Oberhausen- . Mit „Oberhausen on Tour“ erreichen die Kurzfilmtage 22 Länder in Europa, Afrika und Lateinamerika. Schauplätze vom Hinterhof bis zum Filmpalast.

  • Mit seiner zehnten Ausgabe erreicht die Filmtournee „Oberhausen on Tour“ einen neuen Rekord
  • Zu den 55 Schauplätzen in 22 Ländern zählen Kinshasa in Kongo und Wiesbaden in Hessen
  • Grenzen für den globalen Erfolg setzen die englischen Untertitel, die nicht alle akzeptieren

In der Lichtburg starten die 63. Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen am 11. Mai – in Wiesbaden aber geht’s schon in der nächsten Woche los: Die „Caligari Filmbühne“, die mit ihrer Art-Deco-Ausstattung als Deutschlands schönstes kommunales Kino gilt, zeigt bereits am Mittwoch das Kurzfilm-Programm „Hier und da“ zum Leben von Migranten.

Ihr Afrika-Special exportieren die Oberhausener sogar nach Kinshasa, in die Zehn-Millionen-Metropole der Demokratischen Republik Kongo. „Da zeigen wir unsere Filme in einem Hinterhof“, erzählt Carsten Spicher. Was improvisiert klingt, ist in der Mega-City eines bröckelnden Staates eine „etablierte“ Filmfestival-Location.

Plakativ: Carsten Spicher, Projektleiter für „Oberhausen on Tour“, mit dem Plakat nach einem Still des chinesischen Films „Journey“ – wie passend.
Plakativ: Carsten Spicher, Projektleiter für „Oberhausen on Tour“, mit dem Plakat nach einem Still des chinesischen Films „Journey“ – wie passend. © Tom Thöne

Der Archivar der Kurzfilmtage betreut mit der nun zehnten Ausgabe auch die Filmtournee „Oberhausen on Tour“.

Die Zwischen-Bilanz ist bereits ein neuer Rekord: 55 Spielstätten in Europa, Afrika und Lateinamerika, in 22 Ländern, haben Programme der Kurzfilmtage angefordert. „Am Ende der Tour“, weiß Carsten Spicher, „werden es 60 plus x Spielstätten sein“.

Programme laufen auch in fünf NRW-Städten

Eigentlich können Institutionen der Filmkunst während des ganzen Jahres aus der Villa in der Grillostraße Wettbewerbs- oder Themen-Pakete ausleihen. „Oberhausen on Tour“ aber nennt der Archivar, Kurator und Verleih-Chef „eine konzertierte Aktion“ von Februar bis Juni „am liebsten aber vor den Kurzfilmtagen – dann haben wir den Mitnahme-Effekt“. Schließlich laufen die „on Tour“- Programme auch in fünf NRW-Städten, also nahe genug, um Filmfans für Besuche des Oberhausener Ur-Festivals zu begeistern.

Zwar sind inzwischen alle aktuellen Kurzfilme digitalisiert – aber das heißt nicht, dass die Kurzfilmtage ihre Schätze einfach in der virtuellen „Cloud“ versenden würden. In Zentralafrika – obwohl eine Boom-Region des Smartphone-Banking – kommen so große Daten-Pakete nur per Kurier sicher an. Und dieser Kurier firmiert transkontinental selten unter FedEx oder DHL: „Aus zugesagten zwei Wochen können schnell zwei Monate werden“, weiß Carsten Spicher aus Erfahrung.

Goethe-Institute sind enge Partner

„Unsere engen Partner“ nennt er die Goethe-Institute in aller Welt – konkret sind’s 159 Institute in 98 Ländern. Nicht selten nehmen die Institutsleiter persönlich die Film-Daten als Stick oder Scheibe entgegen, wenn sie aus Deutschland an ihr Kulturinstitut zurückkehren.

Natürlich hat auch Carsten Spicher selbst, wie der 50-Jährige mit Understatement sagt, „in 17 Jahren ein bisschen was von der Welt gesehen“: Man verschickt ja nicht einfach Filme, Plakate und schön gestaltete Flyer. „Vermittlung gehört zu unserem Angebot.“

Ihn selbst führt „Oberhausen on Tour“ bald nach Weimar, Zagreb und Ljubljana, in die Hauptstädte Kroatiens und Sloweniens.

Frankreich akzeptiert nur französische Untertitel

An Grenzen stößt der scheinbar grenzenlose Kurzfilm-Service bei den Untertiteln. Frankreich etwa – eine große Kurzfilm-Nation, in deren Kinos nach wie vor die 20- bis 30-minütigen Spielfilme vor dem Hauptfilm zu sehen sind – akzeptiert nur französische Untertitel. Die Länder Lateinamerikas haben sich die Kurzfilmtage mit einem Förderantrag erschlossen, der ihnen die Untertitel in spanischer Sprache finanzierte.

Und wie erlebt der Macher „die Verlängerung des Festivals in die Welt“? Für die Zuschauer, meint Carsten Spicher, „ist es allemal ein Überraschungspaket“ – mal vor kleinen Gruppen, mal vor weit über tausend Menschen im Publikum. Manche wundern sich über den in Oberhausen gepflegten Genre-Mix aus Spiel-, Dokumentar- und experimentellen Filmen.

Kinder brauchen keinen Tonfilm

Kindern machen es die Kurzfilmtage aber besonders leicht. Ob Animation oder Realfilm – die Werke fürs jüngste Publikum kommen meist ganz ohne Worte aus. Hier wird also niemand im Vor-Lesealter an Untertiteln scheitern. Carsten Spicher erinnert sich an ein „begeistertes Feedback“ aus Ecuador, als die Jüngsten sich nach dem Filmerlebnis auf ihre Malblöcke stürzten. Wer braucht da noch Tonfilm?