Oberhausen. . Eine geschliffene Rede des Festivalleiters eröffnet die 64. Kurzfilmtage. Chef der Staatskanzlei lobt den streitbaren „Geist von Oberhausen“.
Die kulturpolitischen Themen des Eröffnungsabends glichen auch bei den 64. Internationalen Kurzfilmtagen denen der Vorjahre: An den Mängeln der Filmförderung hat sich nichts gebessert, und die „Diktatur des Digitalen“, wie Lars Henrik Gass sie pointiert nannte, schreitet fort. Doch die Form der Kritik durch den Festivalleiter geriet im größten Saal der Lichtburg ungleich stringenter als jene fahrigen Kabarett-Versuche der Festivaljahre „63 -“, die eher ins Ebertbad gepasst hätten.
Stattdessen formulierte der 52-Jährige geschliffen, eröffnete mit einer Würdigung in Moll: Er erinnerte an den jüngst verstorbenen Jörg Waschat als Gestalter für die Kurzfilmtage und dankte seinem Partner und Nachfolger: „Sebastian Kutscher hat uns gerettet.“
Leiter der Kurzfilmtage kritisiert Kasseler Documenta
Kabarettistisches ließ dann jenes Bilder-Quartett vermuten, mit dem Gass in sein Thema einstieg: Die Schlange vor dem Friedericianum der Kasseler Documenta, eine Büste im maroden Filmmuseum von Myanmar, die Kanzlerin und Außenminister a. D. Sigmar Gabriel – und schließlich das jüngst verstorbene Breitmaulnashorn Sudan, der letzte seiner Art.
„Niemals hatte eine Documenta schlechtere Kritiken, niemals mehr Eintritte.“ Der Leiter der Kurzfilmtage sieht im Erfolg solcher Blockbuster-Ausstellungen vor allem einen Erfolg der „Ablenkungsgesellschaft“, denn: „Ich kann gleichzeitig etwas anderes tun, als Kunst zu betrachten.“ Film, Theater und Literatur verlangen dagegen Aufmerksamkeit – „die Zumutung, dass etwas dauert“.
„Wir wollen die Welt anders sehen – und zwar im Kino“
Das Ungleichgewicht der Kulturförderung zugunsten der bildenden und darstellenden Künste illustrierte er – natürlich – am Beispiel der Elbphilharmonie „Elphi“: Deren Baukosten von 800 Millionen ergäben für jede der 80 deutschen Großstädte eine Kinemathek, so Gass, „auf höchstem technischen Niveau“. Sollte dies möglich werden, wollte er bayrisch reagieren: „An dem Tag hänge ich mir ein Kreuz ins Büro.“
Tatsächlich aber förderten Land und Bund nicht die Filmkunst, sondern die Filmwirtschaft: kommerziell ausgerichtet und „Teil einer streng nationalen Agenda“. Seinem internationalen Publikum erklärte Gass: „Kultur ist mit Nachfrage-Regelung schlecht beraten. Wir wollen die Welt anders sehen – und zwar im Kino.“ Anhaltender Applaus.
OB Schranz sinniert zu „neuem Oberhausener Manifest“
Der Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei muss wohl geahnt haben, dass sein Loblied der Digitalisierung bei den widerständigen Kurzfilmtagen kaum verfangen dürfte. So pries Nathanael Liminski „den Geist von Oberhausen“ als zuverlässig streitbar – und „manchmal etwas anstrengend für alle anderen“. Der 32-jährige CDU-Politiker erkannte: „Die Kritik an der Filmförderung wird nie alt.“
Zwar sinnierte auch Daniel Schranz „vielleicht braucht es ein neues Oberhausener Manifest“ – ansonsten aber sprach der Oberbürgermeister als Eröffnungsredner der Kultur als Standortfaktor das Wort: „Wir sind einer der Urban-Entertainment-Standorte Europas.“ Das meint dann eher den Dreiklang Gasometer, Arena und Musical-Theater.
An solchen Spielstätten allerdings wären so intime und feinfühlige Einblicke in eine nahe Fremde niemals möglich – wie sie die Kurzfilmtage nach den Reden beispielhaft „Emmelsum“ präsentierten: Das kleinste der elf Dörfer von Voerde ist nur eine Radtour entfernt. Eva Könnemann hatte für ein Porträt herausgeputzter Vorgärten und vereinstreuer Bürger bereits den Deutschen Kurzfilmpreis und eine „Lola“-Statuette gewonnen. Sie durchfährt zwar mit dem Frachtkahn „Connemara“ die Emmelsumer Schleuse, verharrt aber vor den Baumarkttüren der Klinkerhäuser und wahrt „Das offenbare Geheimnis“ – so der Titel dieses Doku-Kleinods.