Oberhausen. . Je ärmer der Stadtteil, desto weniger Bürger gehen wählen. Dieser Trend hat erheblichen Einfluss auf die inhaltliche Ausrichtung der Politik.
- In Oberhausen gehen bei Landtags- und Bundestagswahlen weniger Bürger wählen als im Schnitt
- Die Wahlverweigerung ist ungleich verteilt: Je mehr abgehängte Bürger, desto geringer die Beteiligung
- Bei niedriger Wahlbeteiligung laufen die Ruhrgebietsstädte Gefahr, in Berlin nicht gehört zu werden
Wenige Tage vor der Bundestagswahl steigt die Sorge von Verbänden, Institutionen und Repräsentanten der Stadt, dass viele Wähler ihr Stimmrecht gar nicht wahrnehmen – auch wegen des beschaulich verlaufenden Wahlkampfes. In Oberhausen weigern sich bei Landtags- und Bundestagswahlen überdurchschnittlich viele Bürger, die Wahlurnen aufzusuchen: 2013 und 2009 warfen rund 50 000 Einwohner der Stadt ihr Wahlrecht für den Bund in die Tonne.
Die Verweigerung des demokratischen Mitbestimmungsrechts hat inhaltliche Folgen für die tatsächliche Politik im Bund – deshalb mehren sich nun die Aufrufe, doch noch zur Wahl zu gehen.
Der Osnabrücker Politologe Prof. Armin Schäfer beobachtet, dass sich die Wahlbeteiligung seit drei Jahrzehnten in Großstädten immer ungleicher verteilt: „Ärmere und Geringgebildete bleiben bei Wahlen viel häufiger fern. Je ärmer ein Stadtteil ist, desto geringer fällt die Wahlbeteiligung aus.“
Lirich-Süd: 44 Prozent wählen nicht
In Oberhausen kann man anhand der Anteile der Stimmverweigerer bei der Bundestagswahl 2013 in den Quartieren sehen, wie es um die Sozialstruktur bestellt ist – ein Sozialindikator. Während in Lirich-Süd nur 56 Prozent wählen, sind es im gut situierten Sterkrader Norden bis zu 81 Prozent. Die Gefahr: Parteien orientieren sich mit ihren Inhalten an Besser- und Gutverdienenden, vernachlässigen die Abgehängten – und deren Probleme. „Gerade in sozialschwächeren Vierteln sollten Bürger unbedingt zur Wahl gehen, um gehört zu werden“, rät Jochen Kamps, Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt.
Niedrige Wahlbeteiligung bedeutet aber auch, dass Parteien mit extremen Positionen dank ihrer meist stark engagierten Anhänger höhere Anteile erzielen. Nicht ohne Grund betrachtet der Unternehmerverband eine hohe Wahlbeteiligung als Bollwerk gegen Demokratiefeinde. „Gehen Sie wählen und stärken Sie die Demokratie! Wir wünschen uns, dass Parteien im Bundestag vertreten sind, die die freiheitliche-demokratische Grundordnung achten“, sagt Vorstandschef Wim Abbing. Die Stimmabgabe für populistische und extremistische Parteien sei Gift für den Wirtschaftsstandort.
Oberbürgermeister Daniel Schranz wertet mit den Revier-Stadtoberhäuptern im Aktionsbündnis „Für die Würde der Städte“ eine hohe Wahlbeteiligung im Ruhrgebiet als entscheidend für die spätere Politik im Bund. „Eine hohe Wahlbeteiligung wird unseren künftigen Mandatsträgern einen kräftigen Schub geben, sich in Berlin dafür einzusetzen, dass der Bundestag eine Kommission zur Wiederherstellung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse beschließt.“ Eine solche Bund-Länder-Kommission hätten bisher nur die CDU, SPD, die Linken und die Grünen zugesagt. Sie soll sich auch um eine Lösung für die hohen Altschulden der Städte kümmern.