Oberhausen. . Beitrag zum fünften Band der Oberhausener Stadtgeschichte basiert auch auf vielen persönlichen Erinnerungen und soll Mut zum Widerstand machen.
- Historiker widmet Beitrag im fünften Band zur Stadtgeschichte den Widerstandskämpfern
- Das Vorbild der Oberhausener soll anspornen und Geschichte lebendig halten
- Oberschewen kritisiert Geschichtsvergessenheit – zunehmend auch in der Politik
Die letzten Zeitzeugen sterben. Was in der Zeit des Naziterrors geschehen ist, gerät in Vergessenheit. Folge: Tatsachen werden geleugnet oder verdreht. Eine Entwicklung, gegen die sich Klaus Oberschewen mit seinem Beitrag „Niedergeknüppelt, aber nicht widerlegt“ im fünften Band des Sammelwerkes „Oberhausen – Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet“ stark macht. Barbara Hoynacki sprach mit dem Historiker über seine Beweggründe.
In Ihrem Beitrag tauchen Namen auf wie Fritz Janke, Fritz Giga, August Zilian, Hans Müller, Lisbeth Jansen. Warum widmen Sie sich diesen eher unbekannten Widerstandskämpfern?
Um sie und das, was sie getan haben, ins Licht zu rücken. Sie alle haben in unserer Stadt gelebt. Was diese Menschen, darunter Katholiken, Bibelforscher, Kommunisten, SPD-Mitglieder darüber hinaus eint, ist ihr Kampf gegen den Naziterror. Sie haben, wie etwa Hans Müller, Flugblätter in einer heimlich im St. Josef-Hospital eingerichteten Druckerei erstellt. Oder wie Fritz Janke dafür gesorgt, dass die Wahrheit über die Morde am Elsa-Brändström-Gymnasium wach gehalten wird. Einige dieser Oberhausener lernte ich selbst kennen. Die meisten Zeugen der Nazizeit sind bereits verstorben. Jetzt ist es Aufgabe meiner Generation, ihre Erinnerungen lebendig zu halten. Denn dieses Kapitel unserer Geschichte darf niemals geschlossen werden. Das sind wir nicht nur den Opfern, das sind wir uns selbst, unseren Kindern und Enkeln schuldig. Denn leider schwindet das Geschichtsbewusstsein zunehmend – selbst bei unseren Politikern.
Wie meinen Sie das?
Nun, schauen Sie sich die Äußerungen von Außenminister Sigmar Gabriel im Handelsblatt-Interview an. Er griff darin die AfD frontal an und warnte vor dem Einzug „echter Nazis“ in den Bundestag. Dabei saßen die meisten echten Nazis bereits gleich nach dem Krieg und für viele Jahrzehnte im Bundestag. Denken Sie nur an den Naumann-Kreis, eine Gruppe ehemaliger Nationalsozialisten um Werner Naumann, den letzten Staatssekretär des Reichspropagandaministers Joseph Goebbels. Dem Kreis gelang es, durch gezielte Unterwanderung vor allem der FDP ehemaligen Nationalsozialisten aus der mittleren Führungsebene politischen Einfluss zu verschaffen. Unwissenheit, wie Gabriel sie zeigte, ebnet nur den Tatsachenverdrehern der AfD das Feld.
Sie denken an die Rede des AfD-Politikers Baumann im Bundestag?
Ja, der Abgeordnete Bernd Baumann kritisierte die Regelung, den Alterspräsidenten nicht mehr nach Lebens-, sondern nach Dienstjahren zu bestimmen mit den Worten: „Nur 1933 hat Hermann Göring die Regel gebrochen, weil er den politischen Gegner ausgrenzen wollte.“ Baumann bezieht sich hier auf die konstituierende Sitzung des 8. Reichstages am 21. März 1933 – und beweist einmal mehr, dass die AfD vor keiner Geschichtsverdrehung zurückschreckt. Denn es waren die Nationalsozialisten, die unmittelbar nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 daran gingen, in aller Offenheit politisch Andersdenkende, vor allem Sozialdemokraten und Kommunisten, systematisch mit staatlich gedeckten Terrormaßnahmen zu bekämpfen. Gegen Baumanns Strategie hilft nur die genaue Kenntnis der Fakten. Dazu soll mein Kapitel beitragen. Fritz Giga wurde von den Nazis fast zu Tode geprügelt. Schwerverletzt wurde er aus dem Fenster des Oberhausener Polizeipräsidiums geschmissen. Er überlebte und kämpfte im Spanischen Bürgerkrieg weiter gegen Terror und Diktatur. Zivilcourage braucht Vorbilder. Wir haben viele gute in Oberhausen. Ich hoffe, dass möglichst viele Leser sich von ihrem Beispiel anspornen lassen.
>> EINE STADTGESCHICHTE IM RUHRGEBIET
Zum 150. Jubiläum der Gemeindegründung Oberhausens wurde im Auftrag des damaligen Oberbürgermeisters Klaus Wehling ein Stadtgeschichtsbuch erstellt. Unter dem Titel „Oberhausen – eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet“ ist das Werk 2012 im Aschendorff-Verlag erschienen. Herausgeber sind Peter Langer und Magnus Dellwig. Mittlerweile sind vier Bände erschienen, ab dem vierten im Oberhausener Verlag Karl Maria Laufen.
Ende November erscheint der fünfte Band der Reihe. Vorab veröffentlichen wir die vier Beiträge des Bandes in gekürzter Fassung, um Lust aufs Lesen zu machen.