Oberhausen. . Seit 2008 gibt es die Stolperstein-Aktion in Oberhausen. Viele Steine sind verblichen. Fleißige Helfer sorgten jetzt für neuen Glanz.
- Stolpersteine erinnern an das Schicksal jener, die von den Nazis verfolgt und ermordet wurden
- Viele dieser Steine sind allerdings verblichen und müssen dringend gepflegt werden
- Das geschieht derzeit vielerorts in Oberhausen – zum Beispiel in Sterkrade
Was es bedeutet, wenn Hass und Gewalt sich im Gewand der Staatsmacht ausleben können, darauf hat der erst 2015 gegründete Verein „Willkommen in Oberhausen“ (WiO) am Samstag in der Fußgängerzone in Sterkrade hingewiesen. 19 Stolpersteine, die dort und in der Nähe an Opfer des Nationalsozialismus erinnern, wurden gereinigt und wieder sichtbar gemacht. Vor der Baulücke des ehemaligen Kaiser&Ganz-Gebäudes hielt WiO eine kleine Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an sie ab.
169 solcher Stolpersteine gibt es mittlerweile in Oberhausen. Seit 2008 werden sie hier verlegt. Die Gedenkhalle Oberhausen, die die Erinnerung an die Zeit der Nazi-Herrschaft in Oberhausen wach hält, hatte dazu aufgerufen, den mit Messing beschlagenen Steinen wieder zu Hochglanz zu verhelfen.
„Eigentlich helfen wir Geflüchteten karitativ und vertreten ihre Interessen“, berichtete Mark Saure von WiO. Aber der Verein verstehe sich auch als Bildungsträger zum Thema Flucht. Vielen Verfolgten des Hitler-Regimes blieb ja nur die Flucht.
Vor dem Kaiser&Ganz-Gelände erinnerte Saure an die Verfolgten in Sterkrade, die jüdischen Familien Fruchtzweig, Cohen und Friedler. Mit einem Boykott jüdischer Geschäfte begann die offizielle Verfolgung dieser religiösen Minderheit am 1. April 1933 auch in Oberhausen. „Die Stadtverwaltung hat bereits im Frühjahr 1933 eine eigene Dienststelle – die Abteilung 14 ,Entjudung’ – gegründet, half dabei mit, die Diskriminierung und Verfolgung jüdischer Bürger zu lenken“, trug Saure vor. „Nie wieder darf es zu planvoller, anlassloser und grausamer Ausgrenzung und Verfolgung kommen“, mahnte er. „Nie wieder darf dies von einer schweigenden Mehrheit geduldet, ausgenutzt und befördert werden“, fuhr er fort.
Möbelgeschäft 1938 zerstört
Dann machten sich die Aktiven auf den Weg um die Ecke vor das Haus Steinbrinkstraße 194 bis 196. Dort betrieben die Eheleute Hannelore und Hermann Fruchtzweig bis 1938, ehe es bei der Reichspogromnacht zerstört wurde, ein Möbelgeschäft. Hermann Fruchtzweig (Jahrgang 1878) und seine Frau (Jahrgang 1885) wurden 1941 in das Juden-Ghetto nach Lodz im von Deutschland besetzten Polen deportiert. Ihr Schicksal ist unbekannt. Ihre Tochter Charlotte (Jahrgang 1912) hatte sich schon 1933 nach Frankreich abgesetzt, die jüngere Schwester Irmgard (Jahrgang 1916) ging 1939 nach England. Der älteren Schwester Edith (Jahrgang 1910) gelang 1941 die Ausreise in die USA. Alle drei überlebten. Nachzüglerin Hannelore (Jahrgang 1925) traf dagegen der Judenhass mit voller Wucht. 1935 musste sie das Mädchengymnasium verlassen, wurde von SS-Männern misshandelt und kam 1941 mit ihren Eltern nach Lodz, wo sich auch ihre Spur verliert.
Mit Messingpolitur, Mikrofasertüchern, Bürsten und Seifenlauge rückten die „WiO“-Mitstreiter dem Schmutz auf den Gedenksteinen zu Leibe. Dann ging es weiter zum Haus Steinbrinkstraße 233. Dort wohnte damals der Arbeiter Heinrich Anton Otto (Jg. 1901). Er besaß in den Augen der Staatsmacht den Makel, den Zeugen Jehovas anzugehören, einer streng bibeltreuen Gemeinschaft. 1935 wurde er verhaftet, kam bis 1937 in das KZ Esterwegen/Emsland. Er überlebte die Verfolgung, starb 1960.
„Wir waren am Freitag schon mit zwei Klassen vom Käthe-Kollwitz-Berufskolleg zu anderen Stolpersteinen in Sterkrade unterwegs“, berichteten zwei Berufsschülerinnen. Sie waren wieder gekommen. „Wir halten die Erinnerung für wichtig“, sagten sie. Viele Leute könnten aber mit den Stolpersteinen gar nichts anfangen.