oberhausen. . 300 Fans feiern die Elektro-Punker Egotronic im Druckluft. Wütende Texte - aber kein Platz für Wüteriche: Ein Störer wurde von der Bühne gebuht.
- 300 Fans feierten bei heißen Temperaturen im Druckluft die Elektro-Punk-Band Egotronic
- Die Berliner Gruppe spielte eine Reihe Songs aus ihrem neuen Doppel-Album „Keine Argumente“
- Viele Texte der Punk-Band sind politisch, gesellschaftskritisch, aber auch polarisierend
Das Konzert nimmt gerade Fahrt auf, da ist’s eigentlich schon vorbei: Die Berliner Elektro-Punk-Formation Egotronic dreht vor 300 Fans im Druckluft den Saft ab. „Das geht gar nicht“, meint Sänger Torsun Burkhardt. Er hat in der ersten Reihe einen Bühnenrand-Steher entdeckt, der im Tanzgetümmel mit wilden Tiraden aus der Rolle fällt — und anschließend schwer angeschlagen auch noch auf die Bühne torkelt. Die Egotronic-Anhänger klären den Ausfall selbst und buhen den Störer von der Bühne. Das Konzert ist für ihn nun zu Ende. Für den Rest geht es weiter.
Bei gefühlten 40 Grad ist es in der nicht ganz gefüllten Halle des soziokulturellen Zentrums gar nicht einfach, einen kühlen Kopf zu behalten. Mit austauschbarem Gute-Laune-Punk haben die reifen Jungs von Egotronic gebrochen. Ihre Texte sind politisch, mit sich festbeißendender Gesellschaftskritik versehen und stark polarisierenden Zeilen. Trotzdem stand die Band beim massenkompatiblen Festival „Rock am Ring“ auf der Alternative-Bühne. Und spielte vor drei Jahren beim hiesigen „Olgas Rock“ auf. Im Druckluft ist es dagegen ein intimer Schwitzbesuch, bei dem der Schweiß am Synthesizer auf die Regler tropft und man problemlos aus nächster Nähe die Querstreifen auf der kurzen Hose des Sängers nachzählen kann.
Wenn „Hallo Provinz, du bist so wundervoll“ aus den Boxen erklingt, weiß man, dass dies nicht als Kompliment gemeint ist, sondern als scharfzüngige Abrechnung. Torsun Burkhardt interpretiert die Dorfgemeinschaft als seltsame Sippe, die Entscheidungen willkürlich trifft und kein Platz fürs Anders-sein-Wollen lässt. Ein muffiger verbohrter Mob, also. Streitbare Texte, die ihm freilich ordentlich Widerspruch einbrachten. Erst recht, weil er selbst im besungenen Umfeld aufwuchs. „Viele glauben, dass ich mein Dorf beleidigt habe — und das glauben sie zu Recht.“
Scharfkantige Gesellschaftskritik
Der Song aus der aktuellen Doppel-CD „Keine Argumente“, die Ärzte-Bassist Rod González mitproduzierte, dröhnt auch im Druckluft, macht mächtig Punk. Sie ist ein gesungenes Statement gegen den Mob vor Flüchtlingsheimen. Und auch alles andere als eine Liebeserklärung an Staat und Normalo-Gesellschaft. Scharfkantig und wütend, bei dem beinah das Musikalische verloren zu gehen droht. Denn Egotronic produzierten die Songs der Scheibe zusätzlich in einer 8-Bit-Computerversion. Die Verbindung von minimalistischem Elektro, bei dem C64 und Gameboy Pate standen, kombiniert mit dem Tempo des Punkrocks. Im Druckluft sorgt das für Stage Diving. Alle T-Shirts sind ein Fall für die Wäscheleine.