Oberhausen. . Erst fährt die Feuerwehr an der Turbinenhalle Oberhausen vor. Später sorgen 3000 Fans bei den Youtube-Stars „Die Lochis“ für ein Kreisch-Konzert.
- Die 17-jährigen Internet-Zwillinge „Die Lochis“ spielten ein zweistündiges Konzert in Oberhausen
- Viele Eltern begleiteten ihre Kinder zum umjubelten Kreisch-Auftritt in die Turbinenhalle
- Erst vor einigen Tagen gewannen die beliebten Clip-Musiker den ersten Goldene Kamera Digital Award
Blaulicht, herbeieilende Löschzüge und überall Polizei. Dramatisch beginnt das Gastspiel der 17 Jahre alten Youtuber Heiko und Roman Lochmann am frühen Freitagabend an der Turbinenhalle.
Die durch selbst produzierte Musik- und Spaßvideos im Internet populär gewordenen Zwillinge müssen im Lipperfeld eine Autogrammstunde abbrechen und eilig die Halle verlassen. Doch der schrill schallende Feueralarm entpuppt sich als harmlos. Wasserdampf hatte die Rauchmelder in der Küche der Konzerthalle ausgelöst. Außer ausgesuchten VIP-Gästen hatten noch gar keine Fans die Halle betreten.
Es soll allerdings nicht der letzte Alarm des Abends bleiben: Dafür sorgen später wiederum 3000 junge Fans, meist zwischen zehn und 16 Jahre alt, die ihre Organe beim Konzert der nur als „Die Lochis“ bekannten Jungspund-Helden auf ordentliche Kreisch-Temperatur hochheizen.
Hüpfen vor einem riesigen Hashtag
Zwei Stunden lang hüpfen sie vor einem überdimensionalen Rautezeichen („Hashtag“) auf und ab und sorgen bei einem Teil der stark vertretenen Eltern für etliche Fragezeichen im Gesicht. Auf den Plakaten der Fans steht dagegen einladend: „Wollt ihr zu meiner Konfirmationsfeier kommen?“
Dabei wäre der Erfolg der beiden Jungspunde in kleinen mehrminütigen Videoaufnahmen schnell erklärt. Vor fünf Jahren starteten die Zwillinge auf Youtube ihren eigenen Kanal und drehten kurze Videos. In einem der ersten Clips erklärte Roman Lochmann, wie man Milch aus einer Tüte in ein Glas schüttet, beziehungsweise verschüttet. Ein Jahr später verulkten sie einen Song von Bruno Mars und räumten prompt den Publikumspreis unter den Nachwuchskünstlern beim Webvideopreis ab.
Nun preisen die ganz in weißen Shirts und Hosen gekleideten Zwillinge in der Turbinenhalle einstimmig ihre Fan-Artikel an, die es natürlich im passenden „Lochi-Shop“ zu kaufen gibt. „Schaut euch die krassen Sachen an!“, heißt es da. Und im Kreischgewitter gibt es für einige Fans gleich noch mehr gute Aussichten. Sie schnappen sich einige Kostproben, die ins Publikum fliegen. Die Kapuzen-Pullover und Shirts sind für die Meisten kein Neuland. Sie huldigen ihren Helden längst in passender Garderobe. Andere sind absolute Beginner, die auf Papas Schultern in der Turbinenhalle wohl das erste Konzert ihres Lebens verfolgen.
Texte ergeben jugendlich leicht Sinn
Heute sind Selfmade-Sternchen auf Youtube eigentlich nichts besonderes mehr. Nur die Klicks und Abonnenten-Zahlen ihrer Kanäle unterscheiden Hobbyisten von Youtubern, die mit dem Selbstgemachten gutes Geld verdienen können. Mit 2,3 Millionen Abos spielen die Lochis in Deutschland in der Bundesliga der Szene. Mit bisher mehr als einer halben Milliarde Klicks gehöre der Kanal zu den 1000 größten weltweit, teilen die Zwillinge auf ihrer Internetseite mit. Zuletzt gab es einen eigenen Kinofilm. Und vor einigen Tagen auch noch den Goldene Kamera Digital Award für die Zwillinge. Doppelt hält besser.
Derartige Zahlenspiele sind den Fans am Freitag ziemlich schnuppe. Bei den Hashtag-Zwillingen ergeben die deutschen Texte „Ab geht‘s“, „Mein letzter Tag“, „Ich bin blank“ und „Bruder vor Luder“ jugendlich leicht Sinn. Mit „Durchgehend online“ haben die Lochis zudem so ziemlich alles aus der Eltern-Kind-Beziehung in Sachen Internet ulkig besungen: „Hallo Welt, kannst du mich hören, du darfst mich nicht beim Chatten stören.“
„Lasst eure Smartphones mal in der Tasche“
Bei ihrem Konzert werden die 17-Jährigen angesichts der dauergezückten Mobiltelefone aber beinah schon selbst zu Pädagogen: „Lasst eure Smartphones mal in der Tasche, wir wollen beide Hände zum Klatschen sehen.“ Die reichlich anwesenden Eltern wird es gefreut haben. Zumal sie in die obligatorischen Jubel-Mitmach-Spiele eingebunden werden. „Jetzt die Jungs, jetzt die Mädels — jetzt die Eltern!“
Groß ausgeschnittene Pappmaché-Herzen werden zur Bühne gehalten, die neben den Zwillingen drei Musiker mit Keyboard, Schlagzeug und Gitarre besetzen. Selbst auf dem Weg zum Parkplatz geht die Hitparade weiter. Handys dudeln Zugaben. Schicht im Schacht ist bei den „Lochis“ eigentlich nie.
>>> Info:
Seit fünf Jahren gehören die aus Hessen stammenden Zwillinge zu den bekanntesten deutschen Youtube-Erscheinungen. Dabei bleibt es nicht nur bei Klick-Erfolgen ihrer kostenfrei abrufbaren Musik-, Spaß- und Sketch-Videos. „Die Lochis“ verdienen mit ihrer Musik mittlerweile gutes Geld. Die 17-Jährigen platzierten ihr Album „#Zwilling“ zuletzt auf dem ersten Platz der deutschen und österreichischen Album-Charts. Bei ihrem 2015 erschienen Kinofilm „Bruder vor Luder“ hatten Show-Kollegen wie Axel Stein und Oliver Pocher Gastauftritte. Von den Kritikern wurde der Ulk-Streifen allerdings größtenteils verrissen. Auch in der Szene haben die „Lochis“ Gegner.
Die Inhalte der Youtube-Kanäle gehen quer durch den digitalen Garten. Neben Musik und Spaß sind Kanäle mit sogenannten „Life Hacks“ also Alltags-Tricks beliebt. Diese reichen vom Beauty-Thema bis hin zur Fotografie-Hilfe. Der Youtuber LeFloid (drei Millionen Abos) interviewte vor einem Jahr sogar Kanzlerin Angela Merkel.