OBERHAUSEN. . Die Übernahme von „Amok“ aus Osnabrück für den Saal 2 überzeugt als teils irrwitzig komische Recherche eines verpfuschten „Theaters im Leben“.
- Wie sich Klamauk und Kalauer angemessen in ein Krimi-Drama einfügen, zeigt „Amok“
- Die erste Premiere im Saal 2 ist die Übernahme einer Inszenierung fürs Theater Osnabrück
- Clemens Dönicke und Dietmar Nieder begeistern mit 90-minütigem Powerplay
Ein Aktenschrank als Bühnenbild, voller Kartons und Ordner. Klingt stumpf? Tatsächlich kann dieses Möbel – nicht nur im Sturz – eine dramatische Wucht entfalten. Als grandiose Spielfläche hat das Bühnenbild von Julia Kurzweg einen guten Anteil am Erfolg dieser Inszenierung für zwei passionierte Schauspieler. Die erste Premiere im neu eingerichteten Saal 2 (bisher bekannt als Malersaal) war bereits ein Dauerbrenner – in Osnabrück.
Vize-Intendantin Patricia Nickel-Dönicke übernahm die von ihr und Regisseur Jan-Christoph Gockel eingerichtete Dramatisierung des Romans von Emmanuel Carrere für den Start in Oberhausen. Neben ihrem Ehemann Clemens Dönicke (neu im „Theo“-Ensemble) spielt als Gast Dietmar Nieder. Beide machen aus der wahren Geschichte eines fünffachen Mörders seiner Familie ein furioses Vergnügen.
Ja, Vergnügen. Denn es ist auch jede Menge Klamauk und Slapstick im Recherche-Spiel um das Leben des Hochstaplers Jean-Claude Romand, in das sich der Bestseller-Romancier Carrere so nachdrücklich verbissen hatte. Das Bühnen-Regal als Klettergerüst und Projektionsfläche für Dias und Filmbilder entspricht so dem „Romand“-Zimmer des Schriftstellers.
Im ersten Teil des Dramas ist das Spiel der beiden Akteure ein fliegender Rollen-Wechsel: Beide sind – aufs Stichwort – mal Carrere, mal Romand, mal der Ermittler der Polizei, mal Ladmiral, Romands bester Freund seit Studientagen.
Ein Leben als Lüge – das macht die Vorgeschichte eines Verbrechens so bizarr, dass es völlig stimmig wirkt, wie die beiden Protagonisten nach Lachern fischen. Und Dönicke und Nieder sind 1a-Angler.
Schließlich ist ihr Anti-Held Romand alles andere als ein Gentleman-Verbrecher, ist auch kein schurkisches Genie, sondern bloß ein verbummelter Medizinstudent, der nach einer verpassten Zwischenprüfung so tut, als liefe seine akademische und berufliche Karriere zielgenau weiter.
Es sind die Verwandten und Bekannten, die Romand ihr Schwarzgeld anvertrauen, das er nicht etwa im nahen Genf anlegt, sondern für sein Familienleben verbraucht. Der frühe Disney-Trickfilm von den „Drei kleinen Schweinchen“ illustriert dieses Kartenhaus eines Zockers, der nur gewinnt, weil allle anderen nicht aufpassen. Bis das ganze Regal krachend umstürzt.
Der herzliche Applaus für Dönicke und Nieder nach 90 Minuten Powerplay war hochverdient. Und im Nachsinnen über „Amok“ werden auch die Gags und Kalauer dieser Inszenierung zu Fragen über das „Theater im Leben“.