Oberhausen. . Der Pianist gestaltet mit Eva Kurowski die Jazzkarussell-Konzerte. In seiner Wahlheimat Amsterdam ist der 52-Jährige in vielen Bands unterwegs.
Ziele sollten nie zu niedrig hängen – und Dirk Balthaus scheint noch Großes vorzuhaben mit dem Jazzkarussell. „Das Domicil ist eines unserer Vorbilder“, wirft der Pianist lässig ins Gespräch. Nun ja, das ehemalige Kino in der Dortmunder Innenstadt taucht auf „Downbeat“- Listen regelmäßig als einer der 100 besten Jazzclubs der Welt auf.
„Auch wir würden uns gerne weiter umschauen, auch internationale Bands verpflichten“, sagt der enthusiastische 52-Jährige. Das „Wir“ schließt natürlich Eva Kurowski ein, die Dirk Balthaus auf einem Duo-Album und in Konzerten begleitete, und mit der er das Jazzkarussell-Programm gestaltet. Gebürtige Oberhausener sind beide.
Allerdings war der Schüler am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium schon auf dem Weg zur Kirchenmusik, als er mit 15 den Jazz für sich entdeckte – „eine ganz neue Welt“. Ein Schulfreund spielte Saxophon, gemeinsam hörten sie John Coltrane und Bill Evans, denn Klavier und Orgel waren schon damals Dirk Balthaus’ Instrumente. „Ich habe alle mein Rock-Platten verkauft“, erzählt er lachend – „und es bereut“.
Sein erster Jazzlehrer Peter Walther – „eines meiner Idole“, versichert Dirk Balthaus – ermutigte den Abiturienten, sich direkt beim Konservatorium zu bewerben: „Du hast die Finger und die Begeisterung.“ So kam der heutige Wahl-Amsterdamer nach Hilversum, das sich auch als Ausbildungsstätte der niederländischen Rundfunk-Orchester empfahl. Deutschland hatte vor 30 Jahren für angehende Jazzer kaum Gleichwertiges anzubieten.
Dirk Balthaus nennt sich verschmitzt einen „braven Studenten“. Die konzertanten Lehrjahre in kleinen Clubs und Kneipen sollten noch folgen. Allerdings spielte er zur Finanzierung des Studiums in der „Belushi Memorial BB-Band“ das Blues-Brothers-Repertoire aus altem R’n’B, Soul und Blues – eigentlich nicht seine Musik.
„Immer montags“ in Osnabrück
Was also ist seine Spielart des Jazz? Stilistisch will er sich, nach über 30 Alben als Sideman und weiteren unter eigenem Namen, nicht einsortieren: „Da kann ich nur Falsches sagen.“ Aber der Amsterdamer aus Oberhausen hat ja in der niederländischen Musikpresse einen ganzen Schwung begeisterter Kritiken eingesammelt: Als „begnadeter Erzähler“ und als „Poet“ am Klavier. „Er sucht nicht das Spektakel“, schrieb Jazzism, „sondern die Melodie und bezwingende Harmonien“.
Und er ist bemüht, Können und Begeisterung weiterzugeben: Schon als 29-Jähriger lehrte Dirk Balthaus am Konservatorium in Osnabrück – „immer montags“. Bei Freunden wurde übernachtet, dann ging’s zurück nach Amsterdam.
Und er bestätigt das „Fietsen“-Klischee: „Alles ist mit dem Fahrrad zu erreichen.“ Klavierschüler unterrichtet er inzwischen im heimischen Studio; sein bevorzugter Konzertsaal als Treff der freien Jazzszene ist „gleich um die Ecke“. Und die Konkurrenz hat Metropolen-Niveau. „Die Musikhochschule bringt jedes Jahr 30 neue Jazzmusiker auf hohem Niveau hervor.“
Talentförderer ist der 52-Jährige auch. Als Pianist, Produzent und Co-Komponist begleitet er die Karriere der jungen Sängerin Sietske Roscam Abbing, die ihren Singer-Songwriter-Jazz mit den feinstgeschliffenen Texten auch schon beim Jazzkarussell vorstellte. „Sie ist eine echte Lyrikerin“, schwärmt Balthaus. Neben diesem Quintett gibt’s – logisch in seinem Liebhaber-Metier – noch etliche weitere Bands.
Zum 100. von Leonard Bernstein
Das Quartett „Braskiri“ zeigt die experimentellere Seite, ohne melodische Tugenden zu vernachlässigen. Das „Millennium Jazz Orchestra“ beansprucht die meiste Zeit und Disziplin. Die Big Band ist eine niederländische Institution und spielte schon mit Granden wie Lee Konitz. „Es kommt immer mal ein Stück Jazzgeschichte vorbei“, meint Dirk Balthaus cool. Zur 2018er „Millennium“-Tournee wird eine Opernsängerin dabei sein. Schließlich gilt es, den 100. Geburtstag von Leonard Bernstein zu würdigen.
>>> Info: Jazzkarussell mit Balthaus und Kurowski
Konzerttourneen in den Niederlanden haben für die Musiker einen großen Vorteil: Nachts ist man wieder zuhause im eigenen Bett. „Aber die Mentalität des Publikums ist anders“, betont Dirk Balthaus. „Orte wie das Gdanska sind leider eher die Ausnahme.“
Gemeint ist: Orte, an denen die Zuhörer sich auch wirklich der Musik widmen wollen. Kneipen-Gigs in Amsterdam können dagegen eher an den Nerven des Musikers zerren: Die Mini-Bühne direkt neben der zischenden Espresso-Maschine und ein Publikum, das den Jazz bestenfalls neben dem Geplauder konsumiert. Das trifft vor allem Musiker hart, die wie Dirk Balthaus die leiseren Töne bevorzugen.
Der Pianist jongliert mit fünf Bands – und zumindest bei „Braskiri“ und der „Millennium Big Band“ ist auch zündendes Blech dabei. „Musikalisch kann ich mir aussuchen, was mir gefällt.“
Sich in Oberhausen nun als Impresario wiederzufinden – „das ist für mich neu“, bekennt Balthaus, „diese Managerrolle. Es ist eine Menge Arbeit – und großer Spaß.“ Ihm imponiert, wie Walter Kurowski das Jazzkarussell aufgezäumt hat: „Kuro hat es 30 Jahre lang jede Woche geschafft, da habe ich Hochachtung vor.“ Das von der Kulturverwaltung verkleinerte Budget (damit auch das neue Jazzfestival „Hömma“ zum Zuge kommt) erlaubt dem Karussell nun noch zwei Konzerte im Monat, 20 im Jahr. Dafür gibt’s jetzt pro Quartal auch zwei Vinyl-Partys und einen Filmabend. „Gute Musiker“, weiß Dirk Balthaus, „gibt’s mehr als genug“. Er bedauert nur, nicht allen Talenten zusagen zu können.
Zum Anschubsen der Karussell-Fahrten im neuen Jahr hat das Macher-Duo sich erst einmal selbst besetzt: Am Donnerstag, 4. Januar, um 20 Uhr spielt im Gdanska das „A’Dam Quartet“ mit Trompeter Jörn Anders, Bassist Sven Schuster, Schlagzeuger Joost Kesselaar, Dirk Balthaus am Klavier plus Eva Kurowski – und zwar Lieblingssongs.