Oberhausen. . Lehrer, Schüler und Eltern halten den Hauptschulplan der Politik für nicht umsetzbar. Denn sie haben dafür zu wenige Kräfte, zu wenige Räume.
Sie sind nicht bereit „eine weitere Benachteiligung ihrer Kinder hinzunehmen“, sagen die Elternvertreter der drei Oberhausener Realschulen. Sie sind nicht mehr bereit, die „Konsequenzen einer katastrophalen Bildungspolitik auszubaden“. Gemeint ist der Plan von Schulamt und Stadtrat, an den Realschulen Hauptschulbildungsgänge ab Klasse sieben einzurichten. So soll ein Schulangebot für diejenigen Schüler geschaffen werden, bei denen in der Erprobungsstufe (Klasse fünf und sechs) festgestellt wird, dass sie einen mittleren oder höheren Schulabschluss wohl nicht schaffen werden.
In einer Klasse unterrichten
Hauptschulen gibt es in Oberhausen nicht mehr, die letzte (Alstaden) schließt im Sommer ihre Pforten, so hatte es die Politik entschieden. Sie zieht jetzt den Paragrafen 132c des NRW-Schulgesetzes heran, der zur „Sicherung von Schullaufbahnen“ erlaubt, Hauptschulbildungsgänge an Realschulen einzurichten. Beide Schülergruppen sollen in der Regel in einer Klasse unterrichtet werden, in bestimmten Fächern (wie Arbeitslehre für Hauptschüler) aber auch getrennt.
Ihr entschiedenes „Nein“ zu den Plänen haben die drei Realschulen in Stellungnahmen gegenüber der Stadt deutlich gemacht. In der jüngsten Sitzung des Schulausschusses konfrontierten Lehrer, Schüler und Eltern die Schulpolitiker lautstark mit ihrem Protest. Im Gespräch mit dieser Zeitung machten danach Vertreter der Schulkonferenzen und die Schulleitungen ihre Positionen noch einmal deutlich. Und weisen auf die aus ihrer Sicht großen Probleme hin, die diese Entscheidung mit sich brächte.
„Es fehlen die personellen, räumlichen und sächlichen Ressourcen dafür“, sagt Erika Ilgen, Leiterin der Friedrich-Ebert-Realschule. Schon jetzt sind an allen drei Realschulen rund 20 Prozent der Lehrerstellen nicht besetzt. Es falle Unterricht aus, Arbeitsgemeinschaften und Förderangebote für Regelschüler müssten gestrichen, Nebenfächer gekürzt werden. Differenzierungsräume, um Inklusion zu verwirklichen, fehlten – erst recht für einen zusätzlichen Hauptschulbildungsgang, der für das Fach Hauswirtschaft (Arbeitslehre) eine Küche benötige. Die zwei Küchen an der Friedrich-Ebert- und Anne-Frank-Schule müssten dringend saniert werden.
Auf Kritik stößt auch der gemeinsame Unterricht von Haupt- und Realschülern. „Dann werde ich keinem Kind mehr gerecht“, sagt Achim Brandt, Lehrer an der Friedrich-Ebert-Realschule. „Wir sind nicht überfordert, weil wir nicht wollen oder nicht können, sondern weil das nicht machbar ist.“ Die Hauptschule habe ihr Konzept und die Realschule auch, „wenn man das in einen Raum packt, dann ist das so, als ob ich zwei Filme im gleichen Saal zeige“, sagt Gregor Klasen, Lehrer an der Anne-Frank-Realschule.
Milla Maibach, Schülersprecherin an der Theodor-Heuss-Realschule, sorgt sich um die Lerngeschwindigkeit, wenn auch Hauptschüler in der Klasse sitzen: „Dann brauchen wir noch mehr Zeit, um im Unterricht ein Thema zu besprechen“ – zum Nachteil derer, die einen Realschulabschluss machen oder sich gar auf eine Qualifikation für die Oberstufe vorbereiten wollen. Einfach nur lernen wolle ihre Tochter, sagt eine Mutter, und dass sie das Gefühl habe, dass die Regelschüler im Schulsystem mittlerweile benachteiligt sind.
Ende der Hauptschulen ein Fehler?
„Mit diesem Vorhaben sollen Dinge repariert und verpflastert werden, die vor Jahren falsch gemacht wurden“, sagt Markus Förster, stellv. Schulleiter der Anne-Frank-Realschule, und meint damit auch die Entscheidung, alle Hauptschulen in Oberhausen zu schließen.
Zudem bezweifeln die drei Realschulen die Notwendigkeit für ein solches Angebot. Zum Ende des vergangenen Schuljahres hätten 15 Schüler von allen drei Realschulen nach der Klasse sechs abgehen müssen, zwei bis drei Schüler prognostizieren sie pro Schule für das aktuelle Schuljahr. Für diese Schüler seien genug Plätze an den Gesamtschulen vorhanden. Allerdings: Das gilt vor allem für die Gesamtschule Osterfeld, die noch achtzügig angelegt ist, die aber kleiner gefahren werden soll.
Nun findet ein Gespräch mit der Bezirksregierung statt – mit Schuldezernentin Elke Münich, OB Daniel Schranz und den Realschulen. Dann sollen Entscheidungen über die weitere Planung fallen.
Nicht miteinander gesprochen
„Frau Ilgen, so kann man doch nicht miteinander reden!“ Das habe sie nach dem lautstarken Auftritt im Schulausschuss zu hören bekommen, sagt die Leiterin der Friedrich-Ebert-Realschule. Von wem genau, sagt sie nicht. „Als wären wir die, die andauernd mit den Trillerpfeifen durch die Lande ziehen“, schüttelt Ilgen den Kopf.
Die drei Schulleitungen, aber auch Eltern und Lehrer sind enttäuscht von den Reaktionen auf ihren Protest. Eine Mutter erzählt, sie sei auf dem Feierabendmarkt in Sterkrade von einem Kommunalpolitiker angegangen worden, sie habe sich doch nur instrumentalisieren lassen. „Als wenn ich nicht selbst denken und entscheiden könnte, wofür oder wogegen ich mich einsetze“, ärgert sich die Frau. Sie hätten ihre demokratischen Grundrechte wahrgenommen. „Schüler sollen doch zu mündigen Bürgern erzogen werden und dann wird kritisiert, dass sie an einer Demo teilnehmen“, wundert sich die Runde aus Eltern, Lehrern und Schülern.
Kritik von Realschulleitern
Die Leitungen der drei Realschulen kritisieren, auch im Namen ihrer Schulkonferenzen, dass die Schulverwaltung erst spät eine Stellungnahme eingeholt hat und im Vorfeld überhaupt nicht mit ihnen gesprochen worden sei – weder von Seiten der Stadt noch der Politik. „Wir haben schon im Dezember 2017 schriftlich darum gebeten, vor dem Schulausschuss sprechen zu dürfen“, sagt Erika Ilgen. Kurz nachdem der Rat die Schulverwaltung beauftragt hatte, die Einführung von Hauptschulbildungsgängen an den Realschulen zu prüfen und vorzubereiten. Es sei keine Reaktion erfolgt.
„Wenn man uns nicht hören will…“ sagt Ilgen und zuckt mit den Schultern. Frank Petry, Lehrerrat an der Theodor-Heuss-Realschule, findet: Wenn die Stadt oder die Politik in Oberhausen ein Problem feststelle, dann sollte eigentlich die Kommunikation beginnen und dann sollten sich die Entscheider das Fachwissen von den Beteiligten vor Ort holen. „Das vermisse ich nicht zum ersten Mal.“