Traditionsgaststätte Kleine-Natrop aus Alstaden sucht dringend einen neuen Pächter. Die Familie gibt den Treffpunkt in vierter Generation auf.
Nicht nur in Alstaden kennen sie dieses markante Eckhaus, zentral im Ortskern gelegen, verziert mit dem Schriftzug „Im Krug zum grünen Kranze“. Und nicht nur in Alstaden werden sie die Betreiber vermissen. Die Wirtsfamilie Kleine-Natrop zieht sich in der vierten Generation, nach fast einem Jahrhundert, aus der Gaststätte zurück.
„Wir suchen intensiv einen neuen Pächter“, sagt die amtierende Gasthaus-Chefin Saskia Kleine-Natrop unserer Redaktion. „Der Betrieb läuft zur Karnevalszeit weiter und darüber hinaus noch bis zum 31. März. Das ist für uns der letzte Tag.“ Die Zeit ist knapp.
Keine leichte Entscheidung
Leicht ist diese Entscheidung im Oberhausener Süden freilich nicht gefallen. Doch Saskias kleiner Sohn Till, muntere drei Jahre alt, erfordert die volle Aufmerksamkeit der Mami. Kneipen-Managerin in einem immer schwieriger werdenden Gewerbe und alleinerziehende Mutter — ein nur schwer zu vereinbarendes Doppel.
Großmutter Ria nickt. Die 82-Jährige ist in Alstaden seit Jahrzehnten eine Institution. Dass sie es nun ruhiger angehen lässt, hat sie sich längst verdient. Ria kennt die Alstadener Geschichten und die Alstadener kennen Ria.
Nachfolger gesucht
Ihr Schwiegervater Johann Kleine-Natrop übernahm 1923 das Gasthaus. Gemeinsam mit ihrem Mann Rudolf schlug sie Anfang der 1960er Jahre ein neues Kapitel Kneipengeschichte auf. Der Ehegatte starb 1989, Ria machte zunächst alleine weiter. Ihr jüngster Sohn Martin führte die Familientradition fort. Martin Kleine-Natrop verstarb vor vier Jahren. Rias Enkelin Saskia, die vorher viele Jahre mithalf, wurde vor rund fünf Jahren Chefin hinter dem Zapfhahn — in der vierten Generation.
Nun suchen sie gemeinsam einen Nachfolger. Das Gasthaus soll Alstaden unter einer neuen Führung möglichst erhalten bleiben. „Wir suchen etwas, das zu Alstaden passt“, sagt Ria Kleine-Natrop. „Kein Hokuspokus, sondern etwas Solides!“ Sie weiß, wie ihre Gäste im Stadtteil ticken. Gutbürgerliche Küche, die Frikadellen – natürlich hausgemacht – sind legendär. Auch als Treffpunkt für Vereine hatte das Gasthaus immer seine Bedeutung. Karnevalisten der Alstadener Bären, Aktive des Sozialverbandes VdK und Fußballer von Schwarz-Weiß Alstaden treffen sich hier. Eine eigene Kegelbahn lockt. Kirche und Friedhof befinden sich in der Nähe: Rauen gibt es im rund 100 Sitzplätze fassenden Gasthaus häufig.
Freud und Leid nah beieinander
Einige Gäste wissen schon vom Abschied. „Ich dachte, ich könnte hier noch meine Beerdigung feiern“, hat ihnen ein Gast kürzlich mit einem Augenzwinkern gesagt. Freud und Leid lagen bei Kleine-Natrop immer nah beieinander.
Die Hoffnung auf einen Pächter geben sie deshalb nicht auf. Früher, als noch die Straßenbahn über die Bebelstraße rollte, hieß es im Volksmund nicht: „Wir steigen an der Bebelstraße aus!“ Sondern: „Bei Kleine-Natrop!“ Die Straßenbahn gibt es hier längst nicht mehr. Doch ein Orientierungspunkt ist das Traditionshaus in Alstaden bis heute geblieben.
>>> Mehr Konkurrenz für Kneipen
Über Jahrzehnte familiär geführte Gasthäuser, die plötzlich einen neuen Pächter suchen: Für Thorsten Hellwig, Sprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in Nordrhein-Westfalen, ist dieses Thema nicht neu. Die Eckkneipe hat es schwer.
„Die Zahl von Gaststätten hat sich nicht verringert, sehr wohl aber die Ausrichtung der Betriebe“, sagt Thorsten Hellwig. Der Wandel des Ausgehverhaltens sei ein Spiegel der Gesellschaft: Der Markt ticke schneller, viele Gäste seien auf der Suche nach Events, die Konkurrenz für die Eckkneipe habe deutlich zugenommen. „Das Warenangebot von Bäckern ist umfangreicher geworden, Supermärkte bieten fertige Speisen-Menüs an“, analysiert Hellwig. „Das hat es früher so nicht gegeben.“ Trotzdem sei es auch heute sehr wohl möglich, eine traditionelle Kneipe erfolgreich zu führen, macht er potenziellen Pächtern Mut. Die Vorbereitung auf die Existenzgründung werde immer wichtiger. „Man sollte eine Zielgruppe definieren und sich ein Gefühl für die Umgebung verschaffen.“
Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband biete daher Gründerseminare an. Für die Pächtersuche arbeitet der Verband mit Onlinebörsen zusammen, um Gastwirte zu unterstützen.