Ortsmarke. . Im randvollen Literaturhaus liest Ralph Hammerthaler aus „Marktstraße“: 90 Buchseiten zeichnen 18 Porträts – als Vignetten und Monologe.

„Schleimer“ – so hart urteilte die kritischste Stimme im bis über den Rand vollen Literaturhaus (denn auch nebenan in der Weinlounge saß man vor einer Live-Übertragung). Ralph Hammerthaler aber blieb standhaft: „Sie können mir die Liebe nicht ausreden.“

Erwartet hatte der „Straßenschreiber“ aus Berlin-Kreuzberg in Oberhausen „vier graue Wochen – und es kam ganz anders“. Ein „Liebesroman“ ist der 90 Seiten schlanke Band mit dem Titel „Markstraße“ dennoch nicht geworden – denn dazu gehen einige seiner Gesprächspartner mit den anderthalb Kilometern doch zu hart ins Gericht. Zwölf ausführlichere Porträts – der 52-jährige Autor nennt sie „Auftritte“ – versammelt das Büchlein im Selbstverlag des Literaturhauses, jeweils mit einem Foto von Markus Paul Smieja.

Ralph Hammerthaler schaffte es aus dem verspäteten Zug von Berlin gerade noch pünktlich ins Literaturhaus.
Ralph Hammerthaler schaffte es aus dem verspäteten Zug von Berlin gerade noch pünktlich ins Literaturhaus. © Michael Dahlke

Doch eigentlich sind’s 18 Menschen der Marktstraße, die der Literat aus dem oberbayrischen Wasserburg mit großer Sympathie vorstellt: Denn neben den größeren Monologen von Antonio Contini bis Wolfgang Wonsyld gibt’s auch in den Zwischenkapiteln die kleineren Skizzen mit Smalle, dem Rapper, oder aus dem Café Bauer.

„Wird das eine Marketing-Broschüre?“ Die Frage hatte Hartmut Kowsky-Kawelke als Vorsitzender der Literaturhäusler gleich entschieden verneint: „Nein, es ist ehrlich, gerade ‘raus.“

Mieder und alles Menschliche

„Ohne den Schuss Wahnsinn wäre das Projekt nicht gelungen.“ Ralph Hammerthaler meinte es als Kompliment – auch an Setzer und Drucker, die nur vier Wochen nach seinem Monat an der Marktstraße die ersten 200 Exemplare gedruckt hatten. „Die Marktstraße hält einen in Atem.“ Und dann meinte Hammerthaler auch noch: „Der Ruhrgebietsroman wird kommen.“ Allerdings wohl kaum innerhalb eines Monats.

Als Lese-Profi wusste der frühere Stadtschreiber von Dresden bis Pristina natürlich, mit welchem der zwölf Monologe er sein Publikum sofort um den Finger wickelt: mit Felicitas Höltges Einblicken ins Dessous-Geschäft. „Ein Stück weit muss ich Psychologin sein.“ Und was für eine: Sie erzählt von „Lustkäufen“ und „Lustmolchen“ – die sie am Blick erkennen kann. Aber der hilfsbereite Pommes-Mann gegenüber hat ja einen Blick auf ihren Laden. Auch in jenem Sinn, „dass die Männer da manchmal stehen und Beifall klatschen, mittags auch Banker.“ Einer „Miedertante“, wie sie sich selbst nennt, ist eben nichts Menschliches fremd.

Ralph Hammerthaler war aber auch so ehrlich, von einer gescheiterten Recherche zu erzählen: „An die Filialisten kam man noch nie ran“, das hatte ihm schon Uhrmacher Axel Schmiemann gesagt. Der Straßenschreiber fand zwar eine gesprächsbereite, freundliche Verkäuferin bei „Tedi“ – doch die Geschäftsführung gab keine Erlaubnis zum Interview. Hammer­thalers Fazit: „Es ist leichter mit dem Militär zu sprechen, als mit dem Glied einer Ladenkette.“

Fast schon therapeutische Sitzung

Thomas Böhne, einer der zwölf in Bild und Text Porträtierten und zugleich der Drucker von „Marktstraße“, dankte herzlich für die „fast schon therapeutische Sitzung: Das Tonband hatte mich nach zehn Minuten nicht mehr gekümmert.“ Und auch die Lesung im bayrischen Tonfall fand Anklang beim Chef der Druckerei Richtscheid: „Ich wünschte, es gäbe noch ein Hörbuch von dir.“

Von Zekeriya übrigens, dessen Kehrmaschine sich Hammerthaler für den stimmigen Schluss todesmutig in den Weg gestellt hatte, erfuhr er ein Jubiläum: Seit 25 Jahren sorgt der Fahrer von der türkischen Schwarzmeerküste für die abendlich gefegte Marktstraße. Der Straßenschreiber nahm sein Publikum in die Pflicht: „Sie müssen ihm gratulieren!“

>>>>>>>>>> Erhältlich zum Selbstkostenpreis

Vom ersten Schwung der Erstauflage verkaufte das Literaturhaus die ersten 100 Exemplare gleich am Lese-Abend mit Ralph Hammerthaler. Die Oberhausener Buchhandlungen, so sie einverstanden sind, werden nun mit dem Buch „Marktstraße“ bestückt. Nachauflagen, sagte Thomas Böhne, könne er innerhalb einer Woche drucken.

Das Buch im Eigendruck des Literaturhauses kostet 9,90 Euro. „Wir verkaufen es zum Selbstkostenpreis“, sagt Hartmut Kowsky-Kawelke. Eine ISBN-Nummer gibt’s nicht, das wäre in so kurzer Zeit nicht machbar gewesen. Wer im Buchladen keinen Erfolg hat, kann „Marktstraße“ auch im Literaturhaus, Marktstraße 146, oder nebenan in der Weinlounge „Le Baron“ kaufen.