oberhausen. . Rock-starkes Konzert der 70er-Jahre-Band Epitaph im Gdanska: Fast 50 Jahre nach Bandgründung wäre der Bassist eine Zierde für jedes Rockmuseum.
Keine schlechte Leistung, bald 50 Jahre nach Bandgründung noch zu Dreiviertel in Originalbesetzung antreten zu können. Und das trotz mancher Irrungen und Wirrungen, die auch die mehrfach beerdigte und immer wieder auferstandene deutsche Legende „Epitaph“ im Laufe ihrer bewegten Geschichte nicht verschonte.
Jetzt feierten die vier Rocker um den Briten Cliff Jackson mit vielen in Ehren ergrauten Fans plus einigen Youngstern mit gutem Musikgeschmack eine fabelhafte Zeitreise bei „Gitarrissimo 673“ im gut besuchten Gdanska-Saal. Schon der Anblick von Bernie Kolbe schoss einen schlagartig weit zurück in die 70er – der Mann steht wahrscheinlich als bedrohte Spezies unter Artenschutz und wäre eine Zierde für jedes Rockmuseum.
Als britischer Soldat im Einsatz
An einem prächtigen Rickenbacker-Bass zupfte er jedenfalls mächtig druckvolle Lines zum effizienten Getrommel seines alten Kumpels Jim McGillivray, der 1964 schon beim Epitaph-Vorläufer, der Cover-Band „Red Roosters“, taktvoll die Richtung für den Gitarristen Cliff Jackson vorgegeben hatte.
Der war mit gerade 19 als britischer Soldat nach Dortmund gekommen und mit seiner R’n’B-Band „The Chicago Sect“ ein ziemlicher Hit im ganzen Ruhrgebiet. „Wir hatten immer gut zu tun“, erinnert sich der in Sheffield geborene Enkel eines dort legendären Arbeiterführers. „Und tagsüber habe ich Panzer repariert. Ich war Spezialist für einen berühmten Rolls-Royce-Motor, der schon in den Spitfire-Flugzeugen verbaut war.“ Als er dann 1969 mit den Jungs von Red Roosters die Rock-Band Epitaph gründete, habe er sich aus der Armee freigekauft: „Für 2600 Mark, das war damals viel Geld.“
Was dann kam, ist längst deutsche Rockgeschichte, die Cliff Jackson mit geradlinig gespielter Gitarre ebenso genüsslich wie unprätentiös in aller Ausführlichkeit rekapitulierte. Und dabei die Hauptrolle als Lead singer bescheiden seinem Bassisten Bernie Kolbe überließ, der sich dabei jederzeit auf die Textsicherheit seines Publikums verlassen konnte. Während am rechten Bühnenrand der grauhaarige Lockenkopf Heinz Glass über einen – echt wahr – weißen Marshall-Top-Amp seine silberne Stratocaster durch alte und neue Epitaph-Hits mit packendem Charme jagte und dazu mit Cliff Jackson den stimmgewaltigen Chor gab.
Eine starke Show, die ganz ohne Kraut in bester US-Manier beinhart rockte und souverän bewies, dass man sich um ein Epitaph – einen alle Verdienste würdigenden Grabspruch – für diese Legende noch lange keine Gedanken machen muss.
>>> EPITAPH GING 1973 AUF ROCKTOUR DURCH DIE USA
Epitaph tourte 1973 als eine der ersten deutschen Rockbands durch die USA. 1974 erschien auf „Billingsgate Records“ ihr legendäres Album „Outside The Law“. Die Pleite der Plattenfirma im Jahr 1975 verhinderte damals den internationalen Durchbruch, zumal alle Einnahmen in der Konkursmasse landeten.
Später Trost: Vor kurzem sind die verschollen geglaubten Original-Bänder der Chicago-Sessions wieder aufgetaucht, erzählte Cliff Jackson dem Gitarrissimo-Veranstalter Jürgen Reinke.