Oberhausen. . „Machet gut, Schwatte!“ erzählt Geschichten rund um die Kohle. Und nimmt Abschied von ihr, denn 2018 schließt in Bottrop die letzte Zeche.

  • Mit Kurzgeschichten nehmen auch Oberhausener Autoren Abschied von der Kohle
  • Unvorstellbar, dass hier einmal 350 000 Kumpel unter Tage malochten
  • Zu den Geschichten über die Kohle gibt es auch noch Gedichte über das Gestein

Es ist eine Liebeserklärung an eine gefährliche Dame in Schwarz, deren Liebhaber die Liaison nicht selten mit dem Leben bezahlt haben. Hubertus A. Janssen, Arzt und Dichter, hat jene Dame „Die Schwatte“ genannt. „Die Schwatte, sie hatte so viele Verehrer, die Hauer, die Steiger, die Herren, die Kehrer“, heißt es in einem Gedicht Janssens. Das Gedicht und Geschichten rund um die Schwatte, das Synonym für Kohle, hat Friedel Wessel zusammengetragen. Wessel, der heute in Herne lebt, ist in Oberhausen an der Teutoburger Straße aufgewachsen. Alle Männer seiner Familie arbeiteten auf der Zeche. Er selbst fuhr noch ein, war Lehrling aufm Pütt, ehe er umsattelte und Journalist wurde.

170 Zechen und 350 000 Kumpel

In einem Vorwort zu seinem Buch „Machet gut, Schwatte! Geschichten zum Abschied von unserer Kohle“ erinnert Wessel an seinen Opa August. Als der um 1900 aus dem Kohlerevier im Saarland ins größte Kohlerevier Deutschlands, ins Ruhrgebiet, kam, gab es hier 170 Zechen und 350 000 Kumpel. Auch Wessels Vetter Werner, der noch immer in dem Haus der Familie an der Teutoburger Straße wohnt, arbeitete noch als Bergmann.

Autor Franz Naskrent wiederum lebt seit 1999 in Oberhausen. Seine von der Kohle geprägte Kindheit verbrachte er in Bottrop. In „Draußen, da ist die Freiheit“ schreibt er: „Wir Jungs aus der Bergmannkolonie wollten damals immer nur eins: raus, nach draußen, spielen.“ Seine Jungs, das waren wahre Ritter; sie fochten mit Kohlprengeln um Ehre und Übermacht. Bei einem besonders harten Schwertduell flog dem damals Vierjährigen das Schwert aus der Hand. Klein Franz sprang hinterher - und fiel geradewegs in eine Jauchegrube. Er drohte in der Schweinegülle zu ertrinken. Seine Freunde aber holten Hilfe. Opa Rudolf zog ihn mit einer langen Haken-Stange aus der Jauchegrube. Klein Franz hatte aber nicht eine Sekunde lang sein „Schwert“ losgelassen.

Die Kohle kennzeichnete den Alltag

Opa Rudolf hatte auf Zeche Rheinbaben und Fortsetzung in Bottrop gearbeitet, bis er fast 70 war. „Meine Kindheit war geprägt von Kohle“, erzählt Franz Naskrent. Ganz gleich ob es Kohleberge waren, die zum Heizen sogar auf dem Fahrradgepäckträger angekarrt wurden oder der Eimer Kohle, den man tagtäglich aus dem Keller in den dritten Stock schleppen musste. In den Gesprächen der Verwandten stand die Kohle stets im Mittelpunkt. Zum Beispiel über die Qualität der Kohle („Brassert-Kohle aus Marl galt als miserabel.“). Ob es die Bergleute waren, die schwarz von Kopf bis Fuß, nach der Schicht heimkamen („Sie gehörten zum Stadtbild.“). Nicht zu vergessen die schweren Unfälle, die sich unter Tage ereigneten: „Meine Tante Käthe hat Onkel Nicki nach einem grauenhaften Unglück – er wurde unter Tage von einem Holzpfahl durchbohrt – bereits in den 40er Jahren verloren und musste alleine mit einer kleinen Rente auskommen.“

Die Schwatte zieht sich also zurück. 2018 ist Schicht im Schacht. Mit Bergbau im Ruhrgebiet, mit dem Schwarzen Gold, mit unserer Kohle, verdeutlicht Wessel. Es werde viele Nachrufe geben, viele Abschiedsfeiern und noch mehr Bücher, die sich mit der Geschichte des Bergbaus beschäftigen. „Machet gut, Schwatte!“ werde sehr wahrscheinlich das einzige Buch bleiben, in dem nicht über Bergleute und Kohle geschrieben wird, sondern in dem die „Verbraucher“ der Kohle selbst zu Wort kommen.

18 Autorinnen und Autoren erzählen über Hausbrand und Grubenwehr, Kohlekajal und Kohlenklau, Zeche Hugo und Ernst Kuzorra, Dauerbrenner und Brikett in Zeitungspapier, Deputat und Grubenluft, über eine Halde namens Hilde und Täubchen, die Hänschen hießen.

Erschienen ist das Buch im Verlag Henselowsky Boschmann.