Oberhausen. . Videokünstler Bert Zander wirbt um Mitspieler für sein Projekt zum Ende der Theater-Spielzeit. Sie sollen Passagen aus „Schuld und Sühne“ lesen.

Kurzes Aufzeigen. „Zwölfeinhalb Prozent Wissende“ erkannte Bert Zander in seinem Publikum. Sie hatten jenen gewaltigen Roman von Fjodor Dostojewski bereits gelesen, der gut 800 Buchseiten mächtig ist – oder in ungekürzter Hörbuch-Lesung 21 CDs umfasst.

Mit Dramaturgin Elena von Liebenstein war Zander, der Videokünstler und Regisseur, ins Druckluft-Café gekommen, um sein Bühnen- und Film-Projekt „Schuld und Sühne“ vorzustellen. Und schon beim ersten von insgesamt fünf „Casting“-Terminen fanden sich viele Interessenten ein. Es könnte also klappen, 120 Mitwirkende zu finden, die für die aufwendige Inszenierung Textpassagen aus Dostojewskis Roman von 1866 in die Kamera sprechen. Wird es jetzt ein Film oder ein Bühnen-Schauspiel? Die Frage war für einige nach dem schwungvollen Einstieg ins Thema noch nicht beantwortet. „Theater mit einem großen Video-Teil“, so die Antwort Bert Zanders. Der 45-Jährige hat für über hundert Bühnenproduktionen Videos in Szene gesetzt.

Größter Kriminalroman aller Zeiten

Aber noch nie mit einer Hundertschaft wie nun in Oberhausen. Während manche Schauspiel-Fassungen dieses „größten Kriminalromans aller Zeiten“, so Elena von Liebenstein, fast klaustrophobisch in der Gedankenwelt des Studenten und Doppelmörders Rodion Raskolnikow verharren, will Zander daraus einen Chor aus vielen Einzelstimmen gestalten. Er selbst nennt’s ein „Puzzle“.

„Wir sind im Kopf von Raskolnikow“, sagt der Regisseur. „Wir wollen diesen Brocken lesen“, ergänzt die Dramaturgin, „in einem Setting, das ihr selbst aussucht“, sei’s am Arbeitsplatz, sei’s ein Lieblingsort in der Stadt. „Keiner muss etwas auswendig lernen.“ Die Spielaufgabe lautet: erstens, vorlesen und zweitens, den jeweiligen Textteil in eigenen Worten nacherzählen. Dafür vereinbart das Film-Team im März individuelle Termine. Es gibt also keinen gemeinsamen Auftritt – weder auf der Bühne noch vor der Kamera – aber dafür eine Team-Premiere.

Bewusstseinsstrom wie bei „Ulysses“

Die Anmerkung aus dem Publikum, dieser „Krimi“ sei eigentlich ein psychologischer Roman, traf genau die von Bert Zander anvisierte Linie: „Dieser Roman ist wie ein Bewusstseinsstrom“ – wie „Ulysses“ von James Joyce, allerdings ein halbes Jahrhundert früher vollendet. Im besten Fall, so der 45-jährige Filmemacher, werde die Komposition aus seinen filmischen Puzzle-Teilen „etwas Dokumentarisches“ werden: „Eine Stadt beschreibt, was geschieht.“

Denn Raskolnikow ringt schwer mit seiner Schuld. Das Verbrechen ist bereits nach den ersten 100 Seiten geschehen. Im Epilog nach weiteren 700 Seiten verbüßt der Mörder, der sich selbst gestellt hat, acht Jahre Haft in Sibirien. „Es ist fast eine Auferstehung“, sagt Bert Zander. „Ich mag das sehr, wie es endet.“ Das Stimmen-Puzzle wird den Wandel von Schuld zu Sühne herbeigeführt haben.

Termin und Kontakt

Am Samstag, 13. Januar, ist noch einmal Gelegenheit, sich von Bert Zander und Elena von Liebenstein „Schuld und Sühne“ als filmisches Stadtprojekt erläutern zu lassen – und zwar um 15 Uhr im Pool des Theaters am Will-Quadflieg-Platz.

Die Premiere ist für Freitag, 8. Juni, „irgendwo in Oberhausen“ angekündigt.

Weitere Mitspieler können sich per E-Mail an Dramaturgin Meike Sasse anmelden: sasse@ theater-oberhausen.de