Oberhausen. . Klaus Oberschewen erzählt die Geschichten vergessener Widerstandskämpfer.Unrecht und ungesühnte Verbrechen sind seine Triebfeder.

  • Klaus Oberschewen hält die Schicksale von Widerstandskämpfern aus Oberhausen fest
  • Die Rückkehr alter Nazis in hohe Ämter blieb ihm stets ein Dorn im Auge
  • Mit seinen Stadtgeschichten „von unten“ ehrte er bereits viele Alltagshelden

Sie haben gegen den Naziterror gekämpft, sind im Angesicht des Todes aufrecht geblieben, haben im Verborgenen Widerstand geleistet, sind streitbar geblieben bis in die Adenauer-Zeit – doch ihre Namen sind in der Dunkelheit des Vergessens verblasst. Die Geschichten der kleinen Leute haben Klaus Oberschewen den Schlaf geraubt. Und so fiel es dem Historiker nie schwer, die Nacht zum Tage zu machen, um aus Dokumentenstapeln einen Alltagshelden nach dem anderen zurück ins Licht zu holen.

Historiker Klaus Oberschewen vor dem Bert-Brecht-Haus, in dem er viele Jahre als VHS-Fachbereichsleiter tätig war.
Historiker Klaus Oberschewen vor dem Bert-Brecht-Haus, in dem er viele Jahre als VHS-Fachbereichsleiter tätig war. © Ulla Emig

Der dritte Teil unserer kleinen Reihe beleuchtet diesmal allerdings den Oberhausener Historiker selbst und seine Beweggründe. Als Geschichtsstudent der Ruhr-Universität Bochum konnte er gar nicht anders, als an den Lippen seines Dozenten Dr. Peter Friedemann zu hängen, der die Anfänge der jungen Bundesrepublik „von unten“ aufrollte. „Ich bin 1949 geboren, im Gründungsjahr der Bundesrepublik Deutschland.“ Da sei der Bezug zur Geschichte immer greifbar gewesen.

Auf die lange Bank geschoben

Oberschewen wuchs auf in einer Gesellschaft, in der nach Naziterror und Faschismus der Wunsch nach einer sozialeren Umgestaltung reifte. Denn viele Repräsentanten des Kapitals an Rhein und Ruhr hatten in Nürnberg nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges vor Gericht gestanden. „Krupp, Flick und viele andere, die von Krieg und Zwangsarbeit profitiert hatten, waren verurteilt worden.“

In Hessen habe es eine Volksabstimmung gegeben, „mit dem Ergebnis, dass über 70 Prozent der Bevölkerung eine Sozialisierung der Grundstoffindustrien – also von Banken, Kohle, Stahl und Chemie – forderten.“ Die amerikanische Besatzungsmacht habe das Ergebnis aber auf die lange Bank geschoben und es so nicht zur Umsetzung kommen lassen. „Allerdings gibt es heute noch einen entsprechenden Artikel in der hessischen Landesverfassung“, sagt Oberschewen.

Alte Nazis kehrten in hohe Ämter zurück

Eine nur kurze Periode, die schon bald mit dem „Kalten Krieg“ zur Teilung Deutschlands und der Gründung der Bundesrepublik führen sollte. „Antikommunismus beherrschte das staatliche Denken.“ Dafür habe in der BRD eine von der Adenauer-Regierung betriebene Rückkehr alter NSDAP-Mitglieder in zum Teil hohe Regierungsämter begonnen (NSDAP: Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei). „Friedrich Flick wurde nach seiner Entlassung reicher und mächtiger, als er zu Zeiten des Nationalsozialismus je war“, hält der Historiker fest.

Todesurteile kurz vor Kriegsende

Ein weiteres Beispiel sei auch Hans Filbinger (1913–2007), der als Ministerpräsident von Baden-Württemberg über sein Verhalten als Militärrichter in der Zeit des Nationalsozialismus stolperte. Als Militärrichter der Kriegsmarine hatte er 1943 und 1945 vier Todesurteile gefällt. Eines davon gegen einen 17-jährigen Soldaten. Angesichts der wachsenden öffentlichen Kritik verlor er den Rückhalt der CDU, der er seit 1951 angehörte. Er trat 1978 als Ministerpräsident zurück.

Aber auch in Oberhausen fassten Nazis durch alte Seilschaften in der Verwaltung wieder Fuß. „Diese Kontinuität, mit der Verbrechen ungesühnt blieben, alte Nazis unbehelligt weiter leben konnten, erschreckt mich und wurde zu meiner Triebfeder“, sagt Oberschewen. Das Unrecht, das dagegen vielen kleinen Leuten angetan wurde – er wird es ans Licht bringen. Wir dürfen gespannt sein.

>> ZUR PERSON

Klaus Oberschewen wurde in Recklinghausen geboren. Dort besuchte er die katholische Realschule, die er mit der Mittleren Reife abschloss. Nach einer Ausbildung zum Industriekaufmann auf der Zeche General Blumenthal machte er am Overberg-Kolleg in Münster das Abitur (1971). An der Ruhr-Universität Bochum studierte er Geschichte, Germanistik und Sozialwissenschaften.

Das zweite Staatsexamen und ein Referendariat folgten. 1984 kam er zur Stadtverwaltung Oberhausen. Zuletzt war er bei der Volkshochschule als Fachbereichsleiter Gesundheit, Kultur und Kreativität tätig. Vor zwei Jahren ging er in den Ruhestand. Als Vorsitzender des Historischen Vereins Oberhausen-Ost widmet sich der heute 67-Jährige seiner neuen Lebensaufgabe „Geschichte von unten“.