oberhausen. . Historiker Klaus Oberschewen fordert für die verblassten Schriftzüge der Gedenktafel am „Elsa“: „Frische Farbe, für frische Erinnerungen.“
- Gedenktafel, die an die Morde am Elsa-Brändström-Gymnasium erinnert, verwittert zusehends
- Historiker Klaus Oberschewen appelliert an die Stadtverwaltung, die Schriftzüge streichen zu lassen
- Mahnmal für das grausamste Kapitel der Oberhausener Stadtgeschichte
Klaus Oberschewen bietet seit über einem Jahr historische Stadtführungen an. Der Vorsitzende des Historischen Vereins Oberhausen-Ost rückt dabei gerne Menschen aus unserer Stadt in den Mittelpunkt. Oberhausener, die im Widerstand gegen das Nazi-Regime ihr Leben riskierten – aber heute meist in Vergessenheit geraten sind. Umso erschütterter war er, als er jetzt feststellen musste, dass die Gedenktafel, die an die Morde am Elsa-Brändström-Gymnasium erinnert, bereits stark verblasst ist.
Dabei erinnert diese Tafel an eines der grausamsten Kapitel der Oberhausener Geschichte vor 84 Jahren.
„Warum habt ihr nicht mehr erledigt?“ Diese Frage stellte damals SS-Hauptsturmführer Robert Esser seinen Leuten nach der Ermordung der beiden Oberhausener Konrad Klaas und Leo de Longueville am 5. März 1933 in eben jenem Hof vor der Turnhalle des damaligen Realgymnasiums.
Mit dem Totenkopfring geehrt
In der Halle waren nach dem Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 einige hundert Menschen eingesperrt worden, die die Nationalsozialisten als Bedrohung empfanden. „Die Gefängnisse waren überfüllt mit Gegnern der Hitler-Diktatur, deshalb wich man auf Turnhallen und sogar Tankstellen aus“, sagt Oberschewen. Klaas und de Longueville sollten die ersten von unzähligen Ermordeten aus Oberhausen werden.
„Robert Esser befehligte später eine Truppe, die maßgeblich an der Misshandlung und Erschießung von politischen Gegnern und rassisch unerwünschten Menschen beteiligt war“, führt der Historiker aus. Dafür sei der SS-Hauptsturmführer 1934 von Heinrich Himmler (damals Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei, ab 1943 Reichsinnenminister) mit dem Totenkopfring geehrt worden.
Polizeipräsident war überzeugter Faschist
„Wie aber waren Esser und die SS-Mörder an die Namen und Adressen so vieler Antifaschisten gekommen, die Ende Februar, Anfang März 1933 verhaftet wurden?“, fragte sich Oberschewen. Leo de Longueville, August Zilian und Maria Rentmeister seien durch ihre Aktivitäten für die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) bekannt gewesen. Gleiches galt für die SPD-Mitglieder Thomas Tabaschowski, Else und Heinrich Jochem. „Die meisten anderen aber waren unbekannt.“
Die Antwort war erschreckend: „Weil der neue Geist mit dem Major a.D. Karl Niederhoff als neuem Polizeipräsidenten Einzug in das Polizeipräsidium Oberhausen hielt.“ Niederhoff war überzeugter Faschist und verkündete kurz nach seiner Amtseinführung: „Wir sind in erster Linie Soldaten und davon überzeugt, dass das Reich wieder auf soldatischem Boden aufgebaut werden muss. Wir sind auch bereit mitzutun, wenn es heißt: An die Wand mit Verrätern und Meuterern!“ Mit Niederhoff in leitender Funktion hatten die Faschisten Zugriff auf alle Karteien, Dateien und Personenregister der preußischen Polizei.
Nach dem Reichstagsbrand eröffnete Adolf Hitler die deutschlandweite Hetzjagd auf Andersdenkende – mit schwerwiegenden Folgen auch in Oberhausen.
Esser ließ sich als Mitläufer einstufen
Und was wurde nach dem Krieg aus Robert Esser? Historiker Klaus Oberschewen: „Gegen Esser wurde in der Nachkriegszeit ein Verfahren wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit geführt.“
Als Angehöriger der Waffen-SS in Osteuropa soll er an der massenhaften Tötung von Juden und Partisanen beteiligt gewesen sein. „Das Verfahren wurde schließlich aber aus Mangel an Beweisen im Dezember 1949 eingestellt.“
Die Stadtverwaltung Oberhausen bescheinigte Esser zwar: „Robert Esser war von sämtlichen Beamten der Stadt Oberhausen der größte und am meisten fanatische Nationalsozialist.“
„Können Vergangenheit nicht rückgängig machen“
Trotz dieser Beurteilung wurde der Faschist im August 1950 durch den Entnazifizierungsausschuss in Arnsberg als Minderbelasteter eingestuft. „Aber auch dagegen legte Robert Esser erfolgreich Berufung ein“, sagt Oberschewen. Er habe damit künftig nur noch als Mitläufer gegolten.
„Wir können die Vergangenheit nicht rückgängig machen“, sagt Oberschewen. „Aber was wir tun können, ist, an die Oberhausener zu erinnern, die sich gegen Unrecht stark gemacht haben.“ Mit Blick auf die verwitterte Schrift der Gedenktafel an der Schulturnhalle appelliert der Historiker nun an die Stadtverantwortlichen: „Sorgen Sie dafür, dass die Schriftzüge frisch gestrichen werden, damit diese Erinnerungen in den Köpfen unserer Enkel bleiben.“