oberhausen. . Anna Polke trägt souverän das Solo als Krankenschwester Bertha in „Das dritte Leben des Fritz Giga“ von Christian Franke.
Ilse Werner tiriliert aus einem fast mannshohen Volksempfänger den Durchhalte-Swing der Weltkriegsjahre: „Sing ein Lied, wenn du mal traurig bist.“ Die einstige Stadtkasse, spätere Rathaus-Kantine, mit ihren wie Kelche hochgewölbten Säulen changiert in der Wirkung zwischen blätterndem Art Deco und Bunker-Tristesse. Anna Polke im Kittelkleid und mit streng gebändigter Frisur stupst mit dem Besenstiel an die hohe Wanduhr: So wird aus halb Acht fünf vor Zwölf. „Das dritte Leben des Fritz Giga“ kann beginnen.
Soviel vorweg: Um die wenigen gesicherten Fakten zum kurzen Leben des Oberhausener Antifaschisten Fritz Giga (1899 bis 1937) schrieb Autor und Regisseur Christian Franke einen klugen Text, der Pathos nur sehr verhalten einsetzt. Der Wink mit dem Besenstiel war da schon ein eher drastischer Fingerzeig. Und Anna Polke, in dieser Spielzeit bisher unterfordert, trägt souverän das Solo als Krankenschwester Martha.
„Das muss doch alles seine Ordnung haben“
Der Auftakt gleicht in gutem Sinne Volkstheater. Die Stadt erwartet die amerikanischen Truppen; weiße Laken hängen aus den Fenstern – sie sind Martha längst nicht weiß genug. Ob Tischwäsche oder die Kapitulation 1945: „Das muss doch alles seine Ordnung haben.“ In einem schon fast Beckett’schen „Dialog“ mit dem alten Willy, der sich beim Leichenbergen schmutzig macht, kommt das Gespräch auf Fritz Giga, den Kommunisten.
Ein halb-munteres Selbstgespräch zur Stunde Null erreicht so jenen November 1934, im zweiten Jahr des SA-Terrors, als der im Polizeipräsidium gefolterte und aus dem dritten Stock gestoßene Giga erst ins Leichenschauhaus kam und dann ins Krankenhaus zu „Dr. Espenlaub“. So nennt Martha den wegen seiner jüdischen Ehefrau ängstlichen Chirurgen.
Fünffache Schädelfraktur, 13 Knochenbrüche, innere Blutungen. Das lässt sich noch in größter Sachlichkeit aufzählen. Martha stutzt beim Wort „Verbrennungen“ in der Krankenakte: „Sie haben ihm ein Hakenkreuz auf den Bauch eingebrannt.“ Wie sie, aus der roten Dunkelschlag-Siedlung und Frau eines Hilfspolizisten, im Krankensaal dem SA-Trupp entgegentritt – mit innerem Zittern und äußerlicher Gelassenheit – damit beweist Anna Polke: Eindringliches Spiel kann überzeugend aus der Zurückhaltung wirken.
Volksempfänger plärrt „Es geht alles vorüber“
Und der Text des 35 Jahre jungen Christian Franke trifft den Ton der dunklen Zeit ohne Knallchargerei. Die bedrohlichen Auftritte im Krankensaal – „Der Giga soll endlich seinem Totenschein Folge leisten“ – wiederholen sich. Schließlich trifft jener Trupp ein, der Martha stutzen lässt: „Sie haben alle die weißen Kragenspiegel der Anwärter.“ Sie nehmen den Schwerverletzten mit. Tatsächlich waren es seine Retter in einem tollkühnen Coup des Widerstands.
Der Volksempfänger plärrt „Es geht alles vorüber“. Martha ruft ins Publikum: „Kommen Sie doch mal mit!“ In der früheren Küche ist es eng für die 50 Zuschauer – und es wird beklemmend im gekachelten Raum. Martha erzählt vom Besuch der Mutter Fritz Gigas im Krankenhaus „am Grab ihres lebenden Sohnes“ und erzählt von den Bunkernächten der Kriegsjahre.
Wieder unter den Kelchsäulen hat sich der Raum verwandelt: Esstische sind fein eingedeckt, eine zum Schwan gefaltete Serviette in jedem Suppenteller. In fast völligem Dunkel spricht Martha, erkennbar nur im Widerschein ihres weißen Kittels, einen großen dunklen Traum-Monolog wie von Nelly Sachs oder Paul Celan über den „Meister aus Deutschland“. Großer Applaus; Anna Polke nimmt Christian Franke fest an die Hand.
>>>>>>> Platz ist nur für jeweils 50 Zuschauer
Der Eingang zur Spielstätte Rathaus-Kantine befindet sich neben dem Haupteingang des Rathauses – gut sichtbar dank des großen Theater-Plakats. Miterleben können „Das dritte Leben des Fritz Giga“ nur jeweils 50 Zuschauer.
Weitere Aufführungen folgen in dieser Woche am heutigen Dienstag und am Donnerstag sowie am Montag, 30. April. Karten kosten 14 Euro, ermäßigt 5 Euro, und können vorbestellt werden unter 0208 - 8578 184 oder online theater-oberhausen.de