oberhausen. . Gerd und Werner Lepges schließen ihren Familienbetrieb am Aschermittwoch. Großeltern gründeten das Geschäft 1910. Jetzt fehlt ein Nachfolger.
- Die Großeltern strandeten im Jahr 1910 in Oberhausen, weil ihr Zug defekt war
- Der Betrieb an der Marktstraße wurde schnell zum beliebten Treffpunkt
- Die Nachfolge-Nutzung ist noch nicht geklärt; es laufen derzeit Gespräche
Am Aschermittwoch ist alles vorbei – diesen Satz hat Gerd Lepges viele Jahrzehnte in erster Linie mit dem Karneval verbunden. In diesem Jahr aber bekommt dieser Satz eine viel tiefere Bedeutung: Das Familiengeschäft Mylius-Bircks an der Marktstraße schließt an diesem Tag für immer seine Pforten.
„Es war ein Entschluss des Verstandes“, sagt Gerd Lepges (66), der den Betrieb gemeinsam mit seinem Bruder Werner und seiner Schwägerin Erika (beide 77) führt. „Angesichts des Alters der beiden und meiner Krebserkrankung ist das folgerichtig. Zumal es auch keinen Nachfolger gibt“, sagt der Kaufmann, der eigentlich Jurist werden wollte: „Ich habe auch an der Uni in Köln Rechtswissenschaften studiert. Bis zum ersten Staatsexamen. Dann aber bin ich in den elterlichen Betrieb eingestiegen, in dem ich in meiner Freizeit immer schon mitgearbeitet habe.“ Ein Schritt, den Lepges nie bereut hat: „Dieses Geschäft ist eine wichtige Anlaufstelle in der Oberhausener Innenstadt geworden. Für unsere Mieter, Kunden, Vertreter der Stadt und für Kunstfreunde.“
Letzteres kommt nicht von Ungefähr: Gerd Lepges ist ein Kulturliebhaber, scheut für eine Opernaufführung auch nicht vor Reisen nach Italien oder sonst wohin zurück. Die Kultur wird ihn auch in der Zeit nach dem Geschäft begleiten: „So lange es geht, werde ich in Sachen Theater und Musik reisen. Zurzeit schreibe ich an einem Buch über die neun Jahre von Peter Carp am Oberhausener Theater. Langeweile wird es nicht geben.“
Großeltern strandeten in der City
Mit der Schließung des Hüte- und Mützengeschäfts Mylius-Bircks in der Oberhausener City geht eine Ära zu Ende. Dabei stand Oberhausen eigentlich gar nicht auf dem Plan der Familie Mylius-Bircks. Die Firmengeschichte nahm 1866 in Krefeld ihren Anfang. Kappenmacher Friedrich-Wilhelm Mylius und Dorothea Bircks, die Urgroßeltern der Brüder Lepges, wurden ein Paar und gründeten anno 1854 ihr gemeinsames Geschäft für Hüte und Mützen in der Seidenstadt: „Später sollten meine Großeltern Olga und Johannes Lepges in Wesel eine Filiale gründen, doch ihr Zug kam nach einem technischen Defekt nur bis nach Oberhausen.“ Sie seien über die Marktstraße flaniert und hätten entschieden: Eine aufstrebende Großstadt ist doch auch ein guter Standort. Gesagt, getan – die Marktstraße war 1910 um ein Fachgeschäft reicher.
Den Wandel der City hat Lepges aus erster Hand erlebt: „Handel bedeutet Wandel. Heute besteht für die Marktstraße Handlungsbedarf. Als fußläufige Einkaufsstraße ist sie zu lang. Es gibt Pläne in den Schubladen, das Stück zwischen Alsen- und Düppelstraße für Anlieger und Kunden im Einbahnstraßen-System wieder zu öffnen.“ Dem stehe entgegen, dass die Abschreibung der Fördergelder, die Ende der 1990er Jahre in die heutige Gestaltung der Marktstraße geflossen sind, noch läuft. Damit verbiete sich eine Überplanung: „25 Jahre dauert diese Abschreibung.“
Auch die Bevölkerungsstruktur der City habe sich gewandelt. Hinzu komme, dass Hüte für Herren und Damen derzeit kein modisches Muss sind: „Da hätten wir in Düsseldorf oder Köln eher Kundschaft.“ Neben Hüten, Mützen und Schirmen war Mylius-Bircks jahrzehntelang auch eine Fundgrube für Karnevalsmasken: „Das haben wir aber schon seit einiger Zeit zurückgefahren“, sagt Gerd Lepges.
Wenn sich am Aschermittwoch die Pforten bei Mylius-Bircks endgültig schließen, ist das Schicksal des Ladenlokals noch unklar: „Es laufen Gespräche über eine Nachfolgenutzung“, sagt Lepges, „aber es ist noch nichts spruchreif“.