Oberhausen. . Die Vogelpopulationen im Stadtgebiet stehen seit Jahren unter Druck. Bebauen von Brachen verstärkt Problem. Rebhuhn und Kiebitz verschwunden
Es fliegen wieder mehr Vögel in den Gärten Oberhausens herum. Das zeigte die Zählung bei der „Stunde der Wintervögel 2017“ (wir berichteten). Das könne aber nicht darüber hinweg täuschen, dass es seit vielen Jahren einen erheblichen Artenschwund in Oberhausen gebe, erklärt Michael Tomec, beim Oberhausener Naturschutzbund (Nabu) der Experte für die Ornithologie. „Längst haben wir das Rebhuhn, die Grauammer und das Schwarzkehlchen verloren. Und inzwischen ist auch die Haubenlerche verschwunden.“
Vor allem betroffen seien Vogelarten, die das offene Land brauchen, sich also eher von Gärten und Parks fernhalten. „Ein Grund für den Rückgang oder sogar den Verlust so vieler Arten ist, dass ihr Lebensraum immer mehr verschwindet“, sagt Tomec. Häufig sei die intensive Landwirtschaft ein wesentlicher Grund dafür.
In Oberhausen trage jedoch vor allem das Bebauen von Freiflächen dazu bei – wie beim Cento und in jüngster Zeit am Waldteichgelände, auf dem sich Unternehmen angesiedelt haben. „Dadurch fehlt den Insekten die Nahrung, diese wiederum werden von den Vögel gefressen. So setzt sich eine Kette fort“, führt Michael Tomec aus. Fehlt die Nahrung, können weder Insekten noch Vögel überleben.
Besorgt über Autobahnkreuz-Umbau
Gerade die Industriebrachen im Stadtgebiet waren Ersatzlebensräume für viele Tierarten. Sogar der Kiebitz lebte bis in die 1990-er Jahre mit 30 Brutpaaren in Oberhausen – dort wo heute das Cento steht. Inzwischen ist er verschwunden. „2017 hat noch ein Paar zu brüten versucht, aber ohne Erfolg,“ bedauert Tomec.
Mit der Bebauung am Waldteich verschwand unlängst der auch Flussregenpfeifer. In Kürze, befürchtet der Nabu, werde der Ausbau des Oberhausener Autobahnkreuzes für weiteren Artenschwund sorgen: „Hier wird nur nach Kosten entschieden, nicht nach Erfordernissen der Umwelt“, beklagt Tomec.
Sieht die Sache bei den Offen-Land-Vögeln eher schlecht aus, haben sich die Populationen der gefiederten Gartenbewohner etwas verbessert – jedoch nach einem extrem schlechten Vogeljahr 2016. Alles in allem verschwindet aber auch in Gärten immer mehr Lebensraum. Tomec: „Viele Hausbesitzer holzen große Bäume ab, Vorgärten werden mit Kies zugeschüttet.“ Beim Mauersegler verzeichnet der Nabu einen Rückgang von rund 70 Prozent, weil es an Brutmöglichkeiten fehlt. Auch der Haussperling, der Spatz, ist längst ein seltener Gast. Pfiffig hingegen sind die Buntspechte, die in Ermangelung geeigneter Bäume ihre Bruthöhlen auch mal in eine Hausfassade aus Styropor hacken.
Bedroht sind hingegen die baumbrütenden Dohlen, sagt der Vogelfachmann. Er appelliert an Eigentümer und Wohnungsgenossenschaften, beim Sanieren von Häusern Nisthilfen einzuplanen: „Auch kann man im Garten verschiedene Pflanzenarten setzen und Nahrung schaffen für Insekten und Vögel.“ Insgesamt, so Tomec, stelle sich Oberhausen zweigeteilt dar: „Der Norden ist viel artenreicher als der Süden, dem es an Freiflächen mangelt.“ Jenseits des Kanals leben noch Schwarz- und Mittelspechte und einige wenige Exemplare der Goldammer.
Grünfinken sind die Gewinner
Bei allen Negativmeldungen gibt es aber auch Gewinner: Der Bestand an Grünfinken ist gewachsen: „1988 haben wir etwa sieben Paare gezählt, heute sind es rund 25.“ Auch Neubürger hat Oberhausen zu verzeichnen. Im Lohfeld und im Osterfelder Stadtwald leben seit einiger Zeit Graugänse.
Michael Tomec hofft, dass in Zukunft das Thema Artenvielfalt in den Köpfen der Menschen an Bedeutung gewinnt: „Dabei kann jeder mit einfachen Mitteln etwas tun – vom Schaffen von Nistmöglichkeiten, über heimische Pflanzen im Garten und auf Balkonen bis zur Vogelfütterung.
>>>>INFO: Auf große Reinlichkeit achten
Wer gefiederte Gartenbewohner füttern möchte, kann dies tun, sagt Michael Tomec (Nabu Oberhausen). Dabei sollte allerdings auf große Reinlichkeit geachtet werden; Häuschen und Wasserstelle müssen regelmäßig gründlich gesäubert werden, sonst können sich Krankheiten ausbreiten. Der Nabu verweist aber auch darauf, dass das in Hausnähe angebotene Futter in erster Linie Vogelarten wie Meisen, Rotkehlchen oder Amsel zugute kommt, um die sich die Naturschützer weniger Sorgen machen. Futtersilos sind besser als -häuschen geeignet, denn dabei können die Tiere nicht im Futter herumlaufen und es mit Kot verschmutzen. Das senkt die Übertragung von Krankheitserregern. Außerdem verdirbt darin das Futter nicht, und sie müssen normalerweise nur vor und nach der Wintersaison gereinigt werden.