Mit deutlichen Worten analysiert EVO-Chef Hartmut Gieske die Lage auf dem Gas- und Strommarkt. Ergebnis: Die Zukunft wird noch härter.

Herr Gieske, die großen Stromkonzerne mit vielen Kohlekraftwerken wie RWE und Steag stehen unter Druck. Wie tief steckt die EVO in der Krise, fragen sich viele?
Gieske:
Ist das so? Ich erlebe das nicht. Die EVO wird vielmehr als zuverlässiger Partner in Oberhausen gesehen – mit gutem Grund: Wir haben 2016 ein sehr erfolgreiches, ein hervorragendes Jahr absolviert. Wir werden nicht nur die zugesagten elf Millionen Euro an unsere beiden Anteilseigner ausschütten, sondern mit 11,4 Millionen Euro sogar noch ein bisschen mehr. Zudem stecken wir zwei Millionen Euro in unsere Rücklagen. Das ist auch dringend erforderlich, denn unsere Eigenkapitalquote ist zu niedrig. All diese Beiträge haben wir operativ, also aus unserem Kerngeschäft heraus, erwirtschaftet.

Woran liegt das, dass alle anderen Energieanbieter stöhnen, nur die EVO nicht?
Wir stöhnen auch. Denn die bundesdeutsche Energiewende läuft chaotisch. Die Energiewende ist Deutschlands teuerste Baustelle. Die Kosten für die EEG-Umlage belaufen sich mittlerweile auf fast 25 Milliarden Euro. Das ist eine riesige Belastung für alle Stromkunden. Aber stöhnen alleine reicht nicht – wir haben auch gehandelt: Wir haben schon vor zehn Jahren angefangen, sozialverträglich Personal abzubauen; wir haben mehrfach alle Prozesse auf den Prüfstand gestellt, um besser und effizienter zu werden. Das zahlt sich aus. Das größte Gut der EVO ist die Belegschaft.

Wie sehr ist die EVO von der Energiewende betroffen?
Wir können uns von der politischen Energiewende gar nicht abkoppeln, deshalb haben wir in der Mittelfristplanung bis 2022 eine Ergebnislücke von addiert fünf Millionen Euro. Wir dürfen in unserem Bemühen, besser zu werden, nicht nachlassen. Das werden wir aber mit unserer tollen Mannschaft auch packen. Wir müssen den Spagat schaffen: angemessene Preise für unsere Kunden und angemessene Rendite für unsere Anteilseigner, also für die Stadt Oberhausen und für RWE.

Die Schmerzgrenze erreicht

Sie haben aber früher auch gesagt, dass das Ende der Fahnenstange erreicht ist, dass man die EVO-Mitarbeiter nicht mehr stärker belasten kann. Können Sie noch besser werden?
Ja, natürlich. Wir können alle noch besser werden. Tatsächlich haben wir aber bei der Mehrbelastung der Mitarbeiter die Schmerzgrenze erreicht, weil wir gleichzeitig Personal abgebaut haben und Mehraufgaben schultern mussten.

Müssen die Kunden der EVO damit rechnen, dass der Strom noch teurer wird?
Das ist eine Frage, die mich sehr bewegt, da muss ich leider ein düsteres Bild malen. Ich bete zum lieben Gott, dass das nicht eintreffen wird. Ich sage voraus, dass wir Ende 2017/Anfang 2018 dramatische Preissteigerungen bei den Entgelten für die Netznutzung haben werden. Sie müssen auch steigen, denn wir haben Windparks auf dem Meer oder im Binnenland gebaut, die wir noch gar nicht ans Netz angeschlossen haben. Wir können heute den im Norden produzierten Strom aus Windenergie noch nicht einmal bis ins Ruhrgebiet transportieren, geschweige denn nach Süddeutschland. Wir müssen also ohne Ende Stromleitungen bauen – und das kostet schlicht Geld. Zweitens: Wenn die chaotische Energiewende nicht einschneidend geändert wird, steigen die Strompreise an den Börsen. Denn: Wenn neben den Kernkraftwerken auch noch Kohlekraftwerke, die derzeit alle Geld verbrennen statt Geld zu verdienen, vom Netz genommen werden, sinkt das Angebot an Strom in Deutschland – und das erhöht die Börsenpreise.

Was bedeutet das für die Verbraucher?
Wenn das passiert, dann wird Elektrizität zum Luxusgut für die Endkunden. Das ist eine riesige Gefahr für den Standort Deutschland. Denn alle Unternehmen, nicht nur die Energie-intensiven, geraten durch diese im Vergleich zum Ausland enorm steigenden Kosten unter Druck.

Heizen mit Öl billiger als mit Gas

In den vergangenen Jahren war bei den Heizkosten das Gegenteil der Fall: Verbraucher wärmten günstiger ihre Wohnung als früher. Warum kann man mit Öl seit einiger Zeit billiger heizen als mit Erdgas?
Das war und ist tatsächlich derzeit der Fall, doch gerade bei Rohstoffen muss man langfristig denken. Der niedrige Heizölpreis ist nach meiner Meinung nur ein kurzfristiger Trend. Am langen Ende haben diejenigen die bessere Entscheidung getroffen, die mit Gas heizen.

Warum fällt der Erdgaspreis bei sinkenden Ölpreisen nicht im gleichen Maße?
Man muss den Verbrauchern immer wieder die Zusammensetzung des Erdgaspreises erläutern: Zwar sind die Beschaffungspreise des Gases gesunken, doch hinzu kommen die staatlich regulierten Netzentgelte, die in den vergangenen Jahren drastisch gestiegen sind – und dazu erhöhten sich die Steuern und Abgaben in den vergangenen zehn Jahren um über 200 Prozent. Deshalb schlagen sich die niedrigen Börsen-Beschaffungspreise nicht bei den Endverbrauchern nieder.

Wie sehr bedrückt die harte Konkurrenz auf dem Strommarkt die EVO? Denn sie gehörten ja nicht gerade zu den billigsten Anbietern.
Wir spüren die harte Konkurrenz – wie jeder andere Energieanbieter. In Oberhausen haben wir 225 Stromanbieter, bei Erdgas deutlich über 100 Wettbewerber. Der Wettbewerb tobt – mit negativen Folgen für unsere Vertriebsmarge. Wir leiden in drei Geschäftsfeldern unter der Energiewende: Mit konventionellen Kraftwerken ist kein Geld mehr zu verdienen; die staatlich regulierten Netzentgelte reichen nicht aus, um den Kostenblock zu refinanzieren; durch den harten Wettbewerb sind die Margen im Keller. Uns geht es aber gar nicht darum, immer wieder mal der billigste zu sein, sondern verlässlich vernünftig kalkulierte, nachvollziehbare Preise zu bieten.

Wir sind kein Wohltätigkeitsverein

Warum wollen Sie nicht der billigste Anbieter sein?
Wir sind kein Wohltätigkeitsverein. Von uns erwarten die Anteilseigner eine angemessene Rendite. Wir müssen also Geld generieren. Und das ist noch nicht alles: Wir zahlen der Stadt neun Millionen Euro an Konzessionsabgabe, 2,5 Millionen Euro an Gewerbesteuer – und ohne unser Sponsoring wären viele Angebote von Vereinen und Initiativen nicht mehr denkbar. Man muss diese Leistung der EVO im Paket sehen – und nicht nur die Ausschüttungen.

Gibt es die Chance, das Geschäftsfeld der EVO auszuweiten – oder haben Sie diese Pläne aufgegeben?
Mit der Sechs-Prozent-Beteiligung an der Steag haben wir Expansionspläne für die EVO insofern aufgegeben, als dass wir nun für Projekte außerhalb Oberhausens die Steag haben. Wir machen jedenfalls kein Doppelgeschäft. Das wäre unsinnig.

Kann die EVO trotz der Energiewende ihr hohes Maß an Sponsoring für viele Vereine und Projekte noch halten?
Wir sind auch ein zuverlässiger Partner für Sponsoring. Wir werden allerdings kein Projekt sponsern, bei dem nicht Kinder und Jugendliche gefördert werden. Sollte es allerdings knapp werden und wir die elf Millionen Euro Gewinnausschüttung an unsere beiden Anteilseigner im Jahr nicht mehr erreichen, müssen wir auch an unsere Sponsoring-Summen heran. Das ist im Moment nicht der Fall.

„Ohne uns gäbe es doch RWO nicht mehr“

Kritiker monieren, dass die EVO viel zu viel Sponsoring-Geld für die Profis von Rot-Weiß Oberhausen ausgibt.
Diese Kritik ist durchaus öfter zu hören, aber sie stimmt nicht. Ich sage dann immer gebetsmühlenhaft: RWO und NBO gäbe es doch gar nicht mehr, wenn es die EVO nicht gäbe. Ich gehe dabei nicht nur von der ersten Mannschaft aus, sondern vor allem von den Kinder- und Jugendmannschaften. RWO hat eine ausgezeichnete Jugendarbeit, die vom DFB testiert worden ist. Das sind 25 Ligamannschaften mit einem riesigen Programm, das wir gerne unterstützen.

Wie beurteilen Sie insgesamt die wirtschaftliche Entwicklung in Oberhausen?
Ich glaube, dass Oberhausen eine liebens- und lebenswerte Stadt mit einer sehr guten Substanz ist. Natürlich haben wir unsere Baustellen, insbesondere bei den Finanzen. Jedes Projekt muss deshalb drei bis vier Mal durchdacht werden, bevor es verwirklicht wird. Dennoch ist die Infrastruktur für die Wirtschaft hervorragend: Es gibt gerade für die Logistik-Branche keinen besseren Standort als Oberhausen. Das dichte Autobahn- und Schienennetz rund um Oberhausen ist ein riesiger Vorteil. Und kulturell hat Oberhausen sehr viel mehr zu bieten als die meisten anderen Kommunen, ich nenne da nur ‘mal das Ebertbad, die Gasometer-Schauen oder die Ludwiggalerie-Ausstellungen.

Hohe Gewerbesteuerlast problematisch

Was sehen Sie als größte Nachteile für Unternehmen in der Stadt?
Die hohe Gewerbesteuerlast mindert natürlich die Attraktivität von Oberhausen. Zudem müssen wir aufpassen, dass unsere Stadt nicht nur zu einem reinen Dienstleistungsstandort wird. Wir benötigen auch künftig einen guten Mix aus Dienstleistung und produzierendem Gewerbe. Leider hat aber die Industriefreundlichkeit von Bürgern stark abgenommen. Zudem machen die hohen Energiepreise in Deutschland den Industrieunternehmen zu schaffen – auch aus diesem Grund stehen Stahlbetriebe derzeit auf der Kippe.

Seit einem Jahr hat Oberhausen einen neuen Oberbürgermeister. Wie beurteilen Sie die Arbeit von Daniel Schranz für die Wirtschaft in der Stadt?
Ich kann nur für die EVO sprechen. Wir haben mit seinem Vorgänger Klaus Wehling sehr harmonisch und vertrauensvoll zusammengearbeitet und das machen wir jetzt auch mit Daniel Schranz. Es macht sehr viel Spaß mit ihm, wir arbeiten hervorragend zusammen. Daniel Schranz weiß die Bedeutung der EVO für die gesamte Stadt zu schätzen.

Das Interview mit EVO-Vorstand und RWO-Aufsichtsratsvorsitzenden Hartmut Gieske führte Peter Szymaniak.