möchte, reist er in seine syrische Heimat. Dort verweigern die Behörden ihm die Rückreise. Als die Revolution losbricht, ist Hammoudi mittendrin und leitet bald ein Untergrund-Krankenhaus.

„Gott ist nicht schüchtern“ erzählt die Geschichte eines Volkes am Abgrund. Olga Grjasnowa beschreibt mitreißend und unverblümt Amals und Hammoudis Ohnmacht. Sie erzählt von ihrer Verzweiflung über das Grauen, das ihnen im syrischen Bürgerkrieg widerfährt. Ihr Roman lebt von detailreichen Beschreibungen, drastischen Vergleichen und zwei starken Protagonisten.

Der Geheimdienst plündert Amals Wohnung, sein Bruder erlebt als Soldat willkürliche Massenhinrichtungen: Die Autorin erfasst die Schrecken des Krieges der Regierung gegen das eigene Volk, obwohl sie selbst nie in Syrien war.

„Mich interessiert, wie es dazu kommen konnte“

Olga Grjasnowa stammt aus einer jüdischen Familie aus Baku in Aserbaidschan und kam mit elf Jahren nach Deutschland. Die Mutter von zwei Kindern ist mit einem syrischstämmigen Schauspieler verheiratet. Parallelen zur eigenen Biographie verneint sie zwar – die Motive von Aufbruch, Abschied und Flucht sind ihr jedoch nicht fremd.

„Mich hat beim Schreiben vor allem interessiert, wie es dazu kommen konnte.“ Von ihrem Mann hatte Olga Grjasnowa viel über die Situation in den arabischen Ländern gelernt. „Was in den Nachrichten kommt, sind nur kurze Ausschnitte.“ Amal gelingt die gefährliche Flucht über das Mittelmeer nach Berlin. „Sie hasst es, als Muslimin und Schmarotzerin angesehen zu werden, und sie hasst sich selber“, schließt die 33-Jährige ihre Lesung.