OBERHAUSEN. . Festival-Liebling Bjørn Melhus führt amüsant zu Vorbildern seines Oeuvres. Nur die Plakate in düsterer Unterführung passen nicht ins Gesamtwerk.
- Als sein alleiniger Haupt- und Nebendarsteller erschuf Bjørn Melhus eine parallele Filmgeschichte
- Stets geben O-Töne aus Film- und TV-Klassikern dem 51-jährigen Deutsch-Norweger die Stimme
- Ein vergnüglicher Parforce-Ritt führte zu immerhin 60 von 92 Figuren aus dem Melhus-Kanon
Bjørn Melhus ist gar nicht so kompliziert. Jedenfalls nicht annähernd so Kopfschmerz-erzeugend wie jener Essay, der im Katalogbuch der Kurzfilmtage seinem nun 30-jährigen Schaffen gewidmet ist. Denn der Festival-Liebling seit etlichen Jahren kann sich und seine spaßig-verquere Filmkunst blendend verkaufen. Das gilt gar nicht so sehr für die 92 Gesichter des Bjørn Melhus in der Concordia-Unterführung: zu klein, zu lieblos angekleistert, um an diesem tristen Ort eine erhellende Wirkung zu erzeugen.
Aber als sein eigener Interpret im orangefarbenen Anzug und mit XXL-Zeigestock beweist der 51-Jährige einen zündenden Mix aus Charme, Understatement, Wissen und Gewitztheit. So war’s zu erleben im gut besuchten „Festival Space“, bisher bekannt als Adresse des Spielwarengeschäfts Lausberg. Das passt, denn ein kindliches Staunen – vor allem gegenüber den USA und ihrer Pop-Kultur – zeichnet Bjørn Melhus ebenso aus wie seine bisher „92 Gesichter“ aus Kurzfilmen und Video-Installationen.
Liebe zur Filmhistorie und profundes Wissen
Sympathisch auch, dass der unermüdliche Selbstdarsteller gleich vorweg seiner Getreuesten dankte: Julia Neuenhausen erschafft als bildende Künstlerin barock-prächtige Teppiche, Collagen und Objekte. Und sie sorgt als Kostüm- und Maskenbildnerin seit 25 Jahren für die Verwandlungen des Bjørn Melhus.
Dessen Liebe zur Filmhistorie, im Verbund mit profundem Wissen, sorgt für die zauberischen bis schrägen „Aha“-Effekte seines Schaffens. Am Beispiel seines Frühwerks „Das Zauberglas“ dröselte der Selbst-Referent die Methode Melhus auf: Seine Inspiration und Soundtrack-Quelle war eine Szene aus dem 1950er Western „Der gebrochene Pfeil“: Debra Paget als Indianermädchen bestaunt den sich rasierenden James Stewart und blickt in seinen Rasierspiegel – das „Zauberglas“. Bjørn Melhus zeigt zu diesem O-Ton die Frau (natürlich ebenfalls Bjørn Melhus) im moderneren „Zauberglas“ des Fernsehschirms.
So geht’s im amüsanten Galopp weiter zu immerhin rund 60 der 92 Melhus-Gesichter. Der Deutsch-Norweger referiert die Frage, die US-Fernsehzuschauer in den 1980ern umtrieb: „Sind die Schlümpfe Kommunisten?“ Das bizarre Argument: der Oberschlumpf sieht doch aus wie Karl Marx – und trägt diese rote Jakobinermütze. Bjørn Melhus verwies auf mehrere subversiv-schlumpfige Auftritte in seinem Oeuvre.
Wiedergänger – nicht nur als Cartoon-Figuren – sind ein Prinzip seines längst epischen Schaffens, das die 2017er Kurzfilmtage gleich in drei Profil-Programmen vorstellten. Sein Batikhemd-Hippie namens Big Jim (mit der Stimme von „Doors“- Sänger Jim Morrison) hat als Vietnam-Veteran im neuesten Film „Moon over Da Nang“ bereits seinen dritten Auftritt.
Spielereien eines großen Kindes, das in alten „Star Trek“-Szenen die Schlafanzüge des kleinen Bjørn erkennt? Melhus kann auch bissiger. Mit Akribie nimmt er sich geldgeile Fernseh-Prediger vor. Oder 2014 in „Freedom and Independence“ die Pseudo-Philosophin Ayn Rand, deren Schriften in Millionen-Auflage den Raubtier-Kapitalismus a la Donald Trump rechtfertigen. Sein Zeigestock weist auf historische Beweisfotos: „Sie trug immer ein Dollarzeichen als Brosche.“