Oberhausen. . Ein Unfall in Meerbusch schreckt die Oberhausener Bürgerinitiative auf: Verletzte mussten 90 Minuten auf Hilfe warten. Das kann Leben kosten.

Die Diskussion um die Sicherheit der dreigleisigen neuen Betuwe-Linie zwischen Oberhausen und dem Rotterdamer Hafen hält unvermindert an. Aufgeschreckt hatte die Bürgerinitiative „Betuwe – so nicht!“ (BI) und angrenzende Kommunen das Zugunglück bei Meerbusch-Osterath Mitte Dezember: Als ein Regionalexpress auf einen Güterzug auffuhr und die Oberleitung beschädigte, konnten Rettungskräfte erst nach 90 Minuten zu den Verletzten im Zug vordringen, weil zuvor der Strom abgeschaltet werden musste.

„In Meerbusch mussten die Fahrgäste 54 Minuten warten, bis der Notfall-Manager der Deutschen Bahn AG erschien, und weitere 30 Minuten, bis der Strom abgeschaltet, die Leitungen geerdet waren“, kritisiert nicht nur die Bürgerinitiative. Städte und Bürger wollen von der Bahn Taten sehen: Schon 1998 hieß es in einer Vereinbarung zwischen Ländern und Bahn: „Die Bahn wird sicherstellen, dass Fachberater spätestens 30 Minuten nach Alarmierung für die Feuerwehren zur Verfügung stehen.“ Schon diesen Zeitrahmen hält die BI für nicht akzeptabel.

„Wir brauchen ein dichteres Netz an Notfallmanagern“, sagt Manfred Flore, Sprecher der Bürgerinitiative.
„Wir brauchen ein dichteres Netz an Notfallmanagern“, sagt Manfred Flore, Sprecher der Bürgerinitiative.

In Schreiben an die Landesregierung fordert die BI dazu auf, diese möge endlich eigene Einwendungen im laufenden Planverfahren für den Ausbau der Strecke erheben. Sie müsste die bisherige Position aufgeben, dafür nicht zuständig zu sein. „Es kann nicht sein, dass die Kommunen entlang des Gleises als Verantwortliche für Gefahrenabwehr und Katastrophenschutz vom Land allein gelassen und bei der Bahn um Sicherheitstechnik betteln müssen“, heißt es in einem der Schreiben.

Frist von acht Minuten gefordert

Manfred Flore, Sprecher der Bürgerinitiative Betuwe in Oberhausen, ergänzt: „Der für uns zuständige Notfallmanager sitzt in Duisburg.“ Von dort aus sei es nur unter günstigen Umständen möglich, innerhalb von 30 Minuten in Oberhausen zu sein. Bei ungefährlichen Entgleisungen möge das ja ausreichen, nicht aber, wenn Menschen gefährdet seien.

Langfristig muss nach Ansicht des Oberhausener SPD-Ratsherren das Stromabstell-System geändert werden. In Deutschland sei dafür der Notfallmanager zuständig, in den Niederlanden könnten die Feuerwehren selbst da­für sorgen. Dies zu ändern, dagegen wehre sich die Bahn aber mit Händen und Füßen – wegen der hohen Kosten. „Dann aber brauchen wir zumindest ein dichteres Netz von Notfallmanagern“, fordert Flore. Schließlich würden auf der Strecke, anders als in den Niederlanden, Güter und Reisende zugleich befördert.

Ausschnitt der Betuwe-Linie.
Ausschnitt der Betuwe-Linie.

Gleich nach dem Unglück in Meerbusch-Osterath forderten die an der Betuwe-Strecke gelegenen Kommunen, die 30-Minuten-Frist endlich aufzugeben. „Es ist nicht nachvollziehbar, warum die kommunalen Feuerwehren bis zu 30 Minuten auf einen Verantwortlichen der Deutschen Bahn AG warten müssen, bis ein sicheres Tätigwerden möglich ist“, schreiben sie darin und fordern für die Bahn die gleiche Hilfsfrist wie für die Rettungsdienste. Diese beträgt acht Minuten.

Land will Sicherheitsfrage mit der Bahn besprechen

In ersten Reaktionen auf die Kritik am System des Notfallmanagers der Bahn teilt Tobias Dunkel, Sprecher im NRW-Innenministerium, mit, man habe sich über die Vorgänge bei Oste­rath ausführlich berichten lassen. Die Sache sei nicht zufriedenstellend verlaufen. „Wir werden die Regelung bei der nächsten Fachbesprechung auf Län­derebene mit der Bahn aufgreifen.“ Entscheidend sei aber, wie das Eisenbahnbundesamt als Aufsichtsbehörde damit um­gehe.

„Der Notfallmanager hat die Verpflichtung, sich schnellstmöglich zum Ereignisort zu begeben“, betont auch eine Bahnsprecherin in Frankfurt. Je nach Lage könne eine Erdung allerdings sehr komplex sein. „Es gilt, die Sicherheit der Einsatzkräfte und Fahrgäste zu gewährleisten.“ Zwar könne man wegen der noch nicht abgeschlossenen Untersuchung des Un­glücks keine konkreten Angaben machen, aber: „Die Bahn erfüllt die Anforderungen aus der Vereinbarung mit den Ländern.“ Die Funktionsfähigkeit ihres Sicherheitsmanagementsystems werde regelmäßig gegenüber dem Eisenbahnbundesamt nachgewiesen. Auch sei es üblich, sich nach einem Einsatz über möglicherweise nötige Verbesserungen auszutauschen.

>>>Der Ablauf des Einsatzes in Osterath

Nach Angaben der Leitstelle des Rhein-Kreises Neuss ging der Notruf über das Zugunglück am 5. Dezember um 19.28 Uhr ein. Eine Minute später war die Feuerwehr Meerbusch alarmiert. Dann muss nach der Vereinbarung zwischen Bundesländern und Bahn auch die zuständige Notfall-Leitstelle der Bahn informiert werden. Um 19.34 Uhr waren die ersten Einsatzkräfte vor Ort.

Der Notfallmanager der Bahn aber muss erst etwa eine Stunde später dort gewesen sein. Denn als Zeitpunkt für das Abschalten der Oberleitung wird 20.47 Uhr genannt. Geerdet war die Strecke dann um 21.16 Uhr, 108 Minuten nach dem Eingang des Notrufs.

Gegen Mitternacht waren alle Verletzten dann endlich aus dem Zug geholt.