Oberhausen. . Fahrige Kabarett-Versuche des Festivalleiters eröffnen 63. Kurzfilmtage. Kulturstaatssekretär Bernd Neuendorf würdigt Engagement für Filmarchive.
„Trink den Leuten ab und zu ein Glas Wasser vor – man sieht das gerne.“ Lars Henrik Gass hat in seiner Eröffnung der 63. Internationalen Kurzfilmtage nicht nur diesen Punkt aus Kurt Tucholskys „Ratschlägen für einen schlechten Redner“ getreulich befolgt. Kulturkritik als Kabarett? Dafür gibt’s sonst ein deutlich kleineres Publikum als im größten Saal der Lichtburg.
So gab der Festivalleiter seinen Gästen wieder den zerstreuten Professor und erntete etliche Lacher, die allerdings zusehends verlegen klangen. Angekündigt hatte der 51-Jährige (im 20. Jahr als Leiter der Kurzfilmtage) „eine alternative Tagesschau“. Als „schwierig“ zu gelten, versicherte Gass mit Blick auf das Jubiläum des Kinderkinos, sei „keine Attitüde“, sei vielmehr „der Versuch, mehr Zugänge zur Welt zu schaffen: Wir sehen Kinder als mündige und freie Menschen“. Und sooo schwierig, das bewiesen dann die sieben Beispiele aus dem Jubiläums-Programm, ist das Kinderkino keineswegs.
Der Festivalleiter würdigte die Leistung der Stadt ohne Hochschule, sich diese Kurzfilmtage zu leisten – holte dann aber rundum aus: Gegen die Sparkasse und ihre Gehaltspolitik einerseits, gekürzte Stiftungs-Zuwendungen andererseits. Gegen den Hype um „Toni Erdmann“, den Beinahe-Gewinner beinahe aller wichtigen Film-Festivals. Mal wieder gegen die Filmförderung. Den NRW-Kulturetat von 0,27 Prozent des Landes-Haushalts nannte Gass höhnisch „eine Menge“.
Das Land hatte zum Eröffnungsabend nicht die Ministerin entsandt. Kultur-Staatssekretär Bernd Neuendorf lobte den „großartigen Ansatz“ der Kurzfilmtage, das Abdriften der „sozialen Medien“ zu beleuchten, indem sie „einen Schritt zurücktreten“ – und an die Vorgeschichte seit den 1970ern erinnern. „Weitsichtig“ nannte Neuendorf auch die nun im dritten Jahr zu erlebende Arbeit mit europäischen Filmarchiven: „Sie zeigen, welche Schätze es zu schützen gilt.“ Der Staatssekretär verwies auf jene zehn Millionen, die das Land zur Digitalisierung dieses Kulturerbes zusammen bringen will. – In seiner späteren Rede allerdings widersprach ihm Gass: „Die Sache ist komplexer und allein mit Digitalisierung nicht zu schaffen.“
Über 1000 Filmschaffende akkreditiert
Der „geballten Fachwelt“ widmete sich als erster Redner Oberbürgermeister Daniel Schranz. Über tausend Filmschaffende, Wissenschaftler und Kritiker aus 60 Nationen sind bis Dienstag in Oberhausen akkreditiert. „Wir zeigen und erleben hier Jahr für Jahr Weltoffenheit.“ Für den OB ein Hoffnungszeichen – gerade angesichts gefährlicher Tendenzen zu Ausgrenzung und Re-Nationalisierung. „Gerade deshalb“, so Daniel Schranz, „ist es wichtig, dass wir uns nicht der Angst hingeben“.
Der Oberbürgermeister verwies auch auf das „Extra-Podium“ am Montag um 12.30 Uhr im Festival-Space: Türkische Künstler und Filmemacher diskutieren dann die autoritäre Wende in der Türkei. Ein Ruf nach Ermutigung.