Oberhausen. . 200 Millionen Euro kostet das große Industrieprojekt „Fernwärmeleitung Ruhr“. Doch die 25 Kilometer langen Rohre sollen am besten verschwinden.

  • Der exakte Verlauf der neuen Fernwärmleitung quer durchs westliche Ruhrgebiet steht fest
  • In Oberhausen werden über zehn Kilometer der 2,5 Meter dicken Doppelrohre verlegt
  • Auch die optischen Landschaftsschäden werden ausgeglichen – etwa durch eine Obstbaumwiese

Keine Region in Deutschland ist so sehr mit Autobahnen, Zugstrecken, Stromkabeln und Industrieleitungen durchzogen wie das Ruhrgebiet – allen Städten voran Oberhausen. Doch wo früher Arbeiter und Chefs mit Stolz auf die im Sonnenlicht glitzernden blechernen Transportrohre von Chemikalien, Öl und Gasen schauten, da fühlen sich die modernen Ruhrgebiets-Bürger heute in ihrem ästhetischen Empfinden nachhaltig gestört.

Selbst an der ollen Emscher entlang soll eines der wenigen neuen Industrie-Großprojekte im Ruhrgebiet, die 25 Kilometer lange und 2,5 Meter dicke Fernwärmeleitung, sensiblen Spaziergängern und Radfahrern nicht auffällig ins Auge stechen. Dafür kaufen die Bauherrn des Röhrenbauwerks, die EVO, die Steag und die Fernwärme Niederrhein, sogar Tarnfarbe ein – mit sattem grünen Ton vor Pflanzen und Bäumen oder in bläulicher Färbung vor Autobahnschildern soll die dicke Leitung optisch verschwinden.

Kritischer Naturschutzbeirat

Burkhard Fahnenbruch, Projektleiter Umweltplanung des Planungsbüros Drecker, stellte jetzt im kritischen Naturschutzbeirat der Stadt Oberhausen den exakten Verlauf der zum Teil unterirdisch, zum Teil aufgeständert verlaufenden Leitung vor.

Das über 200 Millionen Euro teure Vorhaben ist nicht nur ein Prestigeobjekt der rot-grünen Landesregierung, sondern soll die Energie-Infrastruktur im Ruhrgebiet revolutionieren – zugunsten der Umwelt verbindet sie die Fernwärmenetze Niederrhein und Ruhr. Sie transportiert die überflüssig erzeugte Hitze von Müllöfen und Kraftwerken per Wasser dorthin, wo sie in Wohnungen und Fabriken verbraucht wird. So sollen 100 000 Tonnen Kohlendioxid-Emissionen pro Jahr eingespart werden.

Baustart um mindestens ein Jahr verschoben

Die Rohre, die von einem Wartungsweg gesäumt werden, verlaufen vom Bottroper Süden über das Oberhausener Stadtgebiet bis zum Duisburger Norden. Zwar wollte man schon Anfang dieses Jahres mit den Bauarbeiten loslegen, doch nun hat sich durch das komplizierte Planfeststellungsverfahren (Offenlegung noch im März 2017) der Baustart um mindestens ein Jahr verschoben: Schließlich muss die Leitung im dicht besiedelten Ruhrgebiet mal über Trassen, mal unter Autobahnen, mal über Flüsse entlang geführt werden – und immer stimmen Grundstückseigentümer, Politik und Bürgerschaft mit.

NUR ONLINE Fernwärmeleitung in Oberhausen KORR
NUR ONLINE Fernwärmeleitung in Oberhausen KORR © Miriam Fischer

Nach einiger Kritik aus Oberhausen verläuft nun ein größerer Teil der Rohre als zunächst beabsichtigt unterirdisch. Der längste freie Röhrenbereich im Stadtgebiet ist südlich der A42 auf der Brache Vondern zwischen Emscher und Autobahn. Der Landesbetrieb Straßen.NRW hat darauf gepocht, dass die aufgeständerte Freileitung mindestens 40 Meter Abstand von der Autobahn hält – wenn man mal die Autobahn erweitert. Näher an der Straßenböschung hätte man die Rohre besser verstecken können.

Die notwendigen Dehnungsbögen reichen immerhin sieben Meter hoch – und sind dadurch für die zahlreichen Spaziergänger auf der Naherholungsfläche noch aus hundert Meter Ferne zu sehen. „Es gibt zwar keine schwerwiegenden umweltrelevanten Auswirkungen, aber umwelterhebliche“, sagt Fahnenbruch – vor allem durch die optische Beeinträchtigung der Landschaft. Das versucht man abzumildern – eben durch Lackierungen oder neu gepflanzte Gehölzer vor den Rohren im Bereich dieser Brache.

Nach Vondern geht es in bis zu 20 Meter Tiefe unterirdisch per Vortriebsverfahren weiter – bis hinter dem RWO-Stadion. Alle 700 Meter muss ein Zugangsschacht gebaut werden. Zu Beginn der kleinen Emscher wird an der Buschhausener Straße eine Rohrbrücke errichtet.

Steg über der Leitung

Dann wird es für die Bauleute eng: Zwischen der Buschhausener Straße entlang der kleinen Emscher hin zur Stadtgrenze nach Duisburg kann die Doppelrohrleitung nicht mehr unterirdisch verlegt werden. Damit der Naherholungswert der Kleinen Emscher und des Pantoffelparkes nicht sinkt, wird über der Rohrleitung ein begehbarer und per Rad befahrbarer Steg gebaut – die Fernwärmeleitung wird dadurch weitgehend unsichtbar.

Die Umweltgutachter haben die Schäden durch Bauarbeiten und hässliche Rohrleitung bei Pflanzen, Bäumen und Landschaftsschönheit auf der gesamten zehn Kilometer langen Oberhausener Strecke mit Minuspunkten abgeschätzt – diese etwa bis zu 15 Meter breiten Natureingriffe sollen durch die Anlage einer Obstwiese bei der Burg Vondern und Waldmaßnahmen im Grafenbusch ausgeglichen werden.

Während der Bauphase will man zudem Ersatzquartiere für Fledermäuse und Nisthilfen für Vögel schaffen – schließlich müssen auch einige größere Bäume gefällt werden.

Im Naturschutzbeirat war man sich nicht so sicher, ob der geplante Ausgleich für die Beeinträchtigung der Landschaft schon ausreicht – doch die Baufreigabe erteilt am Ende nicht dieser Beirat, sondern die Bezirksregierung Düsseldorf.