Oberhausen. Mit sozialen Themen lässt sich Wahlkampf machen. Das zeigte sich beim WAZ-Stadtgespräch zur Bundestagswahl. Fünf Kandidaten stellten sich vor.

Kinder- und Altersarmut, Arbeitslosigkeit, Bildungschancen: Das Stadtgespräch zeigte, dass den Oberhausenern soziale Themen durchaus auf den Nägeln brennen und dass Politiker damit im Wahlkampf auf Interesse stoßen.

Denn trotz so mancher Gemeinsamkeiten wurde deutlich: Die Lösungsvorschläge der Parteien sind recht verschieden, der Bürger hat am 24. September eine echte Wahl.

Knapp hundert Zuhörer

Beim Stadtgespräch, veranstaltet von der Volkshochschule, dem Gewerkschaftskreis „Arbeit und Leben“ und der WAZ-Redaktion Oberhausen, konnten sich die knapp 100 Zuhörer über die Positionen der Parteien informieren. Zweieinhalb Stunden stellten sich die Politiker den Fragen aus dem Publikum. Auf dem Podium vertreten waren die Bundestagskandidaten der im Oberhausener Rat vertretenen Parteien.

„Was unternehmen Sie in den nächsten vier Jahren gegen Kinderarmut?“, wollte ein älterer Herr wissen. „Kinderarmut ist Elternarmut“, antwortete Niema Movassat (Die Linke). Seine Partei wolle deshalb eine Kindergrundsicherung von 573 Euro einführen sowie einen Mindestlohn von zwölf Euro. Eine kostenlose öffentliche Infrastruktur gehöre dazu, ebenso ein kostenloses Bildungssystem von der Kita bis zum Meister im Handwerk oder Master an der Universität. Finanziert werden soll das Ganze durch eine Steuerreform, die unter anderem vorsieht, dass Vermögende mehr zahlen.

Gebührenfreie Bildung

„Die SPD will Chancengleichheit herstellen, indem die Bildung gebührenfrei ist“, sagte SPD-Kandidat Dirk Vöpel. Auch für die Zahnarzt-Tochter. Vöpel hält nichts von gestaffelten Beiträgen nach Einkommen für Eltern, zum Beispiel bei Kitas. „Gerechtigkeit können wir über ein Steuersystem einführen, nicht über Gebührentabellen.“

Zudem will seine Partei das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern kippen, „weil es in der Bildung unsinnig ist“. So sei der Bund dann mitverantwortlich für die Qualität im Schulsystem.

Beim Stadtgespräch von WAZ, VHS und Arbeit und Leben drängelten sich knapp 100 interessierte Bürger in den Veranstaltungssaal des Bert-Brecht-Hauses in der dritten Etage.
Beim Stadtgespräch von WAZ, VHS und Arbeit und Leben drängelten sich knapp 100 interessierte Bürger in den Veranstaltungssaal des Bert-Brecht-Hauses in der dritten Etage. © Kerstin Bögeholz

Eine Kindergrundsicherung wollen die Grünen einführen, allerdings nur „für bedürftige Familien“ erklärte Patrick Voss. „Wir wollen die superreichen Vermögen besteuern, um solche Projekte zu finanzieren.“ Nur für Bedürftige soll Bildung kostenfrei sein. Man wolle lieber in die Kita-Qualität investieren.

„Erstmal die bestmögliche Qualität schaffen, dann erst können Beiträge abgeschafft werden“: Das erklärt FDP-Kandidat Roman Müller-Böhm. Das „Kindergeld 2.0“ seiner Partei sieht vor, dass die Leistung auch vom Jugendamt zum Wohle des Kindes verwaltet werden kann und nicht an die Eltern ausgezahlt wird, wenn der Verdacht besteht, dass das Geld nicht bei den Kindern ankommt.

„Chancen in der Bildung eröffnen“, will auch Marie-Luise Dött (CDU). Deshalb müsse die entsprechende Infrastruktur gestärkt werden. Geplant sei auch eine Erhöhung des Kindergeldes um 25 Euro im Monat und pro Kind.

Am anderen Ende der Altersskala, bei den Rentnern, bieten die Parteien ebenfalls verschiedene Lösungen an. Um der Altersarmut zu begegnen, will Movassat eine Mindestrente von 1050 Euro einführen, außerdem „zurück zum Rentenniveau von 53 Prozent“ und zum Modell „Alle zahlen ein“.

CDU sieht keinen Bedarf für Rentenreform

„Bei der Rente brennt nichts an“, erklärte dagegen Marie-Luise Dött. „Das können wir in Ruhe angehen“. Die CDU-Frau will Spezialisten dransetzen, die ergänzende Lösungen erarbeiten, etwa für die lückenhaften Erwerbsbiografien von Frauen. Grundsätzlich sei das Rentensystem aber gut aufgestellt.

Alle zahlen in die Rentenkasse ein und es gibt eine Garantie-Rente oberhalb des Hartz-IV-Satzes – das will Grünen-Kandidat Patrick Voss. „Wir wollen eine große Rentenreform“, erklärte SPD-Politiker Dirk Vöpel. Damit soll das Rentenniveau bei 48 Prozent gehalten und die Rentenbeiträge bei 22 Prozent gedeckelt werden. Selbstständige sollten dann ebenfalls in die Kasse einzahlen. Und für Geringverdiener soll es eine Solidarrente geben.

FDP will flexibles Renteneintrittsalter

Ein „flexibles Renteneintrittsalter“ und eine Zusatzfinanzierung der Altersvorsorge über einen „Deutschlandfonds“, der Sparbeiträge in Deutschland investiert, schlug Müller-Böhm (FDP) vor. Die umlagenfinanzierte Rente funktioniere künftig nicht mehr.

In einer Stadt wie Oberhausen mit 9500 Langzeitarbeitslosen ist ein staatlich finanzierter dritter Arbeitsmarkt ein viel diskutiertes Thema. Die Bundestagskandidaten vertraten auch dazu ihre Positionen beim Stadtgespräch.

SPD setzt sich für staatlich bezahlte Arbeit ein

„Es ist auf jeden Fall sinnvoll, Arbeit zu bezahlen und nicht Arbeitslosigkeit“, sagte Dirk Vöpel (SPD). Arbeit gebe es genug und statt jemanden „zum zwölften Mal mit 58 zur Excel-Schulung zu schicken, können wir ihn auch etwas sozial Sinnvolles tun lassen“. Das befürwortete auch Patrick Voss (Grüne) ebenso wie Niema Movassat von den Linken. Diese Jobs müssten sozialversicherungspflichtig und tarifgebunden sein.

Staatliche finanzierte Jobs lehnen dagegen Roman Müller-Böhm (FDP) und Marie-Luise Dött (CDU) ab. „Wir sind strikt dagegen“, erklärte Müller-Böhm. Wenn der Staat sage, „wir versuchen es gar nicht mehr und geben Dir einen Job, dann werden Menschen sozial abgewertet“, so der FDP-Mann. „Wir müssen dafür sorgen, dass sich die Leute selbst verwirklichen können“. Auch Dött erklärte, dass eine Förderung von Arbeitslosen für den ersten Arbeitsmarkt stattfinden müsse.

Linke: CDU und FDP fehlt Lebensrealität

Movassat zeigte sich „entsetzt“ darüber, dass „CDU und FDP soweit von der Lebensrealität entfernt sind. Menschen, die über 58 Jahre alt und langzeitarbeitslos sind, bekommen keinen Job mehr in der Wirtschaft.“ Das Geld fürs Arbeitslosengeld II, die Unterkunft und Schulungen „können wir besser in einen öffentlich geförderten Beschäftigungsmarkt stecken“.