Oberhausen. . Sonst gab es immer ein Fotobuch zum Ende einer Intendanten-Ära. Diesmal drehte Eike Weinreich einen unglaublichen Film.
- Schauspieler Eike Weinreich drehte einen witzigen Film zum Ende der Ära Peter Carp
- Die Persiflage geriet zu einer Liebeserklärung an das Theater, inklusive Elementen der Trauer
- Das Publikum mochte den Film und lachte viel. Später war den Akteuren der Applaus sicher.
„Unruhezeiten.“ Unruhige Zeiten sind es, wenn ein Machtwechsel bevorsteht. Ein Intendant hat Macht im Staate Theater. Peter Carp, Intendant am Theater Oberhausen, geht. Ein neuer Machthaber mit eigenem Gefolge folgt. Schauspieler Eike Weinreich hat mit dem Film „Unruhezeiten“ einen Abgesang auf die Ära Carp geschaffen, der die Welt des Theaters als eine Aneinanderreihung glitzernder absurder Bilder zeigt, bunter als die Schuppen des Regenbogenfisches.
Urkomische Szenen. Hartgesottene Zuschauer schmunzeln, die anderen lachen ungehemmt.
Zu komisch ist aber auch diese Szene, in der Torsten Bauer und zwei Kollegen einen Stoffdrachen tragen. Dabei hat Bauer die „Arschkarte“ gezogen. Das kommentiert er trocken: „Jetzt bin ich schon so lange Schauspieler und muss Ärsche schleppen.“
Noch übler ergeht es dem Lebkuchenmann. Er wurde für eine Szene in die Luft gehievt. Dann müssen seine Kollegen plötzlich alle weg und vergessen den Lebkuchenmann. Der schwingt nun einsam über die Bühne. ,Alle Mitarbeiter des Hauses, Gastschauspieler und Zuschauer spielen mit bei dieser Persiflage, bei der eine hintergründige traurige Melodie mitläuft. Denn was passiert mit den Schauspielern, wenn sie gehen müssen? Anne Polke, im Film einfach Anne, Nachnamen gibt es nicht, sitzt gerade bei der Agentur für Arbeit. „Sind sie wetterfest?“, fragt die Angestellte. Polke verzieht in gewohnt ungläubiger Manie das Gesicht. In in der nächsten Szene sieht man sie dann als Politesse Knöllchen verteilen.
Nichts bleibt vom Glamour
So ein schräges Leben in den seltsamsten Kostümen. Da holt Weinreich die Zuschauer mit eingeschobenen Sequenzen auf den Boden zurück, bei dem ein Herr Sicherheitsvorschriften für den Betrieb herunterbetet. Ist das nur Komik oder ist das schon Brecht?
Wenn die Schauspieler in ihren Wohnungen gezeigt werden, dann bleibt vom Glamour auch nicht viel über. Das Theaterleben ist hart. Und doch hat Eike Weinreich eine Liebeserklärung an das Theater formuliert. Der ganz normale Wahnsinn des Alltags hätte ihm nicht gereicht. Ein Job in einem Büro, nein, nicht für ihn. „Die Leute hier sind doch alle verrückt“. Er selbst ist ja ein besonders Verrückter. In nur wenigen Wochen hat er das Drehbuch geschrieben. Er habe nicht geschlafen, nicht gegessen, aber geraucht. Obwohl er das eigentlich nicht tue. Und so hat er mal eben so eine großartigen Film gemacht. Und keiner im Theater äußerte Unmut über die Länge des Films, mehr als zwei Stunden pralles Theaterleben. Na ja, Weinreich (31) besucht schon einige Zeit die Filmschule in Hamburg.
Er will jetzt Filmemacher werden. Gemessen am Applaus hat sein Erstlingswerk das Potenzial, größer herauszukommen. Denn auch das muss man sagen, obwohl sie plötzlich für einen Film agierten, spielten die Schauspieler gewohnt klasse. Die Mitspieler sind fast alle gekommen, aber ausgerechnet einer der Hauptdarsteller, Thieß Brammer, liegt mit Blinddarmentzündung im Krankenhaus. Da war allerdings noch Moderator Hans Meiser. Er spielt einen Regisseur. Das große Haus jedenfalls war voller begeisterter Zuschauer.