oberhausen. . Auf seinem Weg begleiteten das heute siebenköpfige Team von Pro Familia böse Leserbriefe, Etappensiege und der legendäre Dr. Sommer der Bravo.

  • Etappensiege und sogar der legendäre Dr. Sommer begleiteten das Team
  • Rat bewilligt Mittel für Verhütungsfonds. Schnelle Hilfe für arme Frauen
  • Aktuelles Problem: Nur noch ein Arzt in der Stadt führt Schwangerschaftsabbrüche durch

Zwei Räume, in einem davon eine abgeteilte Ecke für den gynäkologischen Stuhl – so startete die Pro Familia Beratungsstelle in Oberhausen vor 40 Jahren am Friedensplatz. Auf seinem Weg begleiteten das heute siebenköpfige Team böse Leserbriefe, wichtige Etappensiege und sogar der legendäre Dr. Sommer des Jugendmagazins Bravo.

Ein Ratsbeschluss der Stadt hatte 1976 den Weg frei gemacht und eine jährliche Unterstützung von 10 000 Mark zugesichert. 1979 zog das Team an die Langemarkstraße um, aber auch dort waren die Räume rasch viel zu klein. „Wir erhielten immer mehr Anfragen von Schulklassen und Jugendgruppen nach Informationen zu Verhütung, Sexualität und Aids“, kann sich die Ärztin und stellvertretende Beratungsstellenleiterin Dr. Christine Gathmann noch gut erinnern.

Verhütungsbüfett sorgte für böse Leserbriefe

Doch nicht immer stießen die Aufklärungsaktionen der Beratungsstelle auf Gegenliebe: „Vor allem unser Verhütungsbüfett sorgte bei vielen Anlässen für Aufregung und böse Leserbriefe in den Zeitungen.“ 1993 gab’s für das um eine sexualpädagogische Fachkraft gewachsene Team endlich mehr Platz: „Wir zogen an die Bismarckstraße 3 um und konnten dort nun auch eine eigenständige Beratung gegen sexuellen Missbrauch anbieten“, führt Gathmann aus.

Der Ausstieg der Katholischen Kirche aus der Schwangerschaftskonfliktberatung (2001) hatte auch Pro Familia in Oberhausen vor gewaltige Herausforderungen gestellt. Das Team wurde aufgestockt, um die anfallenden Aufgaben bewältigen zu können.

2002 feierte Pro Familia sein 25-jähriges Bestehen. Als Ehrengäste mit von der Partie: Bärbel Höhn, damals Verbraucherschutzministerin (Grüne), und Martin Goldstein. „Goldstein war Arzt und schrieb als erster unter dem Pseudonym Dr. Jochen Sommer für die Jugendzeitschrift Bravo“, erzählt Pro Familia-Leiter Andreas Müller. „Seine Artikel rund um das Thema sexuelle Aufklärung waren legendär.“

Dank für Finanzspritze

2003 folgte für die Beratungsstelle ein Jubiläum, das nachdenklich macht: „Zehn Jahre Anlaufstelle sexueller Missbrauch waren es damals – wir sind es bis heute.“ 2015 geht als Jahr eines wichtigen Etappensieges in die Pro Familia-Geschichte ein: „Es gab eine wichtige Gesetzesänderung, die Pille danach ist nun rezeptfrei in den Apotheken erhältlich“, erläutert Gathmann. Aber auch 2017 gibt es einen nennenswerten Fortschritt. Der Stadtrat hat es soeben beschlossen: Oberhausen stellt der Beratungsstelle 15 000 Euro zur Verfügung, damit sie über einen Verhütungsmittelfonds der Zonta-Frauen weiter Gelder für Verhütungsmittel an bedürftige Frauen zahlen kann. Gathmann mit Blick auf alle Unterstützer dazu: „Danke dafür!“

Doch es bleibt noch viel zu tun. Vor allem das Thema Schwangerschaftsabbruch habe es in sich. „Es gibt in Oberhausen nur noch einen Arzt, der Schwangerschaftsabbrüche durchführt“, sagt Gathmann. Der aber gehe bald in Rente. Dazu kommt: „Fast jeder Hinweis, dass in einer Praxis Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, ist für die Ärzte mit teils gravierenden Nachteilen verbunden.“ Eine ihrer Kolleginnen, erzählt Gathmann, sei wegen einer Ordnungswidrigkeit mit einer Strafe belegt worden, weil sie Frauen bat, zum Schwangerschaftsabbruch Binden mitzubringen. „Nach Paragraf 219a StGB ist Werbung für einen Schwangerschaftsabbruch verboten – was das aber überhaupt ist, ist leider oft reine Auslegungssache.“

Das zeige auch der Fall der Ärztin Kristina Hänel, die auf ihrer Homepage über Schwangerschaftsabbrüche informierte – und dafür wegen verbotener Werbung verurteilt wurde. Die 61-jährige Ärztin aus Gießen und ihre Anwältin legten Revision gegen das Urteil ein. Sie wollen bis vor den Europäischen Gerichtshof ziehen. „Wie wichtig ihr Kampf auch für uns ist, sehen wir an den Frauen, die zu uns kommen und die fast nur in Beratungsstellen wie unserer überhaupt Informationen darüber finden, wo sie einen Abbruch vornehmen lassen können.“